Lotus: Die neue Messlatte im Fahrerlager

Von Alexander Maack
Lotus ist in Spa ein heißer Tipp auf den Sieg
© Getty

Nach vier Wochen Sommerpause legen die Teams in Spa (Training, Fr., 14 Uhr im LIVE-TICKER) ihre Karten auf den Tisch. Mit toller Form in Ungarn und vielen Neuerungen avanciert Lotus zum neuen Top-Favoriten. Wo stehen McLaren, Ferrari, Red Bull und Mercedes?

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Streckendaten:

Name: Circuit de Spa-Francorchamps

Ort: Spa-Francorchamps

Länge: 7,004 Kilometer

Runden: 44

Renndistanz: 308,176 Kilometer

Kurven: 10 Rechtskurven, 9 Linkskurven

Darauf kommt es an: Der Kurs in Spa-Francorchamps ist bei Fahrern wie Ingenieuren gleichermaßen beliebt. "Es ist fantastisch! Ein Kurs wie eine super Achterbahn", freute sich etwa Lotus-Pilot Romain Grosjean.

Trotz des mit über 70 Prozent zweithöchsten Vollgasanteils nach Monza fahren die Teams mit mittlerem Anpressdruck. Der Grund dafür ist der zweite Sektor, der neun von 19 Kurven beinhaltet. Auf der anderen Seite geben die Fahrer nach der La-Source-Haarnadel rund 23 Sekunden Vollgas bis zum besten Überholpunkt der Ardennen-Strecke: Les Combes.

Neben dem Motor werden auch die Pneus in Belgien aufs härteste belastet. "Aus Reifen-Sicht ist es eine der anspruchsvollsten Strecken des ganzen Jahres", erklärt Pirelli-Motorsportdirektor Paul Hembery: "Durch die hohe Geschwindigkeit und die extremen Fliehkräfte werden die Reifen oft in mehr als einer Dimension belastet."

Insbesondere in der langgezogenen Doppellinks Pouhon (Kurven 10 und 11), der Stavelot (Kurve 15) und natürlich der Eau Rouge (Kurve 3) ist der Druck auf die kurvenäußeren Vorderräder mit knapp 1.000 Kilo sehr groß.

Der Vorteil des Kurses in Spa ist, dass die Fahrer an mehr als einer Stelle die Möglichkeit zum Überholen bekommen. Neben der DRS-Zone zwischen Eau Rouge und Les Combes bietet sich auch die Bus-Stop-Schikane direkt vor der Zielgeraden an.

Der entscheidende Faktor ist allerdings häufig pures Glück. Beim ständig wechselnden Ardennen-Wetter und der Länge der Strecke kann allein der Zeitpunkt des Boxenstopps einige Sekunden ausmachen.

Wetter-Prognose:

Freitag: Regenschauer, 10-11 Grad, 85 Prozent Regen-Risiko

Samstag: wolkig, 10-12 Grad, 20 Prozent Regen-Risiko

Sonntag: wolkig, 16-18 Grad, 20 Prozent Regen-Risiko

Reifen: Hard und Medium. Pirelli trägt in Belgien der extrem fordernden Strecke Rechnung und verzichtet im Gegensatz zum Vorjahr und den letzten Rennen in Hockenheim und Ungarn auf die weiche Mischung.

Hembery: "Die Auswahl wird es den Fahrern erlauben, vom Start bis zum Ziel zu pushen, wofür Spa erschaffen wurde." Erstmals seit dem zweiten Saisonrennen in Malaysia kommen damit die beiden härtesten Reifentypen bei einem Grand Prix zum Einsatz.

Statistik:

Sieger 2011: Sebastian Vettel (Red Bull) in 1:26:44,893 Stunden

Pole-Position 2011: Sebastian Vettel (Red Bull) in 1:48,298 Minuten

Schnellste Rennrunde 2011: Mark Webber (Red Bull) 1:49,883 Minuten

Rekordsieger: Michael Schumacher (6 - 1992, 1995, 1996, 1997, 2001, 2002)

Favoriten:

Lotus: Die größten Updates für Spa-Francorchamps hat Lotus im Gepäck. Die verbesserte Aerodynamik, das erstmals einsatzbereite Doppel-DRS und die Performance von Kimi Räikkönen lassen das Team auf den ersten Sieg hoffen.

"In der Regel habe ich beim Belgien-Grand-Prix immer gute Resultate erzielt ", sagte der Finne - für seine Verhältnisse fast euphorisch: "Natürlich wäre es toll, zum fünften Mal in Spa zu gewinnen." Räikkönen deutete zudem an, sein Set-Up stark aufs Qualifying auszurichten. Keine schlechte Strategie: Vier der letzten Sieger starteten von der Pole, sieben aus der ersten Reihe.

Allerdings könnte das Ardennen-Wetter der Zuversicht einen Strich durch die Rechnung machen. In Hockenheim bekam Lotus die Regenreifen nicht zum Arbeiten, zudem lief das Auto bei den zu erwartenden geringen Temperaturen eher durchwachsen.

Trotzdem versprühte Romain Grosjean zuletzt Optimismus: "Wenn wir die Leistung aus Budapest auf einer normalen Strecke umgesetzt hätten, wo man besser überholen kann, dann hätten wir gewonnen", sagte der Franzose. "Spa ist eine dieser normalen Strecken mit ein paar guten Überholmöglichkeiten. Warten wir einfach ab, was passiert."

McLaren: Ein besserer Abschluss der ersten Saisonhälfte als der Sieg von Lewis Hamilton in Ungarn wäre für McLaren kaum denkbar gewesen, auch wenn Jenson Button aufgrund einer falschen Strategie das Podium verpasste. Der Grund für die Rückkehr in die Spitze ist das Aerodynamik-Paket mit veränderten Seitenkästen, das das Team erstmals in Hockenheim einsetzte. In Spa wurde über den Einsatz eines Doppel-DRS spekuliert, aber im Gegensatz zu Lotus wird McLaren darauf verzichten.

