Der Kreis schließt sich

Von Fabian Swidrak
In Valencia erlebte Michael Schumacher mit Rang drei den sportlichen Höhepunkt seiner Rückkehr
© Getty

Michael Schumacher beendete seine Karriere in Sao Paulo, wie sie begonnen hatte. Auch wenn das Comeback nicht mit dem ersten Abschnitt seiner Karriere mithalten konnte, hinterlässt er eine große Lücke. Er hat die Formel 1 salonfähig gemacht und bekommt nicht nur deshalb Lobeshymnen von allen Seiten.

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Als Sebastian Vettel seinen Red Bull in Sao Paulo in der Boxengasse abstellt, das Lenkrad abnimmt und aus seinem Boliden aussteigt, steht bereits der erste Gratulant bereit. Michael Schumacher nimmt seinen 18 Jahre jüngeren Landsmann in den Arm und beglückwünscht ihn zu seinem dritten Weltmeistertitel in Folge.

Eine Szene, die wie der letzte Akt einer Art Staffelstabübergabe wirkt. Denn eines ging in den Feierlichkeiten rund um Vettel und seinen Rennstall Red Bull fast unter: Der Große Preis von Brasilien war das letzte Formel-1-Rennen von Michael Schumacher.

Der wohl größte Rennfahrer aller Zeiten räumt die Bühne und überlässt die Show in Zukunft endgültig dem Heppenheimer. "Das ist ein großer Verlust und schade. Es gab viele Leute, mich eingeschlossen, die sich sehr gefreut hätten, wenn er weitergemacht hätte", so Vettel.

Formel 1 salonfähig gemacht

Ein Jahrzehnt lang hatte Michael Schumacher die Formel 1 vor seinem zwischenzeitlichen Karriereende dominiert und wurde so zu einem der größten deutschen Sportler aller Zeiten. Zu einem, den man selbst in den entferntesten Ecken der Welt noch kennt.

Ihm ist es zu verdanken, dass die Formel 1 in den 90er Jahren wieder salonfähig wurde. Dementsprechend groß sind nach seinem Ausstieg auch die Lobeshymnen auf seine Karriere. "Als Rennfahrer war Michael mega, als Mensch ist er die Steigerung dazu", sagte Mercedes-Motorsport-Chef Norbert Haug am Wochenende und schenkte Schumi zum Abschied seinen Silberpfeil. "Michael hält alle möglichen und unmöglichen Rekorde. Seine Karriere ist unglaublich, fantastisch", schwärmt sein früherer Teamkollege Felipe Massa.

Und auch aus anderen Sportarten kommt breiter Zuspruch. "Michael Schumacher ist für mich einer der größten deutschen Sportler aller Zeiten", so Golfprofi Martin Kaymer. Selbst Franz Beckenbauer stimmt mit ein: "Extra wegen ihm habe ich wieder angefangen, Formel 1 zu schauen. Es ist schade, dass er jetzt aufhört."

Comeback bei Mercedes

Schon 2006 nahm Schumacher seinen Hut. Es schien der geeignete Zeitpunkt für einen Schlussstrich zu sein. Als siebenmaliger Weltmeister trat der Kerpener ab. Doch so ganz wollte er sich mit dem Gedanken an einen dauerhaften Ruhestand nicht anfreunden.

"Was er geleistet hat, ist sicherlich einmalig. Hut ab, kann man da nur sagen, und ich denke, ab morgen fangen die Gerüchte an, wann die Rückkehr stattfindet", ahnte Haug schon bei Schumachers Rücktritt 2006, um nur vier Jahre später selbst zum Drahtzieher eines der spektakulärsten Comebacks der Sportgeschichte zu werden.

2010 ging Mercedes erstmals wieder mit einem eigenen Werksteam an den Start und verpflichtete dafür den damals 41-Jährigen. Der Traum eines jeden Formel-1- und Schumi-Fans ging in Erfüllung. Auch Schumacher selbst war begeistert von der Möglichkeit, wieder ins Cockpit zu steigen.

"Ich fühle mich gerade wie ein Zwölfjähriger, der durch die Gegend hüpft, so wie ein kleiner Junge." Schon in der Saison zuvor wäre es fast zu einer Rückkehr gekommen. Schumacher wollte bei Ferrari für den verletzten Felipe Massa einspringen. Doch nach einem schweren Motoradunfall rieten ihm seine Ärzte davon ab.

Nicht mehr konkurrenzfähig

Der Erwartungshaltung eine Saison später bei Mercedes tat das aber keinen Abbruch. "Es ist die Sensation schlechthin weltweit. Der Michael ist ja auf einem Niveau gefahren, wo es heute ja eigentlich keinen gibt. Deshalb sage ich, dass er vom ersten Tag an ganz vorne mitfahren wird", so Niki Laudas Reaktion auf Schumachers Wiederkehr.

