Vettel hat Räikkönens Erfolgsrezept geklaut

Von Alexander Maack
Sebastian Vettel (M.) machte Kimi Räikkönen bei der Siegerehrung am Nürburgring nass
© getty

Mit seinem vierten Triumph der Saison beim Großen Preis von Deutschland hat Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel mehrere Negativserien beendet. Mit dem Sieg auf dem Nürburgring korrigiert Red Bull den Kurs: volle Fahrt in Richtung Titelgewinn.

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Obwohl der 26-jährige Heppenheimer vor dem Wochenende jede Anspielung auf einen Fluch beim Deutschland-GP mit eindeutigen Absagen verneinte, war er nach dem ersten Sieg im sechsten Anlauf auf deutschem Boden mehr als nur zufrieden.

Das Klassement des Rennens in der Übersicht

"Das ist eine große Erleichterung", sagte Vettel nach dem Rennen: "Natürlich gab es große Erwartungen, weil wir ein gutes Auto haben und seit Jahren eine Erfolgssträhne haben. Wenn man dann auf heimischem Boden antritt, erwarten die Leute, dass man gewinnt."

30. Sieg im 110. Grand Prix für Vettel

Für sich allein reklamierte Vettel den ersten Sieg eines deutschen Fahrers bei einem Deutschland-GP auf dem Nürburgring jedoch nicht. "Ich bin einfach unglaublich stolz. Das Team hat bei der Strategie und den Boxenstopps einen fantastischen Job gemacht", sagte Vettel, der gleichzeitig seinen 30. Sieg im 110. Formel-1-Rennen feiern konnte.

Die Triumphfahrt in der Eifel hat vordergründig die Überlegenheit der Kombination Vettel/Red Bull bewiesen. Vier Siege in neun Rennen hat der Dreifachweltmeister 2013 eingefahren und ist bis auf den taktisch bedingten neunten Startplatz in China immer unter den ersten drei gestartet.

Endlich keine Reifendiskussion

Dennoch war das Rennen auf dem Ring ein Beweis, wie spannend die Formel 1 derzeit ist, wenn es keine Reifendiskussionen gibt. Vier Teams haben regelmäßig die Chance auf den Sieg. An diesem Wochenende wechselten sich die beiden Lotus-Piloten Kimi Räikkönen und Romain Grosjean nach einem endlich befriedigenden Qualifying mit den Startplätzen vier und fünf bei der Verfolgung von Sebastian Vettel ab.

Red Bull reagierte darauf perfekt. "Für uns war eines taktisch ganz wichtig: Wir mussten sicherstellen, dass Sebastian nach seinem letzten Stopp nicht aufgehalten wird, damit die Lotus nicht vorbeikommen konnten", erklärte Technikdirektor Adrian Newey bei "Sky Sports F1"den Unterschied: "Er hat sich perfekt durch den Verkehr gearbeitet. Das war der Schlüssel."

Räikkönen verliert Sieg zweimal durch Taktikfehler

Kimi Räikkönen verlor dagegen einen möglichen Sieg gleich zweimal wegen den Entscheidungen seines Kommandostands. Beim ersten Boxenstopp holte Lotus den Finnen zu früh an die Box, so dass er hinter beiden Mercedes-Piloten wieder auf die Strecke kam. "Das hat mich einige Zeit gekostet", resümierte der Finne.

Später machte die Technik dem Iceman einen Strich durch die Rechnung. Der Funkkontakt zur Box setzte aus, Räikkönen kam zu seinem dritten Boxenstopp an die Box und überquerte die Ziellinie nur eine Sekunde nach Vettel. "Ich denke darüber nach, ob wir nicht das Risiko hätten eingehen sollen, bis zum Ende zu fahren", sagte der 33-Jährige: "Die Reifen waren OK, mein Speed war OK - es war schwer vorauszusagen, was in den letzten zehn Runden passiert."

