Hamilton vertagt WM-Entscheidung

Lewis Hamilton gewann im zehnten Anlauf erstmals den Brasilien-GP
© getty

Lewis Hamilton hat beim Großen Preis von Brasilien die vorzeitige Entscheidung in der Formel-1-WM verhindert. Der Engländer gewann das Regenrennen in Interlagos nach vier Safety-Car-Phasen und zwei Rennabbrüchen und verkleinerte damit seinen Rückstand in der Fahrerwertung von 19 auf 12 Punkte.

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Trotz zweier Rennunterbrechungen wegen eines Unfalls von Kimi Räikkönen und zu starker Regenfälle, ließ sich der Polesitter nicht ablenken und feierte einen Start-Ziel-Sieg. Im zehnten Anlauf gewann er in seiner F1-Karriere erstmals einen Grand Prix in Sao Paulo. Hinter Rosberg belegte Red Bulls Max Verstappen nach einer spektakulären Aufholjagd in den letzten Runden den dritten Platz.

Das Ergebnis des Brasilien-GP 2016 im Überblick

Sergio Perez wurde auf Force India vor Sebastian Vettel im Ferrari Vierter. Carlos Sainz jr. (Toro Rosso/6.), Nico Hülkenberg (Force India/7.) und Daniel Ricciardo (Red Bull/8.) landeten vor Felipe Nasr. Der Brasilianer bescherte Sauber damit die ersten zwei Punkte der Saison 2016, die Schweizer übernehmen den vorletzten Platz in der Konstrukteurswertung. Fernando Alonso komplettierte als Zehnter die Top 10 eines von Regen und Unfällen geprägten Grand Prix.

Hamiltons erster Sieg in Brasilien war gleichzeitig der 52. seiner Formel-1-Laufbahn. Damit hat er Alain Prost (51) überholt und ist nun Zweiter der Bestenliste. Michael Schumacher ist mit 91 Siegen an der Spitze.

Die Reaktionen:

Lewis Hamilton (Mercedes): "Ich bin weiter auf der Jagd. Das Team hat mir ein großartiges Auto gegeben und endlich stimmt die Zuverlässigkeit. Es war eins meiner einfacheren Rennen. Ich habe vorne eigentlich nur gechillt. Wenn es regnet, ist es fast immer ein guter Tag für mich."

Nico Rosberg (Mercedes): "Ich hätte lieber gewonnen, aber Lewis hat einen super Job gemacht, deshalb kann ich mit dem zweiten Platz leben."

Max Verstappen (Red Bull): "Ein unglaubliches Rennen mit Roten Flaggen und schwierigen Bedingungen, vor allem auf der Zielgeraden. Ich konnte nichts sehen, als ich hinter den anderen gefahren bin. Also musste ich eine andere Linie wählen."

Christian Horner (Teamchef Red Bull) über Verstappen: "Das war eine der besten Fahrten, die ich in der Formel 1 gesehen habe. Seine Aufholjagd war unglaublich. Er war komplett angstfrei unter ziemlich verheerenden Bedingungen."

Der Spielfilm:

Vor dem Start: Es regnet. Schon auf dem Weg zum Vorstart knallt Romain Grosjean mit voller Wucht in die Mauer! Der Franzose, überraschend für Startplatz 7 qualifiziert, geht von der letzten Kurve zu Fuß zurück in die Box, bei seinem Haas ist die Vorderradaufhängung zerstört. Der Start wird um 10 Minuten verschoben, zu viel Wasser auf der Strecke.

Start: Das Wasser will nicht abfließen. Die Rennleitung lässt das Rennen hinter dem Safety Car beginnen. Polesitter Hamilton darf das Feld vor Rosberg anführen. Alle Fahrer müssen auf Full Wets beginnen.

Runde 7: Bernd Mayländer steuert das Safety Car zurück in die Boxengasse. Hamilton fragt per Funk, ob man ihm den Helm zukleben könne, ihm laufe Wasser hinein. Verstappen bremst in der ersten Kurve Räikkönen aus und jagt Rosberg. Massa überholt vor der Rennfreigabe Gutierrez und bekommt eine 5-Sekunden-Strafe. Renault verpasst Magnussen direkt Intermediates, Button folgt eine Runde später. Danach kommen Alonso, Bottas, Kvyat, Massa, Palmer und Ericsson gleichzeitig rein.

Runde 10: Vettel dreht sich auf der Bergauf zum Ziel und bleibt verkehrt herum stehen. Sofort folgt der Ferrari-Boxenstopp. Intermediates. Vettel fällt auf Platz 19 zurück.

