Glock: "Da fliegen die Fetzen"

Von Interview: Alexander Mey
Timo Glock schied beim letzten Rennen in Malaysia wegen eines Fahrfehlers aus
© xpb

Timo Glock ist in drei Rennen für sein neues Virgin-Team kein einziges Mal ins Ziel gekommen. Die technischen Probleme sind ernst, manchmal sogar ein wenig peinlich. Im SPOX-Interview beschreibt Glock, wie es zu den Fehlern kommen konnte, wie der Dreikampf der neuen Teams abläuft und dass in Meetings auch mal die Fetzen fliegen.

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SPOX: Ihr Auto heißt nach einer Abstimmung unter Fans im Internet nun Virginia. Sie ist aber noch etwas launisch, oder?

Timo Glock: Etwas zickig ist sie noch, würde ich sagen. Aber wird sind dabei, sie zu bändigen, Schritt für Schritt.

SPOX: Sind Sie nach den ersten drei Rennen von den Leistungen Ihrer neuen Freundin positiv oder negativ überrascht?

Glock: Die ersten beiden Rennen sind sicher nicht so verlaufen, wie wir uns das erhofft hatten. Ausfälle sind aber auch nicht ganz unerwartet bei einem neuen Team. In Malaysia waren wir erstmals ganz gut aufgestellt, da habe ich aber leider einen Fehler gemacht.

SPOX: Es geht also voran. Wann kommt der nächste Schritt?

Glock: Wir wollen in Barcelona noch einmal einen Sprung nach vorne machen. Wir werden sehen, wie groß der sein wird. Unser Hauptaugenmerk liegt darauf, das neue Chassis fertig zu bekommen. Generell wird sich beim Abstand auf die etablierten Teams aber nicht viel verändern, weil schließlich jeder neue Teile mit nach Barcelona bringt.

SPOX: Ihr fahrt also weiterhin eine eigene Dreier-WM Virgin gegen Lotus und HRT.

Glock: Das muss man im ersten Jahr ganz klar so sehen. Jeder, der gedacht hat, dass wir gleich um die WM mitfahren, liegt ganz offensichtlich falsch. Wenn das auch nur annähernd so wäre, hätten die anderen Teams einiges falsch gemacht. Für uns wird das ein langer Weg, aber das war mir vorher klar.

SPOX: Achillesferse ist die Zuverlässigkeit. In dem Punkt ist Virgin Lotus und sogar HRT unterlegen.

Glock: Das muss uns in der Tat nachdenklich stimmen. Wir hatten zu Beginn Probleme mit dem Getriebe. Das Gehäuse war unsere eigene Konstruktion und hat uns einige Arbeit gekostet. Dazu kamen wie bei den anderen neuen Teams Hydraulikprobleme.

SPOX: Dennoch: Mit den meisten Testtagen der neuen Teams unzuverlässiger zu sein als HRT ohne jede Testerfahrung, kann nicht zufriedenstellend sein.

Glock: Das ist mit Sicherheit nicht positiv, aber da arbeiten wir daran.

SPOX: Hauen Sie intern auch mal auf den Tisch?

Glock: Klar haue ich auf den Tisch! Brav bleibe ich mit Sicherheit nicht. Da fliegen im Meeting auch einmal die Fetzen. Das ist aber in jedem Team so. Jeder muss Kritik äußern, wenn sie angebracht ist. Letztlich muss aber die Mischung aus Kritik und Motivation stimmen.

SPOX: Vom reinen Speed her wäre schon jetzt viel mehr drin.

Glock: Stimmt. Allein durch unseren Tank müssen wir zum Beispiel im Qualifying mindestens 30 Kilo Sprit mitnehmen. Das kostet sechs Zehntel an Rundenzeit. Außerdem sind wir leider mit der Abstimmung des Autos noch nicht so weit wie geplant. Da kommt aber bald noch mehr.

SPOX: Wie kann es passieren, dass man einen Tank baut, der erstens für die Renndistanz zu klein ist und zweitens noch nicht einmal im Qualifying leer gefahren werden kann?

