Formel 1 - Erkenntnisse zum Saudi-Arabien-GP: Nico Hülkenberg droht das Schumacher-Schicksal

Von Christian Guinin
Charles Leclerc
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Beim Großen Preis von Saudi-Arabien gibt es für die Scuderia Ferrari ein böses Erwachen. Nico Hülkenberg muss derweil aufpassen, nicht ein zweiter Mick Schumacher zu werden und die Rennleitung hinterlässt den fast schon gewohnt schlechten Eindruck. Die Erkenntnisse zum Rennen in Dschidda.

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Frédéric Vasseur
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1. Ferrari ist nur noch die vierte Kraft

Zwei Rennen ist die aktuelle Saison erst alt und schon jetzt macht es den Anschein, als müsse die große Scuderia Ferrari ihre Titel-Träume ein weiteres Mal vorzeitig begraben. Nach einem ausbaufähigen Saisonstart in Bahrain, wo man zwar in Person von Carlos Sainz "nur" auf Rang vier landete, mit Charles Leclerc bis zu dessen technischem Ausfall aber immerhin auf Podiums-Kurs lag, folgte in Dschidda die bittere Realität für die Roten.

Nicht nur zieht man im Renntrimm gegen die Red Bulls und Aston Martins den Kürzeren, auch die schwer gebeutelten Silberpfeile, die sich nach eigenen Aussagen in der Entwicklung komplett verrannt haben und ihr Auto-Konzept von Grund auf neu aufziehen müssen, machen den besseren Gesamteindruck. Kurzum: Ferrari fährt nicht um den Titel mit, Ferrari ist aktuell nur noch die vierte Kraft.

Dabei sollte 2023 eigentlich alles anders und vor allem besser werden. Mit Frédéric Vasseur lotste man einen ruhigen, aber äußerst fähigen Mann von Alfa Romeo los und machte ihn zum Kopf des Teams. Darüber hinaus wurde die Strategie-Abteilung umgekrempelt, um die oftmals vogelwilden taktischen Entscheidungen der letzten Jahre endgültig in die Vergangenheit zu verbannen.

Doch von der Mini-Aufbruchstimmung ist nicht mehr viel übrig. Nach einigermaßen zufriedenstellenden Testfahrten ist man auf dem Boden der Tatsachen angekommen. Das Problem der Scuderia ist nicht einmal das Auto an sich - das ist nach Aussagen von Vasseur und Co. mehr als konkurrenzfähig und durchaus im Stande, um Siege und Podestplätze mitzufahren.

Schwierigkeiten haben die Roten aber im Umgang mit den Pneus. Im Gegensatz zu Red Bull, Aston Martin und Mercedes ist der Ferrari-Bolide ein regelrechter Reifenfresser. "Dieser letzte Stint zeigt, wir sind nicht da, wo wir sein wollen. Unser Reifenverschleiß ist immer noch größer als bei Mercedes oder Aston Martin", meinte Sainz nach seinem sechsten Platz in Dschidda.

Speziell im Verkehr, in der sogenannten Dirty Air hinter anderen Fahrzeugen, sei der Reifenverschleiß zu hoch, um konstant gute Longrun-Zeiten abzuliefern. "Wenn wir die Reifen selbst in Clean-Air überhitzen, dann muss man sich nur vorstellen, was passiert, wenn wir hinter anderen Autos fahren. Dann fressen wir die Reifen regelrecht auf! Wir brauchen freie Fahrt, wenn wir halbwegs ordentliche Rundenzeiten fahren wollen", analysierte Leclerc.

Charles Leclerc
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Ferrari: Auch in der Kommunikation gibt es Probleme

Und dann wären da noch die üblichen Ferrari-Krankheiten. So gab es zwischen Leclerc und dessen Renningenieur Xavier Marcos Padros während des Rennens die Scuderia-typischen Kommunikationsprobleme in der Hitze des Gefechts. Während der Safety-Car-Phase hatte Padros Leclerc zu kurzfristig über ein Fernduell mit Lewis Hamilton informiert, sodass der Monegasse nicht mehr rechtzeitig reagieren konnte, als der Mercedes-Pilot vor ihm aus der Boxengasse auf die Strecke zurückkehrte.

"Ich dachte, wir sind okay und kämpfen nicht mit jemandem", meinte Leclerc dazu. "Deshalb hatte ich etwas Puffer gelassen, um dann wieder Druck machen zu können mit den Reifen. Xavi sagte mir aber erst vor der ersten Kurve, dass wir gegen Hamilton fahren. Das war zu spät, um noch im Zeitlimit zu bleiben."

