"Nebenan schlug eine Panzerfaust ein"

Michael Krüger betreut seit 2015 die U23 von Hannover 96
© getty

17 Trainerstationen in 26 Jahren: Hannovers U23-Coach Michael Krüger hat nicht nur auf dem Papier viel erlebt. Mit SPOX spricht er über ein richtungsweisendes Abkommen mit Peter Neururer, seine irrwitzigen ersten Schritte in Ägypten, den Status "Nationalheld", aber auch die Schattenseite des Jobs: Korruption, Lebensgefahr und seine sehr besorgte Familie.

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SPOX: Herr Krüger, Sie sind zurück in Deutschland und nun U23-Trainer bei Hannover 96. Schaut man sich Ihre Vita an, stellt sich aber eigentlich nur die Frage: Wann zieht es Sie wieder ins Ausland?

Michael Krüger: Ich glaube nicht mehr. Als ich letztes Jahr aus Ägypten zurückkam, habe ich beschlossen, dass ich jetzt oft genug weg war. Mein Wunsch war es seit längerer Zeit, für den letzten Abschnitt meiner Karriere in den Nachwuchs zurückzukehren. Dass sich diese Möglichkeit in Hannover ergeben hat, ist für mich ideal. Nach all dem Reisen bin ich wieder bei meiner Familie und meinen Freunden.

SPOX: Seit Beginn Ihrer Cheftrainerlaufbahn 1989 waren Sie für 14 verschiedene Vereine tätig, unter anderem den VfL Wolfsburg, Eintracht Braunschweig und Alemannia Aachen. Haben Sie Ihre fußballerische Heimat noch nicht gefunden oder sind Sie einfach ein Globetrotter?

Krüger: Ein Globetrotter bin ich mit Sicherheit nicht, denn vieles hat sich im Laufe der Zeit einfach so ergeben. Der Wechsel zu Braunschweig, nachdem ich drei Jahre die U23 des VfL trainiert hatte, war eine riesige Chance. Mit dem Aufstieg in die 2. Liga haben wir dann auch eine schöne Erfolgsgeschichte geschrieben. Ich war dennoch nie einer der Trainer, die sich ihre Klubs nach Belieben aussuchen konnten. Deshalb war es wichtig, sich durch gute Arbeit für weitere Anstellungen zu empfehlen.

SPOX: Ihre Trainerlizenz haben Sie 1987 unter anderem mit Horst Hrubesch, Michael Henke und Peter Neururer gemacht. Mit Letzterem bildeten Sie von 1987 bis 1989 das Trainerteam auf Schalke. Wie hat er Sie in Ihrer Arbeit geprägt?

Krüger: Das fing schon bei unserem Kennenlernen an, das höchst kurios verlief.

SPOX: Inwiefern?

Krüger: Wir haben einmal gegeneinander gespielt - er als Abwehrspieler des STV Horst-Emscher, ich als Stürmer für den FC Paderborn. Ich habe ihn im direkten Duell fürchterlich eingedreht, wofür er sich recht schnell revanchiert hat. Denn es ist ja bekannt, dass Peter kein guter Kicker war, dafür aber ein umso besserer Treter. (lacht) Auf dem Lehrgang 1987 haben wir uns wiedergesehen und es ist schnell eine Freundschaft entstanden. Als wir ein paar Wochen später in nicht mehr ganz nüchternem Zustand um die Häuser zogen, haben wir uns geschworen: Wer zuerst den Sprung ins Profi-Geschäft schafft, holt den Anderen nach.

SPOX: So sind Sie beim FC Schalke gelandet?

Krüger: Genau. Peter hat den Verein übernommen und in der 2. Liga gehalten. In der neuen Saison wurde ich sein Co-Trainer. Solche Kapriolen waren früher wohl eher möglich.

SPOX: Trotz Ihrer guten Referenzen in Deutschland überraschten Sie 1995 plötzlich mit der Entscheidung, nach Ägypten zu wechseln und die Arab Contractors zu trainieren. Was bewegte Sie zu diesem außergewöhnlichen Schritt?

