Schumachers schwärzeste Stunde

Von Alexander Mey
Bezeichnendes Bild: Schumachers Ferrari wird abgeschleppt, während Villeneuve zum Titel fährt
© Getty

16 Jahre lang fuhr Michael Schumacher in der Formel 1, bevor er 2006 seine Karriere beendete. Bis jetzt: Denn am 14. März wird Schumi wieder in der Startaufstellung stehen - 19 Jahre nach seinem Debüt. SPOX zählt die Tage bis zum Comeback und erinnert im Countdown an die bisherigen 16 WM-Jahre des Michael Schumacher. Teil 7: 1997.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Team: Ferrari

WM-Platzierung: Platz 2 nachträglich aberkannt

WM-Punkte: 0 (78 Punkte nachträglich aberkannt)

Jahr zwei des Experiments Ferrari, und - um in einem "Blues Brothers"-Zitat zu sprechen - Michael Schumacher hat "die Band" wieder zusammen. Technikchef Ross Brawn und Chefdesigner Rory Byrne kommen von Benetton zu Ferrari. Mit ihnen hat Schumacher zwei WM-Titel geholt, mit ihnen soll die Wende zu besseren Ferrari-Zeiten geschafft werden.

Von wegen. Anstatt eines glorreichen Jahres wird es das finsterste Kapitel in der Karriere des Michael Schumacher.

Er selbst sagt heute über das verhängnisvolle Saisonfinale in Jerez. "Wenn es eine Sache gäbe in meiner Formel-1-Zeit, die ich ungeschehen machen könnte, würde ich Jerez 1997 wählen."

Villeneuve, Schumacher und Frentzen zeitgleich

Was war passiert? Schumacher kam mit einem Punkt Vorsprung auf Jacques Villeneuve zum Europa-GP in Jerez. Genau wie 1994, als er durch einen Unfall mit Damon Hill den einen Punkt zum WM-Titel verteidigte.

Drei Jahre später deutete sich ein ähnliches Drama an. Denn schon im Qualifying ereignete sich ein einzigartiges Kuriosum. Villeneuve, Schumacher und Villeneuves Williams-Kollege Heinz-Harald Frentzen fuhren auf die Tausendstelsekunde exakt die gleiche Rundenzeit. Der Zeitpunkt, zu dem die Runde gedreht wurde, bestimmte die Startaufstellung. Villeneuve auf Pole vor Schumacher und Frentzen.

Verhängnisvoller Crash in Runde 48

Gleich am Start schnellte Schumacher an die Spitze, Villeneuve fiel kurzfristig sogar hinter Frentzen zurück. Alles lief nach Plan, Schumacher dominierte die erste Rennhälfte und hatte immer um die fünf Sekunden Vorsprung auf Villeneuve.

Doch nach Schumachers zweitem Boxenstopp holte Villeneuve plötzlich rasant auf. Innerhalb weniger Runden war er an Schumacher dran. In Runde 48 dann der Angriff.

Villeneuve setzt sich innen neben Schumacher, der ist offensichtlich überrumpelt und verliert die Beherrschung. Obwohl er das Duell gegen den Kanadier schon verloren hat - der Williams ist in der Rechtskurve innen und hat die Nase schon vor dem Ferrari -, reißt Schumacher das Lenkrad nach rechts und kracht mit dem Vorderrad in den Seitenkasten des Williams. Ein klares Foul, Schumacher rutscht ins Kiesbett und ist draußen.

Aber was ist mit Villeneuve? Er hat großes Glück. Schumacher hat wirklich nur den Seitenkasten getroffen, die Kampfspuren sind deutlich zu erkennen. Aber der Williams hat keinen Schaden genommen. Villeneuve fährt weiter und hat den WM-Titel vor Augen.

Schumacher: "Wieso bin ich jetzt der Idiot?"

Während Villeneuve auf der Zielgeraden dem McLaren-Mercedes-Duo Mika Häkkinen und David Coulthard den Sieg schenkt und sich als Dritter zum Weltmeister krönt, ist Schumacher schon zurück im Fahrerlager und ahnt nichts Böses.