Zumindest für die Reifen-Problematik dürfte so schnell keine Besserung in Sicht sein. Mit dem Australien-GP steht in zwei Wochen das nächste Hitze-Rennen vor der Türschwelle. Dass die Scuderia bis dahin große Fortschritte erzielen kann, ist quasi ausgeschlossen. Worauf man bei den Roten bauen kann, ist der vergleichsweise gute Speed im Qualifying sowie eine gute Performance von Leclerc auf dem weichen Reifen im ersten Stint. Das ist, zumindest fürs Erste, der einzige Lichtblick.

Nico Hülkenberg
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2. Hülkenberg droht das Schumacher-Schicksal

Zwei Rennen ist Nico Hülkenberg seit seiner Rückkehr in die Formel 1 nun gefahren. Für eine finale Bewertung des 35-Jährigen ist es zwar noch etwas verfrüht. Ein erstes, kleineres Fazit kann man nach den Läufen in Bahrain und Saudi-Arabien aber durchaus ziehen - und das fällt gemischt aus.

Positiv anzumerken ist ohne Frage die Stärke Hülkenbergs im Qualifying. Die Zeitenjagd am Samstag war schon in der Vergangenheit eine Paradedisziplin des Haas-Piloten, was er unzählige Male unter Beweis stellte - etwa im Jahr 2009, als er in Brasilien im unterlegenen Williams sensationell zur Pole Position fuhr.

Auch in dieser Saison kann er augenscheinlich auf diese Stärke bauen. In den beiden bisherigen Qualifikationen landete er zweimal auf dem zehnten Platz. Auch wenn ihm in Dschidda die Strafversetzung von Charles Leclerc sowie die technischen Probleme von Max Verstappen in die Karten spielten, ist das im unterlegenen Haas eine nicht zu unterschätzende Leistung.

Wo wir dann aber auch schon bei den Problemen wären, mit denen sich Hülkenberg herumschlagen muss. Der VF-23 ist entgegen den Hoffnungen nämlich kein Auto, mit dem man ernsthaft um Punkteplatzierungen kämpfen kann. Aktuell sehen, speziell wenn es Sonntags im Renntrimm zur Sache geht, nur zwei Teams noch schlechter als die US-Amerikaner aus: AlphaTauri und McLaren.

Das macht es für den Emmericher dementsprechend auch deutlich schwieriger, sich in Szene zu setzen. Zumindest in den kommenden Rennen wird Hülkenberg nicht viele Chancen bekommen, sich in Schlagdistanz zu den Top Ten zu bewegen. Wenn sich die Möglichkeit bietet, ist es deshalb umso wichtiger, zuzuschlagen.

Nico Hülkenberg, Kevin Magnussen
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Formel 1: Magnussen im Rennen stärker als Hülkenberg

Zu Hülkenbergs Nachteil ist Teamkollege Kevin Magnussen genau dieser Typ von Fahrer, der es in Regelmäßigkeit schafft, in günstigen Situationen zur Stelle zu sein. Das bekam im vergangenen Jahr beispielsweise Mick Schumacher zu spüren, der über die gesamte Saison gesehen nicht unbedingt schwächer als Magnussen performte, in der Summe aber seine Chancen nicht konsequent genug nutzte. Wenn sich einmal eine Möglichkeit ergab, schlichen sich Fehler ein.

Vor allem im Rennen wird sich Hülkenberg deshalb steigern müssen, will er nicht ein ähnliches Schicksal wie Schumacher erfahren. Dort war Magnussen am Sonntag der klar tonangebende Mann, mit einem starken zweiten Stint gelang dem Dänen sogar der Sprung in die Top Ten. "Ich bin offensichtlich immer noch dabei, mich mit dem Auto vertraut zu machen. Ich verlor in der Mitte des Rennens ein wenig den Rhythmus und dann den Anschluss. Ich stand unter Druck von Sargeant [Logan Sargeant (Williams), Anm.d.Red], aber ich konnte ihn aufhalten. Alles in allem hätte ich natürlich gerne einen Punkt geholt", meinte Hülkenberg angesprochen auf seine Leistung.

Das Wichtigste sei es für ihn trotzdem, Erfahrungen mit dem neuen Auto zu sammeln. "Ich denke, das ist für mich das Positivste, was ich von diesem Tag mitnehmen kann", lautete sein Fazit.

Fernando Alonso
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3. Die Strafen-Willkür der FIA ist zurück

Ganze zwei Grands Prix hat es gedauert, bis die Formel-1-Saison 2023 ihre erste Diskussion über FIA, Regeln und Rennleitung hat. Beim Großen Preis von Saudi-Arabien hinterließen die Stewards nämlich in gleich zwei Situationen einen unglücklichen Eindruck und sorgten für Kopfschütteln bei Zuschauern, Fahrern und Experten.