Der Rest der Geschichte ist bekannt: Aus der sportlich furiosen Rückkehr an die Spitze der Formel 1 wurde nichts. Im Nachhinein fragen sich gar viele, warum er seiner Karriere dieses letzte Kapitel überhaupt hinzugefügt hat. Tatsächlich wirkten die letzten drei Jahre wie die unweigerlichen Tiefen einer langen Laufbahn. Nur eben komprimiert, en bloc.

Schnell stellte sich heraus, dass eine Fortsetzung seiner Rekordkarriere beim deutschen Rennstall nicht möglich sein wird. 14 Ausfälle in drei Jahren, so die ernüchterndste aller Bilanzen. Und wenn sein Wagen durchhielt, dann fuhr er mit oder hinterher, aber nicht mehr davon.

Mercedes schaffte es einfach nicht, Schumacher ein konkurrenzfähiges Auto zur Verfügung zu stellen. Das weiß auch Norbert Haug: "Es tut mir leid, dass wir unseren Fahrern nicht öfter ein Auto wie in China bei Nicos Sieg geben konnten."

"Ich habe nichts zu bereuen"

Natürlich war auch Schumacher selbst nicht frei von Fehlern. In diesem Jahr kollidierte er in Barcelona mit Bruno Senna. Für beide Fahrer war das Rennen beendet. Die Rennkommissare gaben später dem Deutschen die Schuld. Auch in Singapur verursachte er einen schweren Auffahrunfall und zerlegte neben seinem eigenen auch das Auto von Jean-Eric Vergne.

Einige Male blitzte das fahrerische Können von Schumacher allerdings doch noch auf. So zum Beispiel dieses Jahr beim Großen Preis von Europa in Valencia, als er von Startplatz zwölf noch aufs Podium raste. Oder in Monaco, als er im Qualifying sogar zur Pole Position fuhr, wegen einer Strafversetzung aber nur von Rang sechs starten durfte.

Schumacher hat sich sein Comeback anders vorgestellt, keine Frage. Dennoch macht er sich keine Vorwürfe: "Ich habe nichts zu bereuen. Ich wollte an meinen Erfolgen gemessen werden und daher habe ich viel Kritik eingesteckt. Klar ist für mich aber auch, dass ich nicht weniger glücklich sein kann über das, was ich in der Formel 1 erreicht habe."

Selbst Formel-1-Boss Bernie Ecclestone stellt sich hinter Schumacher: "Die Formel 1 hat ihn nach seiner Rückkehr mehr gebraucht als er die Formel 1."

"Formel 1 hat mich zum Schluss zerstört"

In Zukunft muss die Königsklasse aber definitiv ohne ihren Rekordchampion auskommen. Denn in Sao Paulo stieg Schumacher zum 308. und gleichzeitig letzten Mal aus seinem Boliden. "Es war ein schöner Abschluss, ein tolles Rennen", versuchte er die Eindrücke seines letzten Grand Prix zusammenzufassen. "Seltsam, dass ich mit dem siebten Platz meine Karriere beende - so hat sie auch angefangen, mit einem siebten Platz in meinem ersten Qualifying. Und dann die sieben WM-Titel: Die Zahl war ein guter Schluss."

Pläne für die die nächsten Monate und Jahre hat sich Schumacher schon zurecht gelegt. Vor allem seinem Hobby Fallschirmspringen möchte er vermehrt nachgehen. "Ich bin noch ein Greenhorn, aber ich habe - nicht nur dadurch - gelernt, abzuschalten. Darauf freue ich mich jetzt: nicht mehr ständig über die Formel 1 nachdenken zu müssen. Das hat mich zum Schluss mehr und mehr zerstört", gesteht er gegenüber dem "Stern" ein.

Ganz kann er die Finger aber nach wie vor nicht vom Lenkrad lassen."Ich habe einen Werksvertrag unterschrieben und werde ab und an als Kart-Tester aktiv sein." Sein legitimer Nachfolger hofft sogar, dass es nicht beim Kartfahren bleibt und Schumacher zumindest abseits des Asphalts Teil des Formel-1-Zirkus bleibt. "Es war immer etwas Besonderes, gegen ihn zu fahren. Auf der Strecke war er manchmal hart, aber immer fair. Ich hoffe, dass er uns in irgendeiner Funktion erhalten bleibt und wir ihn von Zeit zu Zeit noch sehen", so Vettel.

Dagegen hätte sicher auch Bernie Ecclestone nichts einzuwenden und bringt den Stellenwert Schumachers noch mal auf den Punkt: "Michael ist die Formel 1."

Der Endstand in der Konstrukteurs- und Fahrerwertung

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