Runde 12: Safety Car! Ericsson verliert auf Intermediates im letzten Knick die Kontrolle. Er knallt in die Mauer und bleibt in der Boxeneinfahrt stehen. Red Bull holt Verstappen sofort zum rein, dann wird die Einfahrt geschlossen, doch auch Ricciardo wechselt auf Intermediates. Die Red Bulls liegen auf Platz 4 und 9, Ricciardo bekommt eine 5-Sekunden-Strafe.

Runde 19: Beim Restart dreht sich Räikkönens Ferrari auf der Zielgeraden plötzlich. Die Hinterherfahrenden weichen hektisch aus, bremsen, hinten knallt Palmer auf Kvyats Heck. Die dritte Safety-Car-Phase dauert keine ganze Runde. Rote Flagge! Rennen unterbrochen! Die Autos fahren in die Box. Hamilton tauscht seinen undichten Senna-Helm gegen den normalen. Bei Rosberg inspiziert der FIA-Delegierte Reparaturen.

Runde 21: Um 15.21 Uhr Ortszeit wird das Rennen hinter dem Safety Car fortgesetzt. Hamilton führt vor Rosberg, Verstappen, Hülkenberg, Perez und Sainz. Nasr ist Siebter vor Ricciardo, Ocon und Wehrlein. Sauber und Manor haben im Kampf um den vorletzten Platz der Konstrukteurs-WM den Reifenwechsel unter Renntempo ausgelassen. Während der Rennunterbrechung durften alle neue Full Wets aufziehen. Palmers Renault bleibt in der Garage.

Runde 22: Hülkenberg kommt zum Boxenstopp. Plattfuß hinten rechts. Der Emmericher fällt ganz ans Ende des Feldes zurück.

Runde 28: Schon wieder Rot! Zu viel Wasser. Die brasilianischen Fans zeigen ihre Missgunst mit runtergestreckten Daumen. Einige Fahrer beschweren sich, es sei einfach nur nass. Man könne fahren.

Runde 29: Um 16:02 Uhr Ortszeit geht es weiter, 52:16 Minuten Rennzeit sind absolviert. Hamilton fährt vor Rosberg, Verstappen und Perez. Dahinter: Sainz, Nasr, Ricciardo, Ocon, Wehrlein und Alonso.

Runde 31: Nächster Restart. Verstappen greift Rosberg innen in Turn 1 an, muss zurückstecken. Zwei Kurven später geht der Niederländer in bester Kart-Manier auf der Außenbahn vorbei! Hamilton reagiert und nimmt ihm sofort zwei Sekunden ab. Wehrlein fällt schnell aus den Top 10.

Runde 38: Verstappen in argen Schwierigkeiten! Er fährt vor Start-Ziel über den Kerb, dreht sich um 45 Grad, kriegt den Red Bull gerade noch unter Kontrolle und bleibt vor Rosberg. "Gut gefangen, Max", funkt Red Bull. "Der Puls ging ein bisschen hoch", antwortet der Niederländer.

Runde 40: Ricciardo ist Fünfter und sitzt beim Wechsel auf Intermediates seine Zeitstrafe ab. Er kommt auf Platz 11 heraus und unterbietet Hamiltons Bestzeiten.

Runde 43: Auch Verstappen holt sich Intermediates und unterbietet Hamilton. Er ist Fünfter vor Vettel und Nasr. Mercedes weist Rosberg an, schneller zu fahren. Der überdreht prompt und fängt das Auto gerade noch ab.

Runde 47: Safety Car! Schon wieder! Massa macht bei seinem letzten Heimrennen in der Formel 1 Grosjean und Ericsson nach. Er schmeißt den Williams im letzten Linksknick vor der Zielgeraden in die Mauer. Hamilton verliert seinen Vorsprung von fast 20 Sekunden auf Rosberg. Der Regen wird stärker. Ricciardo holt sich Full Wets, drei Runden später muss Verstappen nachziehen.

Unter dem Applaus der Fans marschiert Massa derweil mit Tränen in den Augen und seiner Landesflagge in den Händen zurück in die Boxengasse. Mercedes' Mechaniker stehen applaudierend Spalier, als der Brasilianer vor ihrer Box seine Frau und seinen Sohn umarmt. Ferraris Truppe klatscht mit ihrem Ex-Fahrer ab.

Runde 55: Restart. Rosberg lässt eine riesige Lücke zu Hamilton, hält aber Perez hinter sich und kommt auf der Geraden mit Vollgas wieder an den Teamkollegen ran. Sainz ist Vierter vor Vettel und Nasr. Hinten dreht sich Alonso beim Beschleunigen.

