Das Red-Bull-Ferrari-Haas-Erdbeben

Christian Horner darf bald offenbar seine Red Bull mit Sebastian Vettels Ferrari-Antrieb starten
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Die Silly Season der Formel 1 ist im Sommer 2015 ausgefallen. Wirklich? Auch wenn auf dem Fahrermarkt kaum Steine in Bewegung kamen, brennt der Baum halb verdeckt, halb öffentlich. Die Protagonisten: Red Bull, Renault, Ferrari und Mercedes. Die Frage: Wer fährt ab 2016 welche Antriebseinheit? Und: Kontert Mercedes den Ferrari-Trick mit der Haas-Kopie?

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Seit der Vorbereitung zur Saison 2014 kriselte es in der Traumehe zwischen Red Bull und Renault. Nach vier Jahren auf Wolke 7 verloren sich die Partner in Streitigkeiten. Der Businessman aus Österreich fühlte sich plötzlich zu der mit Silberschmuck behängten Schwäbin mit überzeugenden Attributen hingezogen und warf seiner französischen Gefährtin fehlende Leistung und dumme Patzer vor. Die Antwort bestand aus eingeschnappten Forderungen nach mehr Respekt.

Dass das Tischtuch endgültig zerschnitten ist, wurde beim Österreich-GP öffentlich. Red Bull nutzte das Heimspiel auf der eigenen Rennstrecke in Spielberg für eine plakative PR-Kampagne und drohte mit dem Ausstieg aus der Formel 1.

Die Rechnung von Red Bull war simpel: 'Gebt uns eine Powerunit von Mercedes und wir fahren um den WM-Titel!'

Red Bull kündigt Renault trotz Mercedes-Absage

Mittlerweile ist die nächste Eskalationsstufe im Hintergrund offenbar erreicht. Red Bull hat Renault nach Informationen von Autosport schriftlich gebeten, den bis zum Saisonende 2016 laufenden Vertrag zu beenden. Konzernchef Carlos Ghosn, Oberhaupt des französischen Automobilkonzerns hat schon zugestimmt - wahrscheinlich um noch größere Imageschäden durch den Rosenkrieg zu verhindern. "Wir haben ihnen klar gesagt: 'Zählt nicht mehr auf uns als Motorenlieferant'", sagte Ghosn der Zeitschrift Autocar und wies erneut auf die für Renault undankbare Situation hin: "Als Antriebslieferant wirst du nicht erwähnt, wenn du siegst. Aber wenn es Probleme gibt, dann wirst du kritisiert."

Über den noch bis 2016 gültigen Vertrag mit Red Bull werde aktuell neu verhandelt, für Renault gebe es nun zwei Möglichkeiten: "Wir werden entweder aussteigen oder ein eigenes Team an den Start bringen." Das letzte Meeting ist spätestens für den Singapur-GP anberaumt.

Allerdings ist Red Bulls Plan trotzdem nicht aufgegangen. Mercedes verweigerte die Teilnahme am Masterplan, um das eigene Werksteam zu schützen. Niemand geringeres als Vorstandsvorsitzender Dieter Zetsche soll die endgültige Absage beschlossen haben.

"Red Bull ist ein großartiges Team, aber es wäre, als würden wir Ferrari unsere Motoren geben", sagte Weltmeister Lewis Hamilton schon in Monza.

Marko bestätigt Scheitern

Dem hauseigenen Magazin Speedweek bestätigte Motorsportberater Helmut Marko daraufhin die Nachricht: "Die Mercedes-Gespräche sind zu einem Ende gekommen, da waren wir noch überhaupt nicht in der Tiefe. Da gab es gewisse Voraussetzungen, aber wir sind gar nie in die Nähe gekommen, um das im Detail zu erörtern."

Mercedes wollte wenn überhaupt eine langfristige Zusammenarbeit eingehen, die für Red Bull allerdings nicht zur Debatte steht. "Wir sehen das als ersten Schritt, um wieder einen konkurrenzfähigen Motor zu bekommen. So dass wir einfach nicht mehr schon zum Vornherein gehandikapt sind", so Marko: "Was dann in weiterer Zukunft kommt, das überlegen wir uns dann, wenn wir wieder einen Motor haben." Mit anderen Worten: Das Team in Milton Keynes sucht weiterhin nach einem Exklusivpartner.