"Ich habe zunächst wirklich gedacht, Jacques Villeneuve sei noch gar nicht vor mir gewesen, und es sei korrekt gewesen, sich zu wehren", sagt Schumacher in seiner Biographie. Er wurde in seiner Meinung sogar noch bestätigt, nachdem die Rennkommissare die Kollision als normalen Rennunfall werteten.

"Erst am Abend bröckelte meine falsche Überzeugung zum ersten Mal", erzählt Schumacher weiter. "Ich kann mich genau daran erinnern, weil ich im ersten Moment aus allen Wolken fiel, als unser Präsident Luca di Montezemolo irgendwann sinngemäß zu mir sagte: Mensch, was hast du da bloß gemacht - und ich dachte: Wie bitte? Wieso bin ich jetzt der Idiot? Erst im Lauf der nächsten Wochen habe ich dann nach und nach erkannt, dass ich im Unrecht war, dass es ein Fehler war."

FIA erkennt Schumacher alle WM-Punkte ab

Zu der Ansicht kam nach der Saison auch der Weltrat der FIA, der Schumacher in einem Sportgerichtsverfahren wegen Unsportlichkeit alle WM-Punkte und damit den Vize-Weltmeistertitel aberkannt hat. Eine rein persönliche Strafe, für Ferrari zählten Schumachers Punkte in der Konstrukteurs-Wertung. Wenigstens dürfen die 1997 eingefahrenen Siege in Schumachers Rekordlisten berücksichtigt werden.

Zum Glück, denn es waren immerhin fünf Rennen, die Schumacher mit dem gegenüber 1996 deutlich verbesserten F310B erzielen konnte. Den ersten in Monaco, durch den er zum ersten Mal in einem Ferrari die WM-Führung übernahm. Es folgten Triumphe in Kanada, Frankreich und - klar, wo sonst - in Spa.

Crash mit Bruder Ralf auf dem Nürburgring

Es sah gut aus mit dem Titelgewinn, bis Schumacher ausgerechnet zu Hause auf dem Nürburgring und ausgerechnet bei einer Startkollision mit dem eigenen Bruder Ralf ausschied und Villeneuve gewann. Mit neun Punkten Rückstand ging es nach Suzuka, wo Schumacher dank der Unterstützung seines Japan-erfahrenen Teamkollegen Eddie Irvine gewann.

Villeneuve missachtete mehrfach Gelbe Flaggen und wurde disqualifiziert. Dagegen legte Williams zwar Einspruch ein, doch der Kanadier reiste ohne Punkte aus Suzuka ab. Immerhin wurde er nicht für Jerez gesperrt. Auch dieses Horror-Szenario drohte kurzfristig.

Villeneuve wird Weltmeister - Silberpfeile feiern Wiedergeburt

Es kam anders, und Jacques Villeneuve holte seinen ersten und einzigen WM-Titel. Schumachers Ruf war nach 1994 zum zweiten Mal stark ramponiert, die Liebe der Ferraristi zu ihrem Michele erneut auf eine harte Probe gestellt.

Im Jahr darauf sollte Schumi wieder bis zum letzten Rennen um den ersten WM-Titel für Ferrari seit Jody Scheckter 1979 kämpfen. Diesmal aber nicht gegen Dauerrivale Williams, sondern gegen eine neue Macht in der Formel 1: die Silberpfeile von McLaren-Mercedes.

Wie die erste Runde in diesem Duell ausging, erfahren Sie im nächsten Teil unserer Serie: 1998.

Teil 6: 1996 - Bloß raus aus der roten Gurke!

Teil 5: 1995 - Vom Intimfeind abgeschossen

Teil 4: 1994 - Ein Jahr Hölle mit Happy End

Teil 3: 1993 - Von Senna vorgeführt

Teil 2: 1992 - Beinahe-Schlägerei mit Senna

Teil 1: 1991 - Das Debüt-Jahr