Glock: Da haben einige Faktoren eine Rolle gespielt, wie beispielsweise die geänderte Benzindichte und der neue Chassis-Chrashtest. Klar haben wir da aber ein paar Fehler gemacht, die nicht passieren dürfen. Doch sie sind leider passiert. Wir haben einige Themen verfehlt, über die wir jetzt aber schon viel gelernt haben. Mit dem neuen Chassis und dem neuen Tank werden wir die Probleme beheben.

SPOX: Wie ist das Verhältnis der drei Neulinge untereinander - Leidensgenossen oder knallharte Konkurrenten?

Glock: Das ist eine gesunde Mischung. Wir respektieren uns alle und wissen, was jeder von uns als Neuling leistet. Aber natürlich kämpfen wir auch gegeneinander, was Spaß macht. Das funktioniert ganz gut. Vor allem mit meinem Ex-Toyota-Kollegen Jarno Trulli stehe ich oft zusammen und tausche Erfahrungen aus.

SPOX: Kommt in solchen Gesprächen auch mal Wehmut auf? Immerhin war Toyota gerade in Malaysia im vergangenen Jahr Siegkandidat.

Glock: Klar schaut man in die Startaufstellung und sagt: "Schau mal, wo wir im letzten Jahr noch gestanden haben." Aber das passiert eher im Spaß. Die Situation ist, wie sie ist, wir können sie nicht ändern. Aber wir haben beide vorher gewusst, worauf wir uns einlassen.

SPOX: Wie krass ist denn der Unterschied im Fahrverhalten eines Top-Autos wie dem 2009er Toyota und dem Virgin?

Glock: Das ist vor allem in langsamen Kurven ein Thema. Dort merkt man, dass mechanischer Grip fehlt. Schnelle Kurven gehen eigentlich ganz gut.

SPOX: Was bedeutet das für Sie als Fahrer?

Glock: Die Gefahr ist groß, über das Limit zu gehen. Dafür muss man erst einmal ein Gefühl entwickeln.

SPOX: Wie groß ist die Kunst, mit der Masse an Überrundungen fertig zu werden?

Glock: Das ist nicht einfach. Gerade auf dem engen Kurs in Melbourne war das eine Herausforderung. Da muss man ständig in den Rückspiegel schauen und braucht einen Renningenieur, der für einen den Überblick behält. Und die Kollegen in den schnellen Autos meckern auch schnell einmal.

SPOX: Wie gefällt Ihnen generell die bisherige Saison?

Glock: Man muss ehrlich sein und sagen, dass die Spannung in den letzten beiden Rennen nur aufgrund der besonderen Witterungsverhältnisse zustande gekommen ist. Wenn schnelle Autos von hinten nach vorne kommen müssen, geht es, aber durch die rasende Entwicklung ist es nach wie vor grundsätzlich schwierig zu überholen.

SPOX: Sie befürchten also weitere Langeweile-Rennen wie in Bahrain?

Glock: Ja.

SPOX: Wie bewerten Sie die Kritik an den Ergebnissen von Michael Schumacher bei seinem Comeback?

Glock: Kritisieren sollte man ihn noch nicht. Nach drei Jahren Pause muss selbst ein Mann wie er sich erst einmal zurückkämpfen. Dazu funktioniert sein Auto noch nicht so, wie er sich das gedacht hatte. Man muss ihm Zeit geben.

SPOX: Sie haben ganz ähnliche Erfahrungen gemacht wie er. 2004 waren sie kurz in der Formel 1, dann kamen sie erst 2008 zurück. Wie rasant ist die Veränderung während so einer langen Pause?

Glock: Das geht in der Tat rasend schnell, und die Autos lassen sich entsprechend anders fahren. Das macht es sehr schwierig, die letzten ein bis zwei Zehntel zu finden.

SPOX: Die Schlussfrage geht an den Hessen Timo Glock. Bekommt die Formel 1 2010 ihren ersten hessischen Weltmeister?

Glock: Das kann gut sein. Die Möglichkeiten sind für Sebastian Vettel besser denn je. Red Bull hat in Malaysia eindrucksvoll gezeigt, wie stark ihr Paket ist. Es sieht gut aus für ihn.

Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM