"Wer bin ich ohne Fußball überhaupt?"

Matthias Langkamp beendete 2011 seine aktive Karriere
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SPOX: Immerhin sind Sie 2005 U21-Nationalspieler geworden und bald danach vom VfL Wolfsburg verpflichtet worden.

Langkamp: Ich war mit 21 noch ein ganz junger Kerl und wollte eigentlich in Bielefeld bleiben. Der Verein wollte das aber gar nicht. Mittlerweile weiß ich auch warum. Da hatten viele Leute und Berater ihre Finger im Spiel und es gab Abmachungen untereinander. Heute dürfte das längst gang und gäbe sein.

SPOX: Bei den Wölfen kamen Sie nur auf einen Einsatz und wurden nach einer Spielzeit in die Schweiz verliehen. Haben Sie den Wechsel bereut?

Langkamp: Das vielleicht nicht, er kam aber definitiv zu früh für mich. Es war zu diesem Zeitpunkt die falsche Entscheidung. Ich war entweder nicht richtig fit oder habe selbst geschludert. In dieser Zeit kam es auch zur Trennung von der ersten großen Liebe und so weiter. Ich bin dann nach Zürich gegangen und dort lief es bis zur Winterpause auch super. Ich war Stammspieler und wir standen an der Tabellenspitze, doch dann stoppte mich ein Bandscheibenvorfall.

SPOX: Das war Ihre erste Station im Ausland, Stuttgart-Legende Krassimir Balakov war Trainer der Grashoppers. Welche Erinnerungen haben Sie an ihn?

Langkamp: Balakov war sehr speziell. Unter ihm hatte ich nach dem Auslaufen zum ersten Mal in meiner Karriere einen höheren Puls als bei den Läufen in der Saisonvorbereitung. Das ging teilweise in irrem Tempo eine Stunde lang und er lief immer vorne weg. Irgendwann bin ich zu ihm gegangen und meinte: 'Trainer, so kann ich mich nicht erholen. Wie soll ich denn in zwei Tagen wieder trainieren können?' Das fand er dann nicht so gut. (lacht)

SPOX: Anschließend kehrten Sie für ein Jahr zur Arminia zurück, 2008 folgte dann der Wechsel nach Griechenland. Wie ging es dort zu?

Langkamp: Das war mit Sicherheit meine interessanteste Station. Ewald Lienen war Trainer und hat mich geholt. Das erste halbe Jahr lief ganz gut. Ich habe regelmäßig gespielt, doch dann wurde Lienen entlassen.

SPOX: Angeblich unter mehr als kuriosen Umständen.

Langkamp: Absolut. Wir hatten in Lampros Choutos einen damaligen griechischen Superstar im Team. Zumindest dachte er, er wäre der Superstar. Er hatte bei Inter Mailand gespielt und wenn er mal Lust hatte, kam er zwei Mal pro Woche zum Training und fuhr dann mit dem Ferrari vor. Die anderen Spieler kamen alle mit einem vom Verein gesponserten Fiat. Wenn er trainiert hat, drehte er mit seinem eigenen Coach ein paar Runden auf dem Nebenplatz und gesellte sich dann zum Abschlussspiel zu uns.

SPOX: Wie ist Lienen damit umgegangen?

Langkamp: Es war halt der Kapitän mit der Nummer zehn und noch dazu der Schwiegersohn des Präsidenten. Deshalb spielte er natürlich auch immer. Es kam dann eine Phase, in der es nicht gut lief. Wir haben ja quasi auch immer nur zu zehnt gespielt, denn er bewegte sich kein Stück und machte, was er wollte. Bei einem Abschlusstraining gab ihm Lienen dann mal kein Leibchen für die A-Mannschaft. Das hat ihm weniger gefallen und plötzlich hat er mitten auf dem Platz vor allen Leuten den Co-Trainer zusammengeschlagen. Der musste dann wirklich vom Platz getragen werden.

SPOX: Und dann?

