Der stille Held Ferraris

Von Alexander Maack
Felipe Massa sicherte sich den Sieg im SPOX-Driver-Ranking zum Brasilien-GP
© spox

Auch in der Formel-1-Saison 2012 bewertet SPOX nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen der Piloten und stellt ein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 20: Der Brasilien-GP.

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"Was für ein geiles Rennen!" Das dachte sich wohl jeder Zuschauer am Sonntag. Das Chaos macht es allerdings schwer, die Leistungen der einzelnen Piloten zu beurteilen. Dennoch strahlte an diesem Wochenende der Stern des Felipe Massa bei seinem Heimspiel außergewöhnlich hell. Ein Massa auf Platz eins im SPOX-Driver-Ranking. Dass man das noch erleben darf!

Die Wertung für den Brasilien-GP:

Platz 1, Felipe Massa: Es hätte ein perfektes Rennen für den Brasilianer werden können. Bei seinem Heim-GP war er eindeutig schneller als sein eigener Teamkollege. Dennoch stellte sich Massa bedingungslos in den Dienst der Scuderia und drängte Webber zu Beginn der zweiten Runde vor dem Senna-S nach außen, sodass Alonso auf der Innenbahn zwei Plätze auf einmal gutmachen konnte.

Massa verlor zwar dadurch selbst Plätze, kämpfte sich aber sofort wieder zurück und überholte Webber. Danach blockte Ferraris Nummer zwei für Alonso die schnelleren Verfolger ab, indem er Kampflinie fuhr. Zu diesem Zeitpunkt fuhren sieben Autos direkt hintereinander.

Auch sonst überzeugte Massa: Er fuhr im Rennen auf einem Niveau mit Alonso, teilweise waren seine Rundenzeiten sogar besser. Dass er auf Platz elf zurückfiel lag am zeitlich ungünstigen Boxenstopp. Massa diente hier als Versuchskaninchen, um die richtige Reifenwahl für Alonso festzulegen.

Zudem hatte der Brasilianer wie schon in Austin das bessere Qualifying hingelegt und übernahm mit einem genialen Start kurzzeitig Platz zwei. Für mich war Massas Teamleistung an diesem Wochenende beeindruckend. Es zeigt, dass die Formel 1 eben nicht nur ein Sport von Egomanen ist.

Platz 2, Lewis Hamilton: Freitagsbestzeiten, Pole Position und die Führung gegen Rennende von Hülkenberg zurückerobert. Hamilton zeigte wie schon so oft in dieser Saison, wie gut er ist. Allerdings hat er auch das Pech gepachtet. Ob technische Defekte oder ein übersteuernder Deutscher, irgendetwas hält den Briten auf.

Für mich war Hamiltons Konstanz während des Rennens gut. Auch wenn er zu Rennbeginn zwei Mal vom eigenen Teamkollegen überholt wurde und sich mit seinem Renningenieur für einen verfrühten Wechsel auf Intermediates entschied und dadurch viel Zeit verlor, hat er meiner Meinung nach Rang zwei verdient.

Platz 3, Michael Schumacher: Im letzten Rennen seiner Karriere schafft es der Altmeister noch mal aufs Podium. Schumacher arbeitete sich nach einer schlechten Anfangsphase fast durchs komplette Feld. In Runde fünf war er Letzter, nachdem er zum ersten Mal die Reifen wechseln musste.

Drei Runden später musste er schon wieder Anhalten, weil der Regen zu stark war. Die Konsequenz: 60 Sekunden Rückstand zum Vorletzten Kamui Kobayashi. Wer es von dort in einem nicht-siegfähigen Auto noch in die Punkteränge schafft, hat einen Podestplatz allemal verdient.

Platz 4, Nico Hülkenberg: Der 25-Jährige erwischte eine grandiose Startphase in Sao Paulo. Er hielt in der ersten Runde seinen sechsten Platz und nutzte dann das Blockieren von Massa gegen Webber, um selbst vorbeizugehen. Nachdem er den zweiten Platz von Hamilton geerbt hatte, verringerte "Hulk" Runde für Runde den Rückstand auf Button, bis er in Runde 18 mit einem Klasse-Manöver vorbeiging. 30 Umläufe hielt die Führung insgesamt an.

Doch die Safety-Car-Phase schien Hülkenberg etwas verunsichert zu haben. Er leistete sich im Infield einen kleinen Fehler, als er auf die rutschige Markierung kam. Zwar konnte der Emmericher das ausbrechende Heck noch abfangen, doch Hamilton zog vorbei und übernahm die Führung. Die Schuld für die Kollision sehe ich dagegen nicht bei Hülkenberg. Er versuchte die Lücke auszunutzen, die sich durch die Überrundungen bot. Vielleicht war das Manöver zu optimistisch, die Strafe war meiner Meinung nach aber zu hart.

Platz 5: Jenson Button: Im Training war er mit seinem Teamkollegen Hamilton auf Augenhöhe. Im Rennen überholte er ihn in der Anfangsphase. Aber: Sein weicher Fahrstil wurde ihm in diesem Grand Prix zum Verhängnis. Er brachte die weichen Reifen nicht auf Temperatur, als die Strecke nass war. Damit verlor er den Anschluss an Hamilton und Hülkenberg.

Durch den Crash der Beiden übernahm Button anschließend die Führung, hatte keine Probleme mehr und holte sich den Sieg. Für die souveräne Leistung zum Ende des Rennens, die aggressive Anfangsphase und die kluge Entscheidung, auf Trockenreifen weiterzufahren, gibt's noch acht Punkte für die Gesamtwertung.