Als in Runde 18 Lance Stroll im Aston Martin ausrollte, schickte die Rennleitung das Safety Car auf die Strecke. Das ist auf den ersten Blick nicht unbedingt ungewöhnlich bei einem verunfallten Auto, doch stand der Kanadier keineswegs in einer für die anderen Fahrzeuge gefährlichen Zone. Stattdessen schaffte es Stroll, sich bis zu einem Bergungskran hinter eine Streckenbegrenzung zu schleppen. Der Einsatz des virtuellen Safety Car hätte also mehr als ausgereicht.

Von der Rennleitung gab es im Anschluss kein Statement über die Gründe dieses Vorgehens, offenbar konnte man aber die genaue Track Position von Strolls Auto nicht lokalisieren, weshalb man aus Vorsicht das reale Safety Car auf die Strecke schickte.

Noch viel mehr Unverständnis löste dann das Chaos nach Rennende aus. Aufgrund einer unsachgemäßen Ausführung einer Zeitstrafe wurde Fernando Alonsos dritter Platz zunächst einkassiert, nur um die Entscheidung einige Stunden später wieder zu revidieren. Dabei sind gleich mehrere Dinge problematisch.

Zum einen ist die Strafe für das Vergehen - beim Absitzen Alonsos Zeitstrafe aufgrund der falschen Platzierung in der Startbox berührte der Wagenheber von Aston Martins Boxencrew offenbar verbotenerweise das Heck des Boliden - mit zehn Sekunden deutlich überzogen, zum anderen haperte es einmal wieder an der Kommunikation nach außen. Erst nach der Podiumszeremonie wurde die Strafe ausgesprochen, ohne zuvor auch nur irgendeine Untersuchung angekündigt zu haben. Für die Zuschauer vor den Fernsehgeräten sieht das nach reiner Willkür aus.

Lance Stroll
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Alonso: "Eher eine FIA-Show"

"Das ist eher eine FIA-Show gewesen, als es uns eine große Enttäuschung bringt. Diese Strafe kam so spät, sie hätten Zeit gehabt, uns zu informieren. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich vielleicht den Abstand auf elf Sekunden erhöhen können", meinte auch Alonso. "Man hat mir es nach dem ersten Stint gesagt. Bei der zweiten Strafe gab es überhaupt keine Informationen, auch nicht über die Untersuchung. Daher spricht das Team auch mit den Stewards, da wir diese Strafe nicht verstanden haben."

Sogar Konkurrent und Profiteur George Russell, der im Mercedes zwischenzeitlich den dritten Platz "erbte", pflichtete Alonso bei. "Ich verstehe, warum es diese Regeln gibt, wir müssen uns an die Richtlinien halten, aber ein bisschen gesunder Menschenverstand muss gezeigt werden", sagte der Engländer.

Die Krone setzte dem Ganzen dann die Revidierung der Strafe, die wiederum erst einige Stunden später erfolgte, auf. In der Erklärung der Stewards hieß es, dass man davon ausging, dass unter allen F1-Teams Einigkeit herrsche, dass bereits die Berührung des Fahrzeugs während des Absitzens einer Zeitstrafe zu einer weiteren Strafe führe. Aston Martin konnte jedoch nachweisen, dass diese Einigkeit vertraglich nirgendwo festgehalten wurde. Alonsos Strafe wurde deshalb wieder einkassiert.

Nach dem Strafen-Gewitter für Esteban Ocon (Alpine) vor zwei Wochen in Bahrain, der wegen ähnlicher Verstöße belangt wurde, sollte eigentlich Klarheit über diese Thematik herrschen - speziell die Rennställe sollten wissen, wofür sie eine Strafe riskieren können. In der Kommunikation sowohl zu den Teams als auch nach außen zu Fans und Zuschauern gibt die FIA aber einmal mehr ein katastrophales Bild ab.

Formel 1: Der WM-Stand (nach 2 von 23 Rennen)

  • Fahrerwertung:
PlatzFahrerTeamPunkte
1Max VerstappenRed Bull44
2Sergio PérezRed Bull43
3Fernando AlonsoAston Martin30
4Carlos SainzFerrari20
5Lewis HamiltonMercedes20
6George RussellMercedes18
7Lance StrollAston Martin8
8Charles LeclercFerrari6
9Valtteri BottasAlfa Romeo4
10Esteban OconAlpine4
11Pierre GaslyAlpine4
  • Konstrukteurswertung:
PlatzTeamPunkte
1Red Bull87
2Aston Martin38
3Mercedes38
4Ferrari26
5Alpine8
6Alfa Romeo4
7Williams1
8Haas1
9AlphaTauri0
10McLaren0