"Unsinn" oder "alles richtig gemacht"?

Von Alexander Mey
2010 wird der Brawn-Mercedes so ähnlich aussehen. Es gibt wieder einen waschechten Silberpfeil
© mercedes

Ganz Deutschland hat Hurra geschrien, als Mercedes das Brawn-Team übernommen und dadurch den Weg für ein deutsches Formel-1-Team Mercedes GP freigemacht hat. SPOX hat Experten nach ihrer Meinung gefragt und dabei nicht nur Positives gehört. Es gibt genug Stoff, um das Für und Wider des Mercedes-Deals gegenüberzustellen.

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Ist die Übernahme von Brawn GP durch Mercedes nun ein Segen - oder vielleicht doch ein Fluch? Darüber, dass Mercedes GP mit einem deutschen Fahrer der Fomel 1 sportlich gut tun wird, gibt es keine zwei Meinungen.

Aber was ist mit dem finanziellen Aspekt? Sollte ein Konzern, der in seiner Fabrik Kurzarbeit eingeführt hat, mehr als 100 Millionen Euro für ein Formel-1-Team ausgeben? Passt so etwas angesichts der Ausstiege anderer Konzerne überhaupt noch in die Zeit?

Die Kommentare der mySPOX-User waren durchweg positiv. Sie halten den Mercedes-Deal für eine gute Entscheidung. Viele Experten sehen das genauso, aber es gibt auch Kritik. SPOX stellt alle Meinungen gegenüber.

Contra Mercedes-Deal:

Mercedes-Betriebsratschef Erich Klemm: "Der Ausstieg bei McLaren wäre für Mercedes eine Chance gewesen, den insgesamt kostspieligen und in seiner Wirkung umstrittenen Formel-1-Zirkus zu verlassen. Wir haben kein Verständnis dafür, dass der Vorstand mit dem Ausstieg gleich wieder ein neues Formel-1-Abenteuer beginnt. In den Fabriken wird derzeit jeder Cent dreimal umgedreht. Die Beschäftigten nehmen in der Krise aufgrund von Arbeitszeitverkürzung und Kurzarbeit erhebliche Einkommensverluste hin."

Formel-1-Experte Hans-Joachim Stuck zu SPOX: "Aus der Sicht eines Herstellers macht es momentan keinen Sinn, ein ganzes Team zu übernehmen. Es würde reichen, einen Motor zu entwickeln und den an alle möglichen Teams zu verkaufen. Warum tut sich Mercedes diesen Stress an? Wenn Ross Brawn plötzlich vom Fliegenfischen nicht mehr zurückkommt, ist der Erfolg beim Teufel. Aus meiner Sicht ist die Zeit der großen Hersteller in der Formel 1 vorbei. Ich würde mir das als Konzern nicht antun."

Pro Mercedes-Deal:

Mercedes-Vorstand Dieter Zetsche: "Wir werden die Formel-1-Ausgaben des Unternehmens bis Ende 2011 auf jährlich unter 60 Millionen Euro drücken. Das ist rund ein Viertel unseres Formel-1-Budgets früherer Jahre. Sportliche Erfolge in der Formel 1 sind wichtig für das Geschäft, weil es keine globalere automobilsportliche Bühne gibt. Wir werden in Zukunft eine höhere Aufmerksamkeit für unsere Marke zu einem deutlich geringeren Kostenaufwand erzielen. Das ist durch höhere Einnahmen aus den Vermarktungsrechten und das vereinbarte Budgetlimit möglich."

SKY-Experte Marc Surer zu SPOX: "Mercedes hat erkannt, dass die Formel 1 billiger wird. Von daher macht es Sinn, in der Formel 1 mehr zu machen. Umso irrwitziger ist ja das Verhalten der anderen Hersteller, jetzt, da die Formel 1 endlich billiger wird, auszusteigen. Mercedes möchte endlich auf dem gleichen Level fahren wie Ferrari. Sie wollen lieber als Mercedes gegen Ferrari fahren und nicht als McLaren oder Brawn. Ich denke, sie haben einen guten und im Vergleich zu McLaren kostengünstigen Deal. Mit einem Ross Brawn an Bord ist der Erfolg eigentlich garantiert."

SKY-Experte Jacques Schulz zu SPOX: "Haug und Co. haben alles richtig gemacht. Das ist eine Win-win-Situation für alle Beteiligten - für Mercedes, McLaren, die Formel 1 und die Fans. Das könnte im Hinblick auf die nächsten Jahre eine Trendwende bedeuten. Mercedes setzt ein klares Zeichen gegen das Aussterben der Hersteller in der Formel 1. Das sollte auch ein Zeichen für Renault sein, sich endlich zur Formel 1 zu bekennen."

Das meint SPOX:

Ganz klar: Pro Mercedes-Deal! Zum einen natürlich aus sportlicher Sicht, denn was kann sich ein deutscher Fan mehr wünschen als ein deutsches Team mit einem deutschen Fahrer im Titelkampf? Darauf hat man sich während der gesamten Schumi-Ära vergeblich gefreut.

Ein Rosberg im Mercedes fährt gegen einen Alonso im Ferrari, einen Vettel im Red Bull und ein Duo Hamilton/Button im McLaren um Siege. Diese Konstellation wird auch und gerade in den