Ein Edelmann mit Racer-Gen

Lange vor Schumacher und Vettel fuhr Trips schon im roten Ferrari
© imago

Wolfgang Graf Berghe von Trips war eine der Motorsportgrößen nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Rheinländer hätte nicht nur erster deutscher Formel-1-Weltmeister der Geschichte werden können, er war auch ein Botschafter des Sports. Sein tragischer Tod schockte die Nation, doch sein Erbe lebt weiter: Ohne ihn hätte es die Karrieren von Michael Schumacher und Sebastian Vettel wohl nie gegeben. SPOX stellt die Legende am 59. Jahrestag seines Formel-1-Debüts vor.

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10. September 1961. Die Formel 1 ist zu Gast in Monza. Der Große Preis von Italien steht kurz bevor. Die Tifosi-Tribünen rund um den etwa zehn Kilometer langen Kurs sind prall gefüllt und die italienische Sonne strahlt auf den königlichen Park.

Es ist alles angerichtet für einen perfekten Tag. Am Nachmittag soll die große Stunde des Wolfgang Graf Berghe von Trips schlagen, der die große Chance auf seinen ersten Weltmeistertitel hat.

Das Schicksal aber zeigte sich an jenem Sonntag von seiner dunkelsten Seite und machte aus einem Tag voller Träume einen Tag des Albtraums. Später war von der "schwarzen Stunde des Motorsports" die Rede.

Machtlos in den Tod

Dabei begann das Wochenende für Graf Trips perfekt. Mit seinem Ferrari fuhr der Deutsche bei seinem 27. Grand Prix erstmals in seiner Karriere auf Startplatz eins. Um Weltmeister zu werden, musste Trips lediglich vor seinem größten Meisterschaftskonkurrenten Phil Hill ins Ziel kommen.

Doch nach einem schlechten Start fiel er hinter den Amerikaner auf Platz sechs zurück. Hill schien in der Gesamtwertung zu enteilen. Trips drückte, gab alles und machte Boden gut - bis es zum verheerenden Zweikampf mit Jim Clark kam. Er zog bei der Anfahrt auf die Parabolica rechts am Briten vorbei, scherte beim Anbremsen auf die Kurve zu früh auf die Ideallinie zurück und traf mit seinem linken Hinterreifen Clarks rechtes Vorderrad.

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Die anschließenden Bilder sind so berühmt wie tragisch. Trips' Ferrari reißt bei Tempo 240 nach links, prallt gegen eine Böschung und wird mit mehrfacher Rotation vom anliegenden Drahtzaun zurück auf die Strecke bugsiert.

Trips ist völlig machtlos, wird aus seinem Wagen auf den Asphalt katapultiert und bricht sich das Genick. Der 33-Jährige ist auf der Stelle tot. Mit ihm sterben 15 Zuschauer, 60 weitere werden verletzt.

Das Rennen wurde - wie in der damaligen Zeit üblich - trotz dieses Horrorcrashs fortgesetzt. Hill fuhr zum Sieg und holte sich den Titel. "Ich wollte gewinnen, aber nicht um jeden Preis", zeigte sich der neue Champion sichtlich bestürzt über die Ereignisse.

"Ein echter Edelmann"

Mit dem Tod von Graf Trips verlor die Formel 1 nicht nur einen kommenden Weltmeister, sondern auch einen ihrer beliebtesten Fahrer.

Trips stand nicht etwa für den "bösen Deutschen", der nach dem Zweiten Weltkrieg so allgegenwärtig war. Nein, Trips war der Inbegriff des "ersten Europäers", dem es durch seinen Charme und sein menschliches Auftreten gelang, Deutschland wieder im Motorsport beliebt zu machen. Er war ein Frauenschwarm und beherrschte dank seiner Eloquenz den perfekten Umgang mit den Medien. Die Zeitungen schrieben vom "deutschen James Dean".

"Von Trips war ein Junge von echter Noblesse und großzügigem Wesen, ein echter Edelmann", sagte Enzo Ferrari einst über seinen ehemaligen Schützling: "Als Fahrer war er genauso ein vollendeter Herr wie in seinem täglichen Umgang."

Menschlichkeit statt Ruhm

Keine Allüren. Keine Skandale. Keine Prahlereien. Vielmehr waren Bescheidenheit und Menschlichkeit Trips' oberste Tugenden. Wichtiger als der Sieg sei schließlich das "Gefühl, ein gutes Rennen gefahren zu sein", sagte er einmal.

Ein Beispiel: die Mille Miglia 1957. Bei dem traditionsreichen Langstreckenrennen in Italien ereilte den in Führung liegenden Piero Taruffi kurz vor Schluss ein Getriebeschaden. Der hinter ihm folgende Trips hätte den Italiener, der sein letztes Karriererennen bestritt, ohne Mühe überholen und sich den Sieg sichern können. Doch Trips hielt sich zurück.

Nach dem Rennen notierte er: "Hätte gewinnen können, da Taruffis Wagen nicht mehr ging am Schluss. Bin aber dahinter geblieben. Freue mich viel mehr für ihn, und das Geschrei um mich wäre ja nicht schön gewesen."

Alles für einen Porsche

Es war nicht das erste Mal, dass die Mille Miglia eine besondere Rolle im Leben des Grafen spielte. Bereits zwei Jahre zuvor ebnete sie ihm um ein Haar den Weg in die Formel 1.

Durch einen zweiten Platz, den Trips trotz eines gebrochenen Gasgestänges einfuhr, wurde Mercedes auf ihn aufmerksam - und machte ihm Hoffnungen auf ein Cockpit in der Königsklasse.

Als die Silberpfeile aber zum Ende des Jahres 1955 aus der Formel 1 ausstiegen, rückte der große Traum in weite Ferne. Trips musste sich einen neuen Partner suchen und griff auf alt Bekanntes zurück: Porsche.

Die Stuttgarter waren es nicht nur, die den Grafen erstmals zur Mille Miglia einluden und damit für den ersten kleinen Meilenstein in seiner noch jungen Laufbahn sorgten. In einem Porsche begann auch die Karriere auf vier Rädern. Als 26-Jähriger kratzte der Rennliebhaber seine letzten Pfennigstücke zusammen und kaufte sich einen Porsche 356, mit dem er schon bald auf kleineren Veranstaltungen erfolgreich unterwegs war.

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