Tabuthema Homosexualität: Fußballprofis erklären Unterstützung

SID
Max Kruse positioniert sich bei 11Freunde klar.
© getty

In einer Kampagne sprechen mehrere Hundert Fußballspielerinnen und -spieler homosexuellen Sportlern Mut zu. Der frühere Nationalspieler Philipp Lahm rät aktiven Profis dagegen vom Coming-Out in der Öffentlichkeit ab.

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Max Kruse zeigte Flagge, Alexandra Popp wollte ein Zeichen setzen, Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke teilte die wichtige Botschaft im Namen von Borussia Dortmund. In einer Kampagne des Magazins 11Freunde haben über 800 Akteure aus dem Profifußball homosexuellen Spielern ihre volle Unterstützung und Solidarität zugesichert. "Ihr könnt auf uns zählen" heißt es in der Erklärung, die die Angst vor den Folgen eines Coming-Outs nehmen soll.

Während Ex-Nationalmannschaftskapitän Philipp Lahm skeptisch bleibt, ist der Rückhalt in vielen Vereinen zumindest augenscheinlich groß. Zwar sollte niemand zu einem Coming-Out gedrängt werden. Aber: "Wir sagen allen, die mit dieser Entscheidung ringen: Wir werden euch unterstützen und ermutigen und, falls notwendig, auch gegen Anfeindungen verteidigen", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung.

Einen offen homosexuellen Spieler gibt es im deutschen Profifußball der Männer auch im Jahr 2021 nicht. Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger outete sich erst nach der aktiven Karriere. Der 38-Jährige lobte die Aktion. "Wieder ein Schritt in die richtige Richtung", schrieb Hitzlsperger bei Twitter.

Die Angst vor Beschimpfungen und Ausgrenzungen in der Öffentlichkeit, in der Kabine und in den Fankurven ist offenbar dennoch noch immer allgegenwärtig.

Lahm rät von Coming-Out ab

Lahm hält diese Sorgen nicht für unbegründet. Vor einem öffentlichen Bekenntnis zur eigenen Orientierung rät er deshalb ab. "Die Verantwortung wäre mir zu groß", schrieb der Weltmeister-Kapitän von 2014 in seinem neuen Buch "Das Spiel: Die Welt des Fußballs". Gegenwärtig seien "die Chancen gering, so einen Versuch in der Bundesliga mit Erfolg zu wagen und nur halbwegs unbeschadet davonzukommen", meinte Lahm.

Er würde einem betroffenen Spieler nicht einmal raten, sich mit seinen Mitspielern im eigenen Klub über dieses Thema zu unterhalten. Zudem befürchtet der 37-Jährige "gebrüllte Beleidigungen, Beschimpfungen und diffamierende Äußerungen. Wer würde das aushalten? Und wenn ja, wie lange würde er es aushalten?"

Eine Kapitulation vor Unverbesserlichen in der Kurve kann dennoch keine Lösung sein. Zivilcourage auf den Rängen, wie etwa bei Regionalligist Preußen Münster nach rassistischen Beleidigungen im Februar 2020 gezeigt, ist deshalb nicht nur für Lahm ein wichtiger Faktor.

Kruse: "Kann jeden verstehen, der sich dem nicht aussetzen will"

Wie weit und aufgeschlossen Fans und Öffentlichkeit tatsächlich sind, würde erst ein Coming-Out eines Spielers zeigen. "Ich kann jeden verstehen, der sich dem nicht aussetzen will", sagte Kruse. Die Unterstützung des Angreifers von Union Berlin wäre dem Mitspieler aber sicher: "Wenn sich einer meiner Kollegen outen würde, würde ich ihn vor den Idioten draußen schützen."

Deutlich progressiver als Protagonisten im Profi-Bereich der Männer sind bereits die Frauen. Wie groß die Akzeptanz homosexueller Spielerinnen ist, zeigt sich beispielsweise beim VfL Wolfsburg: Beim Doublesieger steht mit der früheren Nationalspielerin Anna Blässe und der Schweizerin Lara Dickenmann sogar ein Ehepaar unter Vertrag.

"Auf wen man steht, ist auf dem Fußballplatz egal, es geht am Ende um die Leistung", sagte Kapitänin Popp: "Wenn sich jemand outen würde, glaube ich sogar, dass es eine gewisse Befreiung sein könnte, durch die die Leistung sogar noch ein paar Prozente besser werden könnte. Für uns alle ist es einfach wichtig, ein Zeichen zu setzen."