Runde 62: Gutierrez stellt ab und feuert wutentbrannt seine Handschuhe in die Ecke. Verstappen arbeitet sich nach vorn, Ocon und Nasr rutschen immer weiter nach hinten und drohen aus den Punkten zu fallen.

Runde 67: Verstappen setzt sich innen neben Vettel, der Deutsche weicht ins Gras aus. Der Niederländer fliegt direkt am chancenlosen Sainz vorbei. Vierter. Es wartet Perez!

Runde 70: Einen Angriff kann der Mexikaner abwehren, dann übernimmt Verstappen den Platz auf dem Podium.

Ziel: Nach 71 Runden und über zwei Stunden Fahrzeit überquert Hamilton knapp dreieinviertel Stunden nach dem Start erstmals in Interlagos die Ziellinie als Sieger. Rosberg und Verstappen folgen vor Perez. Nasr sorgt für den besten Sauber-Tag des Jahres 2016 und holt zwei Punkte vor Alonso. Bottas und Ocon gehen leer aus. Wehrlein wird belegt am Ende Platz 15.

Mann des Rennens: Mit Max Verstappen wollte Red Bull die Silberpfeile austricksen. Die Intermediates waren nur kurzzeitig schneller, deshalb fiel der Niederländer kurz vor Schluss weit zurück. Er ließ sich nicht entmutigen. Beim Manöver gegen Perez, das ihm Platz 3 brachte, schien er mit seinem Auto verwachsen. Das Popometer des 19-Jährigen ist phänomenal. Schon zuvor manövrierte er Räikkönen auf der Bremse aus und katapultierte sich in Kart-Manier außen an Rosberg vorbei. Dass er den Iceman in der Fahrer-WM überholt hat, darf sich Verstappen ausschließlich auf die eigene Fahne schreiben.

Flop des Rennens: Manor ist am Ende. Felipe Nasr holte im Sauber Platz 9. Damit ziehen die Schweizer in der WM am Hinterbänklerteam von Pascal Wehrlein vorbei. Ein Punkt liegt Sauber vor Manor. Er ist 40 Millionen Euro schwer. Manor hatte alle Trümpfe auf seiner Seite: Nach dem Qualifying lagen ihre beiden Mercedes-Junioren vor dem Brasilianer. Für Sauber ist der wahrscheinliche Geldregen wohl überlebenswichtig, Manor beschwert er üble Kopfschmerzen.

Das fiel auf:

  • Wieder sorgen Rennabbrüche wegen Regen für Diskussionen. Gerade die zweite Rennunterbrechung sorgte für Kritik aus allen Ecken: Fahrer, Ex-Fahrer, Fans beschwerten sich. Dass die Rennleitung so handelte, verständlich. Mehrere Piloten hatten hinter dem Safety Car angemerkt, der Regen würde stärker werden. Gerade erst war Kimi Räikkönen wegen zu viel Wasser auf der Strecke heftig abgeflogen. Einen weiteren Unfall, eventuell sogar mit Verletzungen wollten die FIA-Verantwortlichen nicht riskieren.
  • Das Problem der Formel 1 mit dem Regen: Die Fahrzeughöhe darf nach dem Qualifying nicht mehr verändert werden. Weil eine geringe Fahrzeughöhe mehr Anpressdruck bringt, schraubten bei Trockenheit am Samstag alle Teams die Höhe runter. Dadurch schwammen die Autos am Sonntag auf. Aquaplaning, völliger Kontrollverlust über das Auto.
  • Im Rennen ging es nur um eins: Das Auto auf der Strecke halten und im richtigen Moment den richtigen Riecher für den passenden Reifen haben. Red Bull probierte sogar, gegen Rennende die Strategien zu splitten, ließ Verstappen auf Intermediates angreifen und Ricciardo auf Full Wets fahren. Der Niederländer machte seinem Team klar, dass das nicht funktioniert, wurde wieder auf richtige Regenreifen gesetzt und verlor so die Chance, Rosberg hinter sich zu lassen.
  • Hamilton hatte bei freier Sicht nie Probleme, seinen Sieg einzufahren. Auch weil Rosberg immer wieder erstaunlich viel Abstand bei den Restarts ließ. Der Deutsche schien defensiv zu fahren, um ja keinen Fehler zu machen. Die WM-Entscheidung fällt somit erst im letzten Saisonrennen in Abu Dhabi.

Formel 1: Kalender und WM-Stand 2016 im Überblick

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