Formel 1 - Red Bull und der vermeintlich perfekte Saisonstart 2023: Die Überlegenheit offenbart Risse

Von Christian Guinin
Max Verstappen, Sergio Pérez
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Mit zwei Doppelsiegen ist Red Bull in die Formel-1-Saison 2023 gestartet. Schon jetzt scheint der Weg zum Weltmeistertitel geebnet, auch weil sich die Konkurrenz als nicht ebenbürtig präsentiert. Hoffnung macht lediglich das teaminterne Duell zwischen Max Verstappen und Sergio Pérez, welches beim Großen Preis von Saudi-Arabien einmal mehr tiefe Risse offenbarte.

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Für Red Bull hätte der Start in die F1-Saison 2023 kaum besser verlaufen könnten. Von möglichen 88 WM-Punkten holten die Österreicher 87, lediglich beim Auftakt in Bahrain ging der Extrazähler für die schnellste Rennrunde nicht auf das RB-Konto - Alfa-Romeo-Pilot Guanyu Zhou war dort dank frischer Reifen zum Schluss etwas schneller als Max Verstappen und Sergio Pérez.

Zum zweiten Mal überhaupt fuhr Red Bull zwei Doppelsiege in der Formel 1 hintereinander ein. Zuerst und gleichzeitig zuletzt war das im Jahr 2009 gelungen, damals noch mit Sebastian Vettel und Mark Webber am Steuer. In fast schon beispielloser Dominanz drücken die Bullen der Königsklasse derzeit ihren Stempel auf. Die Leistungen in Bahrain und Saudi-Arabien sprechen dabei mehr als für sich.

"Als wir damals schnell waren, waren wir nie so schnell", klagte Rekordweltmeister Lewis Hamilton im Hinblick auf seine frühere Dominanz mit Mercedes: "Ich glaube, das ist das schnellste Auto, das ich je gesehen habe. Natürlich würde sich jeder wünschen, dass es knapper zugeht, aber so ist es nun mal. Ist nicht mein Fehler."

Und tatsächlich ist das der Eindruck, den viele Fans und Experte haben. Sowohl in der Qualifikation als auch im Rennen fahren die Österreicher in ihrer eigenen Liga. Von Startplatz 15 aus spazierte Verstappen in Dschidda ohne größere Mühe auf das Podium, den drittplatzierten Fernando Alonso distanzierte er um 15 Sekunden. Und das, obwohl er ausdrücklich angewiesen wurde, in der Schlussphase Material zu schonen. Von der Safety-Car-Phase, die das Feld zur Halbzeit noch einmal komplett zusammenschob, gar nicht zu reden.

Unter normalen Bedingungen nehmen Verstappen und Pérez der nächstbesten Konkurrenz derzeit rund eine Sekunde ab - pro Runde! Die alten Rivalen um Mercedes und Ferrari schlagen sich mit eigenen Problemen herum und sind schlicht nicht in der Verfassung, Red Bull ernsthaft Paroli zu bieten. Auch das neue "Best-of-the-Rest"-Gespann aus Alonso und Aston Martin kann - trotz eines zweiten Frühlings des 41-jährigen Spaniers - nicht wirklich als Konkurrenz betrachtet werden.

Max Verstappen, Sergio Pérez
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Formel 1 - Red Bull: Die Überlegenheit offenbart Risse

Für die Formel 1 bedeutet das, dass ein weiteres, sehr einseitiges Jahr vor der Tür stehen könnte. Aktuell spricht absolut nichts dafür, dass Verstappen oder Pérez nicht auch bei den kommenden Rennen ganz oben auf dem Siegertreppchen stehen werden. Natürlich besteht auch bei den Österreichern immer die Chance auf ein technisches Problem - siehe Verstappen im Qualifying -, dass beide Piloten in einem Rennen die Zielflagge aber nicht sehen, ist äußerst unwahrscheinlich.

Was soll denn dann überhaupt noch Hoffnung machen, fragt man sich. Nun, so überlegen das Gesamtpaket Red Bull bei den vergangenen zwei Grands Prix auch aufgetreten sein mag, speziell in Saudi-Arabien offenbarte es auch tiefe, innere Risse. Risse, die aus RB-Sicht im schlimmsten Fall zu großen Problemen führen könnten.

So sorgte bei der Siegerehrung in Dschidda ein ganz besondere Szene für Aufmerksamkeit. Im Cool-Down-Room standen sich Verstappen und Pérez minutenlang wie zwei Menschen gegenüber, die so wenig Zeit wie möglich miteinander verbringen möchten. Gesprochen wurde kaum etwas. Freude über den zweiten Doppelsieg des Teams in Folge und den damit verbundenen perfekten Saisonstart? Fehlanzeige!

Pérez war schließlich derjenige, der die Stille brach. "Haben sie dir nicht gesagt, dass du die Geschwindigkeit halten sollst?", fragte er vorwurfsvoll in Richtung Verstappen. Denn diese Anweisung hatten beide Piloten in der Schlussphase des Rennens vom Kommandostand erhalten, um einerseits die Technik zu schonen und andererseits eine direkte Konfrontation auf der Strecke zu vermeiden.