Die abbauenden Reifen hat McLaren immer noch nicht vollständig im Griff. Selbst Reifenflüsterer Button haderte zuletzt wieder mit den Pneus. "Es war sehr schwierig, weil mein Fahrstil nicht zu den Reifen passte. Ich musste ihn anpassen", sagte der Brite gegenüber "Autosport": "Du versucht, sanft zu fahren und sie zu schonen. Dann fallen sie aus dem Arbeitsfenster und schließlich ruinierst du dir die Reifen mehr, als wenn du aggressiv fahren würdest."

Allerdings dürfte die Reifenwahl Pirellis den McLaren entgegen kommen, da sich die Probleme bei den beiden harten Mischungen nicht zu stark auswirken.

Auf Button und Hamilton lastet zudem ein nicht geringer Druck. Beide müssen fast zwangsläufig hoch punkten, um die von Teamchef Martin Whitmarsh ausgegebene Vorgabe zu erreichen: "Es bleibt unser Ziel, beide Weltmeisterschaften zu gewinnen."

Red Bull: Für Sebastian Vettel steht bislang ein Sieg zu Buche, Mark Webber holte zwei. Noch immer kämpft die Truppe aus Milton Keynes mit dem Verbot des Doppeldiffusors in dieser Saison. "Da wir die Technologie um den angeblasenen Diffusor in den vergangenen zwei Saisons ziemlich stark genutzt haben und uns das dann gemeinsam mit anderen Änderungen wie der Flexibilität des Frontflügels weggenommen wurde, sind wir ziemlich hart getroffen", erklärte Stardesigner Adrian Newey in der Sommerpause.

Zudem wurde die verbesserte Form von Red Bull durch das Verbot der Mapping-Änderungen, also der Motorcharakteristik, abgemildert. "Wir haben mit Renault gearbeitet und wurden plötzlich mit einer Klarstellung konfrontiert, die auf einer anderen Interpretation als unserer beruhte", erklärte Newey gegenüber "Autosport". "Das ist jetzt unsere Situation, und wir müssen zurückgehen und uns die Sache neu ansehen."

Was für Renault spricht: In den beiden hinteren Sektoren in Spa ist viel aerodynamischer Grip gefragt. Allerdings gilt im ersten Abschnitt das Gegenteil: Um schnell aus La Source herauszukommen, ist mechanischer Grip gefragt, danach geht es bis zur ersten Zeitmessung fast ausschließlich um eine möglichst hohe Geschwindigkeit.

Ferrari: Nachdem er beim Ungarn-Grand-Prix Probleme hatte, das Tempo der Spitze mitzugehen,machte Fernando Alonso seiner Wut Luft: Seit dem Barcelona-Rennen gebe es einen Entwicklungsstillstand, weshalb er dringend neue Teile für den F2012 forderte. Sein Wunsch war Befehl. "Wir haben einige interessante Neuerungen, die wir in Spa vorstellen werden", erklärte Technikchef Pat Fry kürzlich gegenüber "Motorsport-Total".

Allerdings sind es nur Kleinigkeiten, die sich am Ferrari geändert haben. Für die Scuderia ist das Heimrennen in Monza wichtiger, für das es ein speziell angepasstes Aerodynamik- und Motorenpaket geben wird. Große Upgrades sind erst für den Singapur-Grand-Prix geplant.

Sofern Alonso seine Form über die Sommerpause konserviert hat, zählt er dennoch zu den Siegkandidaten. Gerade, wenn die Wetterverhältnisse kompliziert werden sollten.

Mercedes: Vor allem für den neuen Ehrenbürger von Spa, Michael Schumacher, soll es an seinem 300. Grand-Prix-Wochenende wieder einen Erfolg geben. "Spa ist wie mein Wohnzimmer, es ist ganz klar die Rennstrecke Nummer eins auf der Welt", sagte der siebenmalige Weltmeister: "Wir müssen das im richtigen Rahmen feiern."

Schumachers Ankündigung lässt jedoch eher auf Zwangsoptimismus schließen. Die große Hoffnung bei Mercedes: Regen. Bleibt es am Rennwochenende trocken, droht abermals ein Kampf gegen Sauber und Co. - auch bei einem guten Abschneiden im Qualifying.

Das Problem der viel zu zügig abbauenden Reifen bleibt bestehen. Der Grund scheint ironischerweise die größte Stärke der Silberpfeile sein: die Stärke des Motors. "Der Verschleiß der Reifen hängt sehr eng mit der Kraftübertragung und dem Durchdrehen der Räder zusammen", erklärte Teamchef Ross Brawn kürzlich. "Das spielt eine große Rolle. Nicht nur die Kurven gehen den Reifen an die Substanz, sondern auch das Bremsen und das Beschleunigen. Das ist eine sehr wichtige Geschichte."

Eine Änderung der Motorcharakteristik ist für Mercedes aber unmöglich. Nach der Debatte um das Mapping von Renault entschied die FIA, dass die Telemetrie-Daten sich nicht grundlegend von denen der ersten vier Rennen unterscheiden dürfen. Für Mercedes-Fans bleibt also nur der Regentanz, wollen sie weiter auf einen Sieg hoffen.

Zeitplan:

Freitag, 10 Uhr: Freies Training

Freitag, 14 Uhr: Freies Training

Samstag, 11 Uhr: Freies Training

Samstag, 14 Uhr: Qualifying

Sonntag, 14 Uhr: Rennen

Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM

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