Vettel erinnert an Schumacher

Die größte Stärke Räikkönens, aus jeder Situation das Maximale herauszuholen, hat Sebastian Vettel in diesem Jahr selbst adaptiert. Der Heppenheimer zeigt in den Rennen aktuell ähnlich souveräne Vorstellungen wie Michael Schumacher zu seiner besten Ferrari-Zeit. Das resultiert trotz des Getriebeschadens und dem damit verbunden Ausfall in Silverstone in einer klaren Führung in der Weltmeisterschaft.

Vizeweltmeister Fernando Alonso hat nach neun Grands Prix aktuell nur sechs Punkte weniger als zum gleichen Zeitpunkt im letzten Jahr. Damals führte der Spanier mit deutlichem Abstand die Fahrer-WM an. Nach der Hälfte der Saison 2013 liegt sein Dauerrivale aus Heppenheim mit 34 Punkten Vorsprung komfortabel in Führung. Es war sein erster Sieg auf europäischem Boden nach fast 22 Monaten.

Alonso: Brauchen Auto für drei oder vier Siege hintereinander

Ferrari-Pilot Alonso hadert derweil mit der Entwicklung bei den Roten. "Wir brauchen ein Auto, das uns ermöglicht, drei oder vier Rennen in Folge zu gewinnen", erklärte der Asturier. Auf dem Nürburgring war er von Startplatz acht noch auf den vierten Rang gefahren. Zu wenig, um den Rückstand auf die aktuell überlegene Red-Bull-Maschine zu verringern.

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Mehr ist für Ferrari aber aktuell nur möglich, wenn die Bedingungen dem Team komplett in die Karten spielen. Alonso fuhr Deutschland am absoluten Limit. Dass der Spanier sein Auto direkt nach dem Ziel abstellte, verdeutlicht das Risiko, das sein Team für den Kampf um das Podest einging. "Wir wollten sichergehen, dass wir genug Benzin haben um die Regeln einzuhalten", sagte Teamchef Stefano Domenicali.

Dabei setzte die Scuderia als einziges Top-Team absichtlich auf einen Start mit der härteren Medium-Reifenmischung. "Wir hatten sie auf der Rechnung", bestätigte Adrian Newey: "Wir hatten großes Glück, dass es nicht richtig funktioniert hat."

Entscheidend war letztlich wohl das Wetter. "Uns war schon vor dem Rennen klar, dass es heute noch heißer als am restlichen Wochenende sein würde", so Newey. Red Bull plante wegen der schneller abbauenden Reifen deshalb einen Stopp mehr ein als eigentlich nötig.

Mercedes kommt ins Schwitzen

Mercedes kann da nicht mithalten. "Wir haben ein gutes Auto, aber aus irgendeinem Grund funktioniert es nicht bei so hohen Temperaturen", sagte Lewis Hamilton, nachdem es bei 45 Grad Celsius auf der Asphaltoberfläche nach der Pole nur zum fünften Rang reichte.

Während Lotus auch mit den überarbeiteten Pirelli-Slicks von hohen Temperaturen profitiert, kommen die Silberpfeile trotz der Erfahrungen aus Hitzerennen in Bahrain und Barcelona damit nicht zurecht. "Es ist skurril, dass man innerhalb einer Woche mit einem anderen Reifen ein vermeintliches Topauto zu einem Fünf-, Sechs-Platz-Auto macht", erklärte Motorsportdirektor Toto Wolff bei "Sky" vielsagend.

Bis zum Ungarn-GP wird sich das kaum ändern. Mercedes muss den Young Driver Test vom 17. bis 19. Juli bekanntlich auslassen und kann kein zusätzliches Wissen sammeln. Zwar sind aktuell bei jedem Rennen mehrere Teams siegfähig, Red Bull ist aber der einzige Rennstall, der einen Podestplatz fast immer sicher hat. Die Konstanz ist deshalb der große Vorteil der Österreicher in dieser Saison.

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