Platz 6, Fernando Alonso: Der Spanier fuhr mit allerhöchstem Risiko. Die Eingangskurve zum Senna-S verpasste er zweimal. In Runde 56 verlor er zwei Kurven weiter um ein Haar die Kontrolle über den F2012, als beim Beschleunigen das Heck ausbrach. Alonso nutzte seine Möglichkeiten konsequent aus. Nach zwei Runden hatte er bereits vier Positionen gut gemacht.

Durch die tatkräftige Unterstützung seines Teamkollegen musste er nur Hülkenberg passieren lassen. Dass es am Ende nicht zum Titel reichte, steht fest. In diesem Rennen war Alonsos Vorstellung aber wieder fehlerfrei und am oberen Ende des Möglichen. Dass es trotzdem nur zu Rang sechs reicht, liegt am teaminternen Duell. Massa wirkte sowohl im Training als auch im Rennen stärker.

Platz 7, Witali Petrow: Der Caterham-Pilot ging vom 19. Startplatz ins Rennen und hatte nach den Turbulenzen in der ersten Runde Rang vierzehn inne. Nach Runde elf lag er plötzlich an sieben, fiel durch den späten Umstieg auf die Intermediates aber auf 16 zurück.

Petrow schaffte es dennoch, sich wieder nach vorne zu arbeiten und manövrierte schließlich Charles Pic aus. Mit dem elften Platz fuhr der Russe das beste Einzelergebnis eines Fahrers der drei Teams am Ende des Feldes ein. Die Belohnung: Caterham holte den elften Platz in der Konstrukteurs-WM von Marussia zurück und bekommt dadurch im nächsten Jahr etwa 10 Millionen Euro mehr.

Platz 8, Sebastian Vettel: Der Dreifachweltmeister schafft es gerade noch in die Punkte. Ja, er sicherte sich den Titel. Ja, er startete nach der Kollision mit Bruno Senna eine riesige Aufholjagd in einem beeinträchtigten Wagen. Doch wie kam es überhaupt dazu? Vettel verpatzte den Start und verlor dadurch schon einige Plätze. Bei Turn 4 schien er unsicher und bremste verfrüht. Kimi Räikkönen konnte mit blockierenden Reifen gerade noch in die Auslaufzone auweichen und einen Crash verhindern.

Dann aber zog Vettel in der Decida do Lago plötzlich zum Kurvenscheitel. Allerdings fuhr da schon Bruno Senna. Den Vorwurf, der Brasilianer hätte eine zu hohe Geschwindigkeit gehabt, teile ich nicht. Meiner Meinung nach war er nicht schneller als Vettel. Er hätte die Kurve bekommen. Der Williams-Pilot hatte aber kaum Chancen, Vettel auszuweichen, der seine Linie nicht hielt. Der anschließende Parforce-Ritt rettet dem Dreifachweltmeister aber seine vier letzten Punkte der diesjährigen Driver-Ranking-Saison.

Platz 9, Timo Glock: Bis zur ersten Safety-Car-Phase lief für den Marussia-Piloten alles richtig. Er war mit einem auf Regen optimierten Set-up ins Qualifying gegangen, zog daraus im Rennen Vorteile und schob sich bis auf Platz zwölf vor. Zu diesem Zeitpunkt war er vor Petrow und hätte Marussia damit den zusätzlichen Millionenbetrag gesichert.

Dann allerdings folgte der Schock: Direkt nach dem Restart rauschte Jean-Eric Vergne dem Odenwälder ins Heck. Der gute Start Glocks war passé. Er fiel auf Platz 20 zurück, weil Vergnes Frontflügel seinen Reifen aufgeschlitzt hatte. Dennoch war Glock während des gesamten Rennens schneller als sein eigener Teamkollege Pic. Weil der zusätzliche Boxenstopp nicht auf seine Kappe geht, bekommt Glock zwei weitere Punkte.

Platz 10, Jean-Eric Vergne: Auch der Franzose fiel nach der Kollision mit Glock zurück. Er überholte den Deutschen aber sofort wieder. Während Glock aufgrund seines unterlegenen Autos auf Platz 20 festhing, pflügte Vergne im Eiltempo durchs Feld. Zwischenzeitlich war er Siebter, fiel aber beim letzten Reifenwechsel wieder auf Rang zehn zurück.

Kurz bevor Paul di Resta die Kontrolle über seinen Force India verlor und in die Mauer einschlug, überholte Vergne dann den Sauber von Kobayashi. So sicherte er sich vier WM-Punkte und vergrößterte den Abstand zu Teamkollege Daniel Ricciardo. Weil Vergne aber an seinem Zwischenfall mit Glock selbst die Schuld trägt, nimmt er für das Driver-Ranking nur einen Punkt mit.

Härtefall, Mark Webber: Der Australier wollte das letzte Rennen der Saison für sich selbst und nicht für Vettels WM-Titel fahren. Und das tat er auch. Schlechter Start, fragwürdiges Überholmanöver gegen Massa an der Stelle, wo ein Red Bull eigentlich keine Chance gegen Ferrari hat, Kollision mit Massa. Webber hätte ein wichtiges Wörtchen in der WM-Entscheidung mitreden können, indem er den Ferrari-Piloten die Punkte klaut.

Stattdessen behinderte Webber seinen Teamkollegen beim Start und Restart, fuhr aber glücklicherweise noch in den Notausgang, als er mit Vettel und Kobayashi auf gleicher Höhe in Kurve eins einbog.

Die Punkte für das Interlagos-Wochenende:

Der Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM