Cyborg Verstappen

Max Verstappen versuchte in Interlagos die Silberpfeile zu ärgern, scheiterte und überzeugte doch
© getty

SPOX-Redakteur Alexander Maack bewertet nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen der Formel-1-Piloten und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 17 der Saison 2016: Der Große Preis von Brasilien in Interlagos . Mit dabei: Max Verstappen und Lewis Hamilton auf ungleicher Augenhöhe und Nico Rosberg im Tarnmodus.

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Platz 1, Max Verstappen: Der Red-Bull-Teenie habe die physikalischen Gesetze neu definiert, stellte Mercedes' Motorsportdirektor Toto Wolff fest. Das war eine beinahe zu nüchterne Beschreibung der Leistung. Verstappen fuhr wie ein Cyborg. Statt Auto und Pilot fuhr eine Einheit mit Red-Bull-Sponsoring auf dem Autodromo Jose Carlos Pace, quasi ein Autopilot.

Verstappen experimentierte während der Safety-Car-Phasen mit dem Griplevel. Er probierte Sachen, die sich die anderen Piloten nicht mal unter Rennbedingungen trauten. Und er setzte es um. Den zu vorsichtigen Iceman überrumpelte der Niederländer beim Start. Den Mercedes von Rosberg schnappte sich Verstappen auf der Außenbahn in Turn 3. Dazu die atemberaubende Aufholjagd, nachdem Red Bull mit der Strategie zu risikofreudig war. Mad Max zeigte sich in Galaform!

Die beeindruckendste Szene war allerdings, als Verstappen für einen kurzen Moment die Kontrolle verlor. Im Zielknick ging ihm das Heck weg. Grosjean, Ericsson, Räikkönen, Massa - vier Piloten bauten durch dasselbe Phänomen einen Unfall und beendeten das Rennen notgedrungen. Nicht so Verstappen: Er latschte mit vollem Druck auf die Bremse. Die blockierenden Räder brachten das Auto wieder in die Spur. Intuition, Überholkunst, Schnelligkeit, Fahrzeugbeherrschung - wer bisher am Ausnahmetalent des Niederländers gezweifelt hat, sollte dringend in sich gehen.

Platz 2, Lewis Hamilton: Spielerisch leicht ließ der Weltmeister die Fahrt zu seinem ersten Sieg in Brasilien aussehen. Beim Kampf um die Pole hatte er noch Glück, dass Rosberg seine Runde nicht komplett zusammenbekam. Doch was Hamilton fabrizierte, als das Safety Car das Rennen freigab, zeigte seine Klasse.

Der dreifache Weltmeister bezeichnete seine Sonntagsfahrt als das wohl leichteste Rennen der letzten zehn Jahre. Psychospielchen. Auch Hamilton musste aufpassen nicht abzufliegen. Das machte er, leistete sich keinen kostspieligen Fehler. Als Verstappen seinen Teamkollegen überholte, drehte der Engländer seinen Gashahn auf und brachte sich mit einem Zwischensprint außer Schussweite. Seine Leistung war der Verstappens ebenbürtig und beschert ihm Platz 1 in der Gesamtwertung des Driver-Rankings der Formel-1-Saison 2016.

Platz 3, Nico Hülkenberg: Es nervt! Es ist immer wieder die gleiche, nervtötende Geschichte: Hülk liegt auf Kurs für einen unvorhergesehenen Erfolg, schon schwingt Thor den Hammer und lässt die Erde unter dem Force India des Deutschen kurz erschüttern. So auch in Sao Paulo. Mal wieder. Wie immer.

Hülkenberg hätte endlich den Sprung aufs Podium geschafft, wäre sein Reifen nicht in der ersten Runde nach der Räikkönen-SC-Phase beinahe geplatzt. Der Plattfuß war ihn ans Ende des Feldes zurück. Beim Blick auf Perez wird klar: Ohne den Defekt wäre Hülkenberg Dritter geworden. Bei freier Fahrt war der Deutsche über eine Sekunde schneller als sein mexikanischer Teamkollege.

Ein weiterer Beweis, dass der Wechsel zu Renault nötig ist. Hülkenberg muss endlich sein Pech abschütteln, neue Muster entwickeln. Ein Gardinenwechsel ist die einfachste Möglichkeit.

Platz 4, Carlos Sainz jr.: Dass Toro Rosso durch den Vorjahresantrieb von Ferrari behindert wird, fällt bei Regen nicht ins Gewicht. Plötzlich haben die Piloten wieder die Chance, ihr Talent auszuspielen. Genau das machte der Rallye-Weltmeistersohn. Von Startplatz 15 fuhr Sainz auf Rang 6 nach vorn, weil er den Wechsel auf Intermediates ausließ.

Die Entscheidung muss dem Spanier angerechnet werden. Bei kritischen Bedingungen fragt das Team seine Fahrer, welcher Reifen in der aktuellen Situation der richtige sei. Sainz entschied sich, weiter mit Full Wets zu fahren und sparte so im Gegensatz zu Daniil Kvyat wichtige Zeit. Er schaffte es sogar, mit den Force India mitzuhalten. Die Vorstellung am Sonntag kompensiert die teaminterne Quali-Niederlage am Samstag vollends.

Platz 5, Felipe Nasr: Zwei Punkte für Sauber. Der Lohn für die harte und schwierige Arbeit der Schweizer, die das ganze Jahr über kaum Geld für die Entwicklung ihres Autos hatten. Nasr fuhr sie ein und bewies dabei eine gute Beurteilungsgabe.

Sich mit dem Sauber gegen die Top-Teams in Kämpfe zu begeben, wäre ein aussichtsloses Unterfangen gewesen. Die Piloten ließ der Brasilianer beinahe ohne Verteidigung vorbei. Stattdessen konzentrierte er sich darauf, die Autos hinter sich zu halten, gegen die er eine Chance sah. Fernando Alonso musste sich im McLaren-Honda etwa dauerhaft hinten anstellen.

Nasr half, dass er den Wechsel auf Intermediates ausließ. So wurde er in der ersten Grün-Phase in die Top 10 gespült. Dass er das ganze Rennen über drin blieb, ist seiner kontrollierten, klugen Fahrweise zuzuschreiben. Das hat Punkte verdient.

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