Formel 1- Kommentar zum GP von Singapur: Die dringend benötigte Abwechslung zur Verstappen-Langeweile

Von Christian Guinin
Max Verstappen
© getty

Beim Großen Preis von Singapur beendet Ferrari-Pilot Carlos Sainz die Siegesserie von Red Bull und Max Verstappen und damit auch den Traum von der "perfekten Saison". Noch viel mehr zeigt das Rennen aber, wie viel schöner die Formel 1 ohne vorherfahrende Red Bulls sein kann. Ein Kommentar.

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14 Rennen, 14 Siege. Wie noch kein anderes Team zuvor in der Geschichte der Formel 1 dominierte Red Bull den bisherigen Verlauf der Saison 2023. Weltmeister Max Verstappen fuhr in spielerischer Leichtigkeit von Sieg zu Sieg und konnte dabei weder vom langjährigen Rivalen Mercedes noch der traditionsreichen Scuderia Ferrari ernsthaft in Bedrängnis gebracht werden.

Wie ein Damoklesschwert schwebte die Befürchtung über der Motorsport-Königsklasse, es könne in diesem Jahr keinen anderen Sieger geben als den Niederländer und seinen mexikanischen Teamkollegen Sergio Pérez. Als könne Red Bull jedes einzelne der insgesamt 22 Saisonrennen* siegreich bestreiten. Als könnte das Unmögliche doch möglich gemacht werden.

Doch beim Großen Preis von Singapur ist plötzlich alles anders. Zwar fährt Verstappen von einem eher aussichtslosen elften Startplatz noch in die Punkte und beendet das Rennen auf dem fünften Platz, den Sieg machen aber andere unter sich aus. Der Traum der Österreicher von der perfekten Saison ist ausgeträumt. Gott sei Dank.

Schließlich wird wohl jedem Fan dieses Sports ein Lächeln über die Mundwinkel geglitten sein, als ein völlig ratloser und auch augenscheinlich leicht angesäuerter Verstappen nach dem Rennen auf dem Marina Bay Street Circuit vor die Mikrophone trat und versuchte, das Ende seiner Mega-Serie zu erklären. "Diese Statistiken", sagte der Niederländer schmallippig, "sind mir egal." Man habe eben auch Pech gehabt, "das Safety Car kam für uns zweimal zum falschen Zeitpunkt", nach einer Aufholjagd hätte es so oder so nie wirklich ausgesehen.

Max Verstappen
© getty

Formel 1: Schlussrunden in Singapur waren absolutes Highlight

Selten zuvor musste man in der Formel 1 eine derart drückende Überlegenheit erdulden wie in der aktuellen Saison. So ist es nun umso befriedigender und erleichternder, dass endlich einmal ein Wochenende nicht nach dem Gusto Red Bulls verlaufen ist. Denn eines hat das Rennen in Singapur auch gezeigt: Sind Verstappen und Pérez plötzlich nicht mehr anderthalb Sekunden pro Runde schneller als die Konkurrenz, darf man Rennsport erster Sahne bestaunen.

Ich für meinen persönlichen Teil kann mich zumindest nur an wenige Grands Prix in der näheren Vergangenheit erinnern, bei denen in der letzten Runde des Rennens noch vier Autos von drei unterschiedlichen Herstellern innerhalb von zwei Sekunden lagen und damit noch reelle Chancen auf den Sieg hatten. Schon jetzt lässt sich mit Sicherheit sagen, dass die Schlussrunden in Singapur zu absoluten Highlights der Saison 2023 zählen werden.

Ein epischer Showdown samt packenden Rad-an-Rad-Duellen, ein herzzerreißender Crash von George Russell (Mercedes) wenige hundert Meter vor der Ziellinie und mit Ferrari-Pilot Carlos Sainz ein mehr als verdienten Rennsieger, der am Ende vielleicht nicht unbedingt im schnellsten Auto saß, dafür aber eine taktische und fahrerische Meisterleistung an den Tag legte und sich dafür den gebührenden Applaus abholte - Singapur hatte vieles zu bieten.

Vieles, was lediglich möglich war, weil Verstappen dieses Mal eben nicht 30 Sekunden vor dem Rest des Feldes vor sich hin fuhr und man sich nur noch die Frage stellen musste, ob er das Risiko eines weiteren Boxenstopps für den Extrapunkt der schnellsten Rennrunde in Kauf nehmen würde oder ob er sich mit "nur" 25 Punkten für den Rennsieg zufrieden geben würde.

Carlos Sainz
© getty

Formel 1: RB-Dominanz schon in Suzuka zurück?

Auf den Titelkampf hat das freilich alles keine großen Auswirkungen. Verstappen wird sich völlig verdientermaßen - das soll hier ebenfalls nicht unter den Teppich gekehrt werden - seinen dritten Weltmeistertitel in Folge sichern. Der Vorsprung des Niederländers auf den an WM-Rang zwei liegenden Pérez beträgt bei noch sieben ausstehenden Rennen unglaubliche 151 Punkte. Nicht beim Rennen am kommenden Sonntag in Japan, wohl aber beim darauffolgenden Grand Prix in Katar wird Verstappen seinen Triumph unter Dach und Fach bringen.

So wird Singapur aller Voraussicht nach nur ein heißer Tropfen auf dem Stein sein. In Suzuka wird Red Bull, da sind sich Fahrer und Experten im Grid ziemlich sicher, zumindest wieder bei der Musik mitmischen, vielleicht sogar wieder ganz vorne. Das Rennen auf dem Marina Bay Street Circuit war dennoch eine dringend benötigte Abwechslung von der gähnenden Verstappen-Langeweile.

Formel 1: Stand in der Fahrerwertung und der Konstrukteurswertung nach 16 von 23 Rennen*

Fahrerwertung:

Pos.FahrerPkt.
1.Max Verstappen (Red Bull)374
2.Sergio Pérez (Red Bull)223
3.Lewis Hamilton (Mercedes)180
4.Fernando Alonso (Aston Martin)170
5.Carlos Sainz (Ferrari)142
6.Charles Leclerc (Ferrari)123
7.George Russell (Mercedes)109
8.Lando Norris (McLaren)97
9.Lance Stroll (Aston Martin)47
10.Pierre Gasly (Alpine)45
11.Oscar Piastri (McLaren)42
12.Esteban Ocon (Alpine)36
13.Alexander Albon (Williams)21
14.Nico Hülkenberg (Haas)9
15.Valtteri Bottas (Alfa Romeo)6
16.Guanyu Zhou (Alfa Romeo)4
17.Yuki Tsunoda (AlphaTauri)3
18.Kevin Magnussen (Haas)3
19.Liam Lawson (AlphaTauri)2
20.Daniel Ricciardo (AlphaTauri)0
21.Nyck de Vries (AlphaTauri)0
22.Logan Sargeant (Williams)0

Konstrukteurswertung:

Pos.TeamPkt.
1.Red Bull Racing597
2.Mercedes-Benz289
3.Ferrari265
4.Aston Martin217
5.McLaren139
6.Alpine81
7.Williams21
8.Haas12
9.Alfa-Romeo10
10.AlphaTauri5

*Der Große Preis der Emilia Romagna musste aufgrund der starken Regenfälle in der Region abgesagt werden.

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