Der fliegende Farmer

Jim Clark fuhr in seiner gesamen Formel-1-Karriere für Lotus
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Jim Clark gilt noch heute als einer der besten Formel-1-Fahrer aller Zeiten. Er gewann zwei Weltmeisterschaften, stellte zahlreiche Bestmarken auf und wurde zum Star des Sports. Mit dem Ruhm konnte der Schotte aber nie etwas anfangen, er hatte andere Träume. Doch bevor er diese verwirklichen konnte, ereilte ihn der Tod - in einem Rennen, das er eigentlich nicht fahren wollte. Am 4. März würde Clark 80 Jahre alt werden.

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Dichte, graue Wolken und Regen: Der Himmel über dem Hockenheimring weinte am Morgen des 7. Aprils 1968. Als wüsste er, dass die Formel 1 nur wenige Stunden später um einen ihrer größten Fahrer trauern würde: um Jim Clark.

Der zweifache Weltmeister nahm als Gaststarter an einem Formel-2-Rennen teil, das an jenem Sonntag auf dem deutschen Traditionskurs stattfand. Eigentlich wollte er bei dem Rennen gar nicht mitfahren, war es für ihn doch komplett bedeutungslos und hielt er nicht viel von der Charakteristik des Hockenheimrings.

"Die Strecke ist einfach lächerlich, sie hat zu viele Geraden. Der Fahrer kann überhaupt nichts machen", klagte er noch am Vorabend im Aktuellen Sportstudio. Schlussendlich ließ sich der bekennende Nichtraucher aber doch zu dem Werbeauftritt für eine Tabakfirma überreden.

Keine Chance gegen den Tod

Clark ging aus der dritten Startreihe ins Rennen, positionierte sich zu Beginn auf den achten Rang, bis das Drama in der fünften Runde seinen Lauf nahm: Der rot-weiß-goldene Lotus geriet auf der Waldgeraden scheinbar grundlos ins Schleudern, raste von der Strecke und knallte mit vollem Tempo gegen einen nahestehenden Baum.

"Clark hatte keine Kontrolle mehr über sein Fahrzeug", erinnert sich ein Streckenposten an das Schreckensszenario: "Sein Auto wurde auseinandergerissen, Motor und Getriebe flogen in den Wald hinein."

15 Minuten kämpfte Clark noch gegen den Tod an, dann starb er an den Folgen eines Genick- und doppelten Schädelbasisbruchs.

"Nicht Jim Clark!"

Die Nachricht über das schwere Unglück verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Der Schock stand jedem in der Königsklasse ins Gesicht geschrieben. "Ich war an dem Tag fassungslos, denn ein Jim Clark stirbt nicht, dachte ich mir. Nicht Jim Clark. Vielleicht andere Fahrer, aber nicht Jim Clark!", berichtete Jackie Stewart Jahre später.

Diese Meinung teilten viele im Fahrerlager. "Wenn es ihn erwischen kann, dann ist niemand von uns sicher", sorgte sich der damalige Ferrari-Fahrer Chris Amon.

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Warum aber erwischte es ausgerechnet diesen unsterblich wirkenden Fahrer, der seinen Wagen stets so präzise und so fehlerlos bewegte?

Schuld war ein schleichender Plattfuß am Hinterreifen, wie bei nachträglichen Untersuchungen festgestellt wurde. Clark soll noch auf dem Waldboden versucht haben, den Wagen mit Maximaldrehzahl umzureißen - doch alle Bemühungen scheiterten.

Hass der Tifosi

Es war wohl Ironie des Schicksals, dass dieser letzte Unfall in seinem Leben der erste überhaupt war, bei dem sich Clark verletzte. Bis dahin konnte er auf eine nahezu unfallfreie Karriere zurückblicken.

Einzig beim Großen Preis von Italien 1961 kam es zu einem üblen Crash, bei dem er mit Wolfgang Graf Berghe von Trips kollidierte. Während Clark wie durch ein Wunder unverletzt blieb, wurde der deutsche Ferrari-Star aus seinem Wagen katapultiert und war auf der Stelle tot.

Das Brutale für Clark: Die Scuderia-Fans sahen in ihm den Schuldigen. Als er das Fahrerlager in Monza vier Jahre später verlassen wollte, schlugen sie mit Fäusten auf das Dach seines Fiats und brüllten ihm wütend "Go Home!" entgegen. Nur gerade so konnte er den pöbelnden Tifosi damals entfliehen und sich in Sicherheit bringen.

Doch dem nicht genug: Journalisten warfen sich nach dem Trips-Unglück auf Clark, attestierten ihm beim folgenden Österreich-Grand-Prix ein Schuldgefühl, verfolgten ihn auf Schritt und Tritt - und ließen so seine Antipathie gegenüber der Presse wachsen.

"Es ist mir unbegreiflich, warum Zeitungen einen Mann hunderte Meilen weit aussenden, um einen zwei Zoll großen Bericht über mich zu bekommen", ärgerte sich der Gejagte.

Nur auf der Rennstrecke die Ruhe selbst

Er hasste diese Aufmerksamkeit. Sein Privatleben war für die Öffentlichkeit tabu, häufig wirkte er reserviert und zurückhaltend. Laut des Journalisten Graham Gauld entfaltete sich "Jims ursprüngliche Schüchternheit und Nervosität, wenn man ihn von der Rennstrecke wegholte. Seine Fingernägel waren sofort abgekaut. Er war unruhig und zappelte herum."

Auf der Piste hingegen strahlte Clark eine unglaubliche Ruhe aus. Trotz seines enormen Tempos fuhr er immer besonnen und überlegt, nie sah man ihn hektisch am Lenkrad herumwirbeln. War er einmal in Führung, setzte er sich in den ersten Runden so weit ab, dass er die Rennen von da an unter minimalem Risiko diktieren konnte.

Mit dieser Perfektion schaffte er es in 72 Formel-1-Rennen zu 25 Siegen, 33 Pole Positions und 28 schnellsten Rennrunden. Werte, die noch heute zu den besten überhaupt gehören.

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