Verstappen allerdings ignorierte die Ansage bewusst, drehte im letzten Umlauf auf und holte noch die schnellste Rennrunde, als Pérez vor ihm schon die Ziellinie überquert hatte. Das brachte dem Niederländer besagten Extrapunkt ein, welcher ihn in der WM-Wertung an die Spitze klettern ließ. Diese hätte sonst zum ersten Mal in seiner Karriere der Mexikaner innegehabt.

"Ich habe sie zwei Runden vor Schluss gefragt, und sie haben mir gesagt, dass ich ein bestimmtes Tempo fahren soll. Sie haben mir gesagt, dass ich die schnellste Runde gefahren bin und meine Pace halten soll", berichtete Pérez seine Sicht der Dinge. Er selbst habe daher "nur an das Auto gedacht", auch um keinen späten Ausfall zu riskieren. "Es ging nur darum, möglichst viele Punkte zu holen."

Verstappen war das augenscheinlich egal: "Wir durften frei fahren und hatten am Ende eine Soll-Rundenzeit. Aber wenn es um einen Punkt geht, wie in Bahrain ... Ich habe gefragt. Es ist schon etwas Besonderes, wenn es zwischen diesen beiden Autos entschieden wird. Ich denke, es ist normal, dass man danach fragt", so der amtierende Weltmeister. Red Bull verwies darauf, dass Verstappen in solchen Situationen nur schwer im Zaum zu halten sei: "Es war klar dass man sie [die schnellste Rennrunde, Anm. d. Red.] Max nicht verbieten kann", meinte Motorsportchef Helmut Marko. "Das konnten wir nicht kontrollieren."

Helmut Marko, Max Verstappen
© imago images

Formel 1 - Pérez: "Bin hier, um um den Titel zu kämpfen"

Pérez war in seinen ersten beiden Jahren an der Seite von Verstappen zu unterlegen, um einen echten Herausforderer für den Niederländer dazustellen. Die Rolle als klassischer Wasserträger, welche er in seiner ersten Saison noch ohne Widerrede ausführte, hat er aber schon länger nicht mehr inne. Dafür ist zu viel passiert im vergangenen Jahr. So verweigerte Verstappen im Herbst beim Großen Preis von Brasilien als designierter Weltmeister eine Teamorder zugunsten Pérez und äußerte dabei diffuse Vorwürfe per Funk, in etwa nach dem Motto: "Ihr wisst, was er getan hat."

Verstappen bezog sich dabei um einen vermeintlich absichtlich herbeigeführten Unfall etwas früher im Jahr, mit dem der Mexikaner Verstappen die Pole Position in Monaco geklaut hatte. Spannungen zwischen beiden traten seither immer wieder mal zu Tage. Und Pérez meldete immer häufiger seinen Anspruch an, nicht mehr Fahrer Nummer zwei im Team sein zu wollen.

Bände über das mittlerweile mehr als angeknackste Verhältnis sprach auch eine Szene unmittelbar nach der Zieleinfahrt in Dschidda. Als sich Pérez im Parc Fermée von den ansonsten ausnehmend euphorisch jubelnden RB-Mechanikern neben ihm feiern ließ, stand Verstappens Vater Jos mit versteinerter Miene in der Menge und würdigte den Mexikaner keines Blickes. Kollegiales Verhalten sieht definitiv anders aus.

Doch kann Pérez den übermächtigen Niederländer im Kampf um den WM-Titel tatsächlich herausfordern? In Saudi-Arabien hielt er Verstappen in der Schlussphase zumindest mühelos auf Distanz. Der Weltmeister hatte da allerdings auch schon eine Aufholjagd von Rang 15 hinter sich. Darüber hinaus plagte er sich in der Woche vor dem Rennen mit einer hartnäckigen Grippe herum, sein Start in Dschidda stand deshalb sogar kurzzeitig auf der Kippe.

Unabhängig davon, ob man Pérez diesen Konkurrenzkampf nun zutraut oder nicht: Für die F1-Fans ist es die so gut wie einzige Hoffnung auf eine einigermaßen spannende Saison. Red Bull hingegen sollte sich davor hüten, einen offenen Konkurrenzkampf zuzulassen. Dass das auch schnell nach hinten losgehen und den Gegnern in die Karten spielen kann, zeigen diverse Beispiele aus der Vergangenheit.

Die Fronten scheinen fürs Erste dennoch verhärtet. Pérez wird einen Teufel tun und ein weiteres Mal für Verstappen zurückstecken, weshalb er sich für die kommenden Rennen angriffslustig gab: "Ich bin in diesem Team, um um den Titel zu kämpfen. Das ist der einzige Grund."

Sergio Pérez
© getty

Formel 1: Der WM-Stand (nach 2 von 23 Rennen)

  • Fahrerwertung:
PlatzFahrerTeamPunkte
1Max VerstappenRed Bull44
2Sergio PérezRed Bull43
3Fernando AlonsoAston Martin30
4Carlos SainzFerrari20
5Lewis HamiltonMercedes20
6George RussellMercedes18
7Lance StrollAston Martin8
8Charles LeclercFerrari6
9Valtteri BottasAlfa Romeo4
10Esteban OconAlpine4
11Pierre GaslyAlpine4
  • Konstrukteurswertung:
PlatzTeamPunkte
1Red Bull87
2Aston Martin38
3Mercedes38
4Ferrari26
5Alpine8
6Alfa Romeo4
7Williams1
8Haas1
9AlphaTauri0
10McLaren0
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