Krüger: Ich hatte auch ein Angebot vom VfL Wolfsburg für den Co-Trainer-Posten bei Willi Reimann, den ich noch aus meiner aktiven Zeit bei Hannover kannte. Zur gleichen Zeit lag mir aber auch ein schriftliches Angebot aus Kairo vor.

SPOX: Und Sie entschieden sich für das Ausland?

Krüger: Nicht direkt. Kurz nach Weihnachten fuhr ich zum VfL, um mir alles anzuhören. Der damalige Fußballchef Wolfgang Heitmann, der auch mein Freund war, empfahl mir, mich während der Vertragsgespräche weder zu bescheiden, noch zu gierig zu verhalten. Ich habe den VW-Bossen aber signalisiert, nur für den teuersten aller möglichen Verträge anfangen zu wollen. Auf der Heimfahrt klingelte mein Handy und Heitmann sagte mir, ich könne direkt anfangen.

SPOX: Warum taten Sie es nicht?

Krüger: Der Flug nach Ägypten war schon gebucht und ich dachte mir: Wann kann ich schon mal umsonst nach Kairo fliegen? Zudem war ich einfach neugierig und wollte erst einmal schauen, was mich erwartet. Das war auch mit dem VfL so abgesprochen. Ich kann aber nicht leugnen, dass ich bei der Ankunft am Flughafen in Kairo durchaus ein mulmiges Gefühl hatte.

SPOX: Wie kam es plötzlich dazu?

Krüger: Es fing schon damit an, dass man mir sagte, man würde mich am Flughafen abholen. Als ich gelandet bin, warteten viele Menschen mit Namensschildern in der Ankunftshalle - für all die Touristen. Ich habe vergeblich nach meinem Namen gesucht, ihn aber nicht gefunden. Ein Schild mit der Aufschrift "Kroga" klang zwar ähnlich, sicher konnte ich mir aber nicht sein. Erst als alle Menschen weg waren und dieser Kerl mit dem "Kroga"-Schild noch da stand, wusste ich Bescheid.

SPOX: Verlief das erste Treffen mit den Klub-Verantwortlichen ähnlich kurios?

Krüger: Definitiv. Ich muss zugeben, ich war über die sportliche Situation des Vereins überhaupt nicht informiert. Über das Internet war es damals noch nicht möglich, die Tabelle oder Statistiken einzusehen.

SPOX: Sie wussten also gar nicht, dass der Verein gegen den Abstieg spielte?

Krüger: Nein und es war auch gar nicht so einfach, das von den Verantwortlichen zu erfahren. Mister Gamal, der Manager des Klubs, erzählte mir auf Nachfrage, man stünde im Mittelfeld der Tabelle. Erst als ich weiter nachhakte, erfuhr ich, dass der Verein auf dem 14. von 16 Plätzen stand, also einem Abstiegsplatz. Das nächste Problem war: Das für den Klub entscheidende Spiel fand gegen den al Ahly Sports Club statt, quasi den FC Bayern Ägyptens. Den letzten Sieg gegen diesen Verein hatte es 15 Jahre zuvor gegeben.

SPOX: Und Sie entschieden sich, den Job trotzdem anzunehmen?

Kürger: Irgendeine Stimme sagte mir: Ja, mach es! Es hätte auch gar nicht zu mir gepasst, wenn ich in dem Moment nicht den Risiko-Weg gewählt hätte. Den bin ich eigentlich immer gegangen.

SPOX: Sie haben das Spiel sensationell gewonnen.

Krüger: Mit 2:0. Das war ein Rieseneinstand für mich, wenngleich ich leider nicht mehr die Möglichkeit hatte, nach Hause zu fliegen, um mich von meiner Familie zu verabschieden. Eine Stunde nach dem Vertragsgespräch begann die Arbeit mit der Mannschaft.

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