Weil Volkswagen nicht in die Formel 1 einsteigen und Honda auch in seiner zweiten Saison nur McLaren beliefern will, bleibt damit nur noch ein Hersteller: Ferrari.

Ferrari verhindert Red-Bull-GAU

Dem GAU, komplett ohne Motor dazustehen, ist Red Bull gerade noch entgangen. Glücklicherweise ist FIAT-Boss Sergio Marchionne nicht an politischen Verhandlungsspielchen interessiert und sagte nach Informationen von F1-insider.com in Monza zu, das viermalige Weltmeisterteam ab der Saison 2016 zu beliefern.

Selbst die Scuderia hat damit kein Problem. "Theoretisch gibt es bei ihnen große Namen wie Adrian Newey. Es kommt einem also sehr leicht in den Sinn, dass sie ein furchteinflößendes Chassis bauen werden, wenn man ihnen den richtigen Motor gibt", sagte Teamchef Maurizio Arrivabene, der im Gegensatz zu Mercedes auf die eigene Stärke vertraut: "Wenn ich mir mein Team, meine Ingenieure und meine Aerodynamiker anschaue, dann weiß ich, dass sie sich mit ihrer Aufgabe auskennen. Daher habe ich kein Problem damit, denn der Wettbewerb ist schön, wenn du einen stärkeren Kontrahenten hast."

Die Konsequenzen der Maranello-Milton-Keynes-Kooperation

Die neue Allianz zwischen Maranello und Milton Keynes zieht allerdings weitere Rochaden nach sich. Red Bull verliert mit Renault-Partner Infiniti seinen namensgebenden Hauptsponsor und wahrscheinlich im gleichen Atemzug Lieferant und Sponsor Total.

Und: Nachdem Toro Rosso sich vor der Saison 2014 von Ferrari verabschiedete, um das Renault-Knowhow des Mutterteams zu nutzen, wird das Team aus dem italienischen Faenza wohl ebenfalls Antriebseinheiten von Ferrari beziehen.

"Ja, das wäre sicher der Idealfall, weil die Synergien der Firmen innerhalb des Reglements natürlich viel eher zum Tragen kommen", bestätigte Marko den Plan.

Es stellt sich die Frage, was aus den bisherigen Ferrari-Kunden Sauber und Manor wird. Schließlich beliefert der Sportwagenhersteller aktuell nur zwei Teams, hat darauf seine Infrastruktur ausgerichtet und bekommt mit dem US-amerikanischen Haas-F1-Team schon einen neuen Partner dazu. Zwar sieht das Reglement nur die Lieferung an drei Kunden vor, für Mercedes machte die FIA aber schon in der Saison 2015 eine Ausnahme.

Renault - ein schwankender Dominostein

Der schwankende Dominostein ist Renault. Noch immer haben die Franzosen keine Entscheidung getroffen, wie ihr Formel-1-Engagement künftig aussieht.

"Wir sind in Verhandlungen mit Renault und warten auf die endgültige Zusage", erklärte Lotus' stellvertretender Teamchef Federico Gastaldi gegenüber Bild, bemühte sich aber sofort um Demut: "Wir können einen Weltkonzern wie Renault sicher nicht unter Druck setzen. Wir haben schon mal mit Renault gearbeitet, wir kennen uns."

Weiterhin denkbar ist, dass die Franzosen sich komplett zurückziehen, sollte das Formel-1-Management die finanzielle Bevorzugung als privilegiertes Traditionsteam mit den WM-Titel 2005 und 2006 verweigern oder Lotus' Schulden zu hoch sein.

Die finanzielle Situation des Rennstalls aus Enstone hat sich in den vergangenen Wochen nochmals deutlich zugespitzt. In Spa verhinderte Bernie Ecclestone, dass Gerichtsvollzieher die Teamtrucks beschlagnahmten. Eine Gerichtsverhandlung nach dem Italien-GP, mit der die Steuerbehörden einen Insolvenzverwalter einsetzen wollten, wurde auf den Freitag des Singapur-GP verlegt - angeblich auf Initiative von Renault.

Wendet sich Renault vom Einstieg ab, bleibt Lotus Mercedes-Kunde. Die Rückverwandlung in ein französisches Werksteam ist für die Enstone-Truppe aber weiterhin die wahrscheinlichste Option. Damit würde mindestens einem der aktuellen Ferrari-Kunden plötzlich das große Los der Formel 1 winken: der Mercedes-Antrieb. Doch es gibt einen Haken.

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