"Wir verlieren ganz einfach die Lust"

Glückliche Zeiten: Dietrich Mateschitz beim Spanien-GP 2011 mit Helmut Marko
© getty

Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz hat an der Formel 1 seit Beginn der Saison 2014 die Lust verloren. Der Renault-Antrieb, die beschnittene Aerodynamik - sein Weltmeisterteam fährt im Mittelfeld umher. Für den 71-jährigen Selfmade-Milliardär ein Unding. Er droht vor dem Heimspiel beim Österreich-GP (alle Sessions im LIVE-TICKER) erstmals öffentlich mit dem Ausstieg.

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"Wie viele Teams sind aus der Formel 1 schon trotz Verträgen ausgestiegen? Du kannst jemanden nicht halten, wenn er unbedingt raus will", sagte Mateschitz gegenüber Speedweek - dem Motorsportportal, das zu seinem Red-Bull-Konzern gehört.

Er spielte damit auf die Vereinbarung mit F1-Chefpromoter Bernie Ecclestone an, in der sich sein Konzern verpflichtet hat, bis zum Ende der Saison 2018 an den Start zu gehen. Offenbar sind ihm mögliche Vertragsstrafen egal. Mateschitz will Erfolg.

Der Hauptgrund ist Motorenpartner Renault. Speedweek hebt hervor, dass Red Bull auf eigene Kosten das Motorenprogramm der Franzosen zum Laufen bringe. Noch hoffe Mateschitz auf Fortschritte: "Die Hoffnung stirbt zuletzt."

Wechsel zu Ferrari für Mateschitz keine Alternative

Doch was, wenn es nicht funktioniert? Einen schnellen Wechsel zu Ferrari-Kundenmotoren schließt Mateschitz aus, auch wenn die Sport Bild dies zuletzt berichtet hatte. "Da ist gar nichts dran", sagt er: "Es gibt für 2016 gar keine Alternative zu Renault."

Dafür hat er zwei Gründe: Zum einen läuft der Vertrag mit dem Motorenhersteller noch ein Jahr. Zum anderen will Mateschitz offenbar gar keine Kundenmotoren von Ferrari - zumindest, wenn diese weniger Leistung entfalten.

"Du bekommst den Motor, der gut genug ist, um deinen unmittelbaren Konkurrenten Punkte wegnehmen zu können. Er wird aber niemals gut genug sein, um jenes Werksteam schlagen zu können, das dir diesen Motor liefert", begründet er: "Mit so einem Kundenmotor wirst du nie mehr Weltmeister werden."

Doch was Mateschitz will, sind Titel. Seine jährlichen Investitionen im dreistelligen Millionenbereich sollen sich aus Marketing-Perspektive auszahlen. Dafür braucht er GP-Siege und Weltmeisterschaften.

Doppelte Abschiedsdrohung

"Und wenn wir sehen, dass wir keine Chance auf einen Weltmeistertitel mehr haben, weil ​wir auch bei der Aerodynamik beschnitten werden... Wir verlieren ganz einfach die Lust. Wir sind schlechte Edelkomparsen", skizziert er ein eindeutiges Szenario. Ist der Ausstieg also schon beschlossene Sache? Offenbar nicht: Renault soll weiter aufrüsten.

"So nehmen sie uns neben der Zeit und dem Geld auch die Lust und die Motivation. Denn kein Fahrer und kein Chassis dieser Welt kann dieses PS-Handicap kompensieren", sagt Mateschitz zum aktuellen Zustand: "Außerdem wurden unsere Chancen vom Aerodynamik-Reglement her so verstümmelt, dass Konstrukteur Adrian Newey seine Talente am Frontflügel nicht mehr entfalten kann. Dazu haben wir schon den vierten Motor verbraucht. Also werden wir in der Startaufstellung zurückversetzt. Was muss noch alles passieren, damit man die Lust verliert?"

Zwingt Renault-Ausstieg Red Bull zum Wechsel?

Den finalen Anstoß würde wohl ein Ausstieg des aktuellen Liferanten zum Ende der Saison 2015 geben, "wenn sich bei Renault die ​Überzeugung breitmacht, dass dieses bisher missratene Triebwerk nicht bis zur geforderten Wettbewerbsfähigkeit entwickelt werden kann", wie es Speedweek leicht tendenziös formuliert.

Dann wäre Red Bull gezwungen, einen Antrieb eines Werksteams zu fahren. Zwar soll Red Bull hinter den Kulissen bei Ferrari, Mercedes und Honda anklopfen, um für die Saison 2017 gewappnet zu sein, doch ein solcher Wechsel erscheint nach Mateschitz' Aussagen ausgeschlossen - sofern seine Teams nicht die unwahrscheinliche Zusicherung bekommen, die bestmögliche Ausbaustufe der Powerunit mit maximaler Leistung zu erhalten.

"Ich kann jetzt nicht abschätzen, wer in zwei oder drei Jahren aus der Formel 1 rausgeht oder reingeht. Ich weiß nicht, ob wir die Teams noch haben. Das sind Vorhersagen, die macht man in der Formel 1 besser nicht", droht er ein weiteres Mal mit dem Ausstieg.

Was steckt hinter der Drohung?

Was also steckt hinter den Aussagen, die ausgerechnet vor dem Heimspiel am Red Bull Ring bei Spielberg an die Öffentlichkeit kommen? Die gesamte Formel-1-Welt schaut an diesem Wochenende auf seine Teams, auf die anstehenden Strafversetzungen für Daniel Ricciardo und Daniil Kvyat. Zeit, den Schuldigen zu nennen.

Wohl kaum. Red Bull drängt auf Änderungen am Reglement, um die eigenen Ansprüche wieder erfüllen zu können. Durch die nur beschränkt mögliche Weiterentwicklung der Powerunits ist Renault gehandicapt. Stellen die anderen Hersteller sich quer, wird sich daran nichts ändern.

Wenn Mateschitz mit seinem Rückzug droht, dann droht er gleichzeitig mit dem Rückzug von 20 Prozent der Autos, die aktuell in der Startaufstellung stehen. Das Feld der Formel 1 würde auf 18 Fahrzeuge schrumpfen - sofern nicht weitere Rennställe vorher zahlungsunfähig sind.

'Gebt uns Entwicklungsfreiheit!'

Red Bull investiert nach eigenem Bekunden schon jetzt Geld, um Renault voranzubringen. Die konzerneigenen Teams sind die einzigen verbliebenen Kunden nach dem Wechsel von Lotus zu Mercedes vor der Saison 2015. Die Teams des österreichischen Konzerns würden also als einzige von Fortschritten profitieren. Dafür würde der Geldgeber wohl weitere Millionen locker machen.

Mateschitz' Aussagen erscheinen als wohlüberlegter Schachzug, um zum bestmöglichen Zeitpunkt den Druck auf die übrigen Teams zu erhöhen: 'Gebt Renault mit unserer Hilfe mehr Spielraum bei der Entwicklung der Antriebseinheit und lasst uns gleichzeitig mehr Freiheiten bei der Aerodynamik, damit wir wieder Lust bekommen.'

Nun ist die Frage: Gehen die anderen Hersteller und Teams auf diese Forderungen ein? Oder lassen sie es darauf ankommen und riskieren den Ausstieg von Red Bull?

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