Fußball-Kolumne - Weltfußballer: Was gegen Jorginho, De Bruyne und Donnarumma spricht

Drei prägende Figuren des Fußballjahrs 2021: Copa-Sieger Lionel Messi, Bundesliga-Rekordschütze Robert Lewandowski und EM- sowie Championsl-League-Sieger Jorginho (v.l.).
© getty

Nach den Finals von EM und Copa America stellen sich Fans und Experten die Frage, wer Weltfußballer werden soll. Ein Blick auf die verschiedenen Titelträger macht es nicht einfacher, doch am Ende bleibt trotzdem nur eine Wahl. Die Fußball-Kolumne.

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Ich gebe es zu: Ich habe dieses Jahr vergessen, meine Stimme bei der Sportjournalisten-Wahl zu Deutschlands Fußballer des Jahres abzugeben. Mein Elan war auch deshalb gebremst, weil der Sieger aus meiner Sicht schon lange feststeht.

Denn an Vorjahressieger Robert Lewandowski führt auch dieses Mal kein Weg vorbei, schließlich hat er mit seinen 41 Treffern den "ewigen" Rekord von Gerd Müller übertroffen und damit endgültig seinen Platz in der Bundesliga-Geschichte.

Robert Lewandowski: International erfolglos

Dennoch glaube ich nicht, dass der Bayern-Star auch den Titel als Weltfußballer wird verteidigen können. Und das zu Recht. Denn bei der Frage nach dem besten Spieler des Planeten können nicht nur die individuellen Fähigkeiten berücksichtigt werden. Mindestens gleich wichtig, wenn nicht sogar noch wichtiger, ist im Teamsport Fußball der Erfolg mit der Mannschaft.

Und da gelang den Münchnern nach dem Titelrausch 2020 in dieser Saison mit dem Meistertitel recht wenig gemessen an den eigenen Ansprüchen. Vermutlich auch, weil Lewandowski ausgerechnet beim Ausscheiden im Champions-League-Viertelfinale gegen Paris Saint-Germain verletzt fehlte. Und danach scheiterte 'Lewy' auch mit Polen schon in der EM-Vorrunde.

Aus meiner Sicht kann aber in der Regel nur ein Profi Weltfußballer werden, der bei mindestens einem der Top-Wettbewerbe erfolgreich war - also in diesem Jahr Europameisterschaft, Copa America oder Champions League. Mit Abstrichen gehören auch Spieler aus dem Meisterteam der Premier League in diesen Kreis, weil keine andere Liga so ausgeglichen und auf solch hohem Niveau ist.

Jorginho holt EM- und CL-Titel

Einer der beiden Akteure, die sowohl die EM als auch die Champions League gewonnen haben, ist der Italiener Jorginho vom FC Chelsea. Ihm gelang dieses Kunststück, genauso wie seinem Teamkollegen Emerson. Trotzdem ist Jorginho für mich nicht der beste Spieler der Welt, sondern ein wichtiger Role Player. Im Halbfinale und Finale war der Mittelfeldspieler eher Mitläufer und vergab zudem gegen England im Elfmeterschießen.

Weit überzeugender bei der Squadra Azzurra waren die Abwehrrecken Giorgio Chiellini und Lenoardo Bonucci sowie Torhüter Gianluigi Donnarumma, der mit gerade mal 22 Jahren von der UEFA zum besten Spieler der EM-Endrunde gekürt wurde.

Gianluigi Donnarumma: Historisch gesehen chancenlos

Doch selbst wenn man den PSG-Neuzugang zum engeren Kreis zählt, eine Chance als Weltfußballer dürfte er als Keeper kaum haben. wie der Blick in die Vergangenheit zeigt: Manuel Neuer schaffte 2014 nach dem WM-Titel nur Platz drei, Oliver Kahn wurde als bislang erfolgreichster Torhüter bei der FIFA-Wahl 2002 Zweiter.

Ein einziger Verteidiger konnte hingegen den Titel gewinnen, Italiens Abwehrchef Fabio Cannavaro nach dem WM-Triumph 2006. Das könnte ein Argument für seine Nachfolger Chiellini und Bonucci sein, doch nach deren schwacher Saison mit Juventus Turin (frühes Achtelfinal-Aus in der CL gegen Außenseiter Porto und gerade mal Platz vier in der Serie A) scheiden beide für mich aus.

Das gleiche gilt dann natürlich erst recht für den fünffachen Weltfußballer Cristiano Ronaldo, im vergangenen Jahr bei der Wahl noch Zweiter hinter Lewandowski. Auch wenn der Altmeister Torschützenkönig in Italien und bei der EM wurde und dabei erneut mehrere Rekorde brach - am Ende reicht es beim 36-Jährigen nicht mehr für die einstige Dominanz, wie der frühe EM-K.-o. mit Portugal im Achtelfinale zeigte.

Frankreichs Stars: Viel Potenzial, zu wenige Titel

Doch auch beim zweiten großen Sieger der abgelaufenen Spielzeit, dem Champions-League-Gewinner FC Chelsea, gibt es keinen alles überragenden Spieler. Wobei N'Golo Kante sicher die Qualitäten eines potenziellen Weltfußballers besitzt, davon war aber bei der überraschenden Pleite von Weltmeister Frankreich gegen Außenseiter Schweiz im EM-Achtelfinale fast nichts zu sehen. Gleiches gilt für Teamkollegen wie Paul Pogba, Karim Benzema oder Kylian Mbappe: herausragende Einzelkönner, aber bei der Euro ebenso gescheitert wie zuvor mit ihren favorisierten Klubs in der Meisterschaft.

Womit wir beim Champions-League-Finalverlierer Manchester City wären, der dort die Krönung einer ansonsten herausragenden Saison mit dem unangefochtenen Titelgewinn in der Premier League verpasste. Dennoch sind Kyle Walker, John Stones und Raheem Sterling trotz des EM-Endspieleinzugs mit England nach wie vor keine Kandidaten als Weltfußballer, ebenso wenig City-Abwehrchef Ruben Dias nach dem portugiesischen EM-Desaster.

Kevin De Bruyne: Verletzungspech verhindert totalen Triumph

Einer steht allerdings in dieser Mannschaft, der tatsächlich momentan zu den weltbesten Kickern gehört: Kevin De Bruyne. Ohne sein großes Verletzungspech sowohl im Finale der Königsklasse (ausgewechselt nach Bruch von Augenhöhle und Nasenbein) als auch beim EM-Aus gegen Italien, bei dem er trotz eines Bänderrisses durchspielte, wäre sicher mehr drin gewesen. Von seinen Fähigkeiten her wäre der Belgier, der laut kicker auch notenbester Spieler der EM war, jedenfalls ein würdiger Weltfußballer - nur hat er dafür eben zweimal zu oft verloren.

Noch mehr gilt das für seinen Landsmann Romelu Lukaku, der zwar mit Inter Meister wurde und zur absoluten Weltklasse gehört. Aber gegen Italien tauchte er ab, genauso wie Englands Kapitän und Premier-League-Torschützenkönig Harry Kane im Endspiel (kein Schuss aufs Tor). Zum illustren Kreis von herausragenden Stürmern kann man auch Dortmunds Erling Haaland zählen, mit zehn Treffern bester Torschütze der Champions League. Aber der DFB-Pokal-Sieg ist dann doch zu wenig für einen Platz ganz oben für den Norweger, dessen Zeit sicher noch kommen wird.

Copa America: Neymar nutzt auch der Heimvorteil nicht

Bleibt als letztes der Blick auf die Copa America, bei der Neymar nach einer schwachen Saison mit PSG auch den Heimvorteil mit Brasilien nicht zum Titelgewinn nutzen konnte und daher ebenfalls aus dem Rennen ist. Ganz anders als sein großer Rivale Lionel Messi. Der Superstar hat es endlich geschafft, sein Heimatland Argentinien zum ersten großen Triumph seit Olympia-Gold 2008 und zur ersten Copa America seit 28 Jahren zu führen.

Damit hat es Messi im Herbst seiner erfolgreichen Karriere allen Kritikern gezeigt, die ihm immer seine Misserfolge im Nationalteam vorgehalten und die Erfolge mit dem FC Barcelona mehr auf sein starkes Team als auf seine Fähigkeiten zurückgeführt hatten. Dabei ist er auch mit 34 Jahren individuell noch immer einer der besten Fußballer aller Zeiten, was er unter anderem mit dem fünften Gewinn der spanischen Torjägerkanone in Folge wieder einmal bewiesen hat - auch wenn er in der abgelaufenen Saison mit Barca "nur" den spanischen Pokal holte.

Keiner ist auf Augenhöhe mit Lionel Messi

Trotzdem lege ich mich fest: In der Abwägung aller Argumente kann es bei der Weltfußballer-Wahl dieses Jahr nur einen geben, Messi muss zum insgesamten siebten (und vielleicht letzten) Mal den Titel bekommen. Weil meine anderen Kandidaten, De Bruyne, Donnarumma und mit Abstrichen Lewandowski, einfach nicht auf Augenhöhe mit Messi sind.

Sie alle hätten aber einen Platz in meiner Welt-Elf des Jahres verdient, die offiziell von der internationalen Spielergewerkschaft FIFPro gewählt werden wird.

Mein ganz persönliches Line-Up: Donnarumma - Walker, Chiellini, Bonucci, Shaw - Kante, Jorginho - De Bruyne, Messi, Ronaldo - Lewandowski.