Langkamp: Wir spielten gegen PAOK Saloniki und unser Kapitän stand logischerweise nicht im Kader. Wir haben gut gespielt, aber knapp verloren. Daraufhin wurde das gesamte Trainerteam entlassen. Beim nächsten Training stand der Typ wieder als Mannschaftskapitän auf dem Platz. Es kam ein griechischer Trainer, unter dem ich noch ein Spiel gemacht habe und dann war ich außen vor. Ich habe auch drei, vier Monate lang kein Gehalt mehr bekommen. Nach einem längeren Rechtsstreit wurde mein Dreijahresvertrag schließlich aufgelöst.

SPOX: Brutale Geschichte. Haben Sie noch eine auf Lager?

Langkamp: Ich erinnere mich an ein Heimspiel, zufälligerweise auch gegen PAOK, das wir durch einen völlig berechtigten Elfmeter in der Nachspielzeit mit 1:2 verloren. Nach dem Spiel wurde der Schiedsrichter von fünf Gestalten, die niemand kannte, mitten in den Katakomben vermöbelt. Ein Krankenwagen hat ihn abtransportiert. Ich war fassungslos, denn anschließend wurde der Vorfall unter den Tisch gekehrt und keiner wollte etwas davon gewusst haben. Manchmal saßen wir Spieler auch stundenlang im Stadion fest, weil an den Ausgängen Fans mit Knüppeln gewartet haben. Das war schon der reine Wahnsinn.

SPOX: Das dürfte eine der Erfahrungen sein, weshalb Sie über den Abstand zum Profigeschäft ganz froh sind, oder?

Langkamp: Auf jeden Fall. Vorteilhaft ist es auch, dass ich mich nach einem Spiel nicht mehr vor ein Mikrofon stellen und jedes Mal aufs Neue denselben Blödsinn erzählen muss. Ich kann jetzt meine Meinung sagen, ohne dass mir gleich jemand ans Bein pinkelt.

SPOX: Wie blicken Sie heutzutage beispielsweise auf Interviews mit Spielern, die unmittelbar nach Schlusspfiff geführt werden?

Langkamp: Die schaue ich mir schon lange nicht mehr an. Von Saison zu Saison, vom ersten bis zum letzten Spieltag werden diese Interviews immer auf die gleiche Weise geführt und inhaltlich kommt auch immer dasselbe nichtssagende Gefasel heraus. Die Zuschauer freuen sich dann zwar, Spieler XY reden zu hören, aber sie kapieren offenbar gar nicht, was da eigentlich genau abläuft. Doch was willst du als Spieler auch machen? Du hockst in deinem goldenen Käfig und musst den Regeln folgen - so schade das auch ist.

SPOX: Hatten Sie als aktiver Spieler Probleme im Umgang mit der Presse?

Langkamp: Nicht immer, aber es kam vor. Als in Wolfsburg das Spiel gegen meinen Ex-Verein Bielefeld anstand, war ich für die Startelf vorgesehen, obwohl ich zuvor oft draußen saß. Drei Tage vor dem Spiel hat mich ein Journalist zu den Gründen für meine Reservistenrolle befragt. Ich habe dann eine Antwort gegeben, die man auch zu meinen Ungunsten interpretieren konnte - falls man das wollte. Tags darauf stand das Zitat in der Zeitung und dann hat mich Trainer Holger Fach aus dem Kader gestrichen.

SPOX: Mit oder ohne konkrete Begründung?

Langkamp: Ohne. Meine wortwörtliche Aussage war: 'So genau weiß ich auch nicht, weshalb ich derzeit nicht spiele.' Der Journalist hat es mir dann eben so ausgelegt, als würde ich damit den Trainer attackieren. Das war natürlich auch irgendwo jugendliche Dummheit. Ich war aber immer jemand, der öfter mal seine Meinung gesagt hat, auch wenn ich im Nachhinein besser meine Klappe gehalten hätte.

SPOX: Haben Sie den Journalisten noch einmal zur Rede gestellt?

Langkamp: Ja. Einige Tage später habe ich ihn wieder getroffen und gesagt, dass man das auch hätte anders schreiben können. Er meinte nur: 'Tja, da hast du wieder etwas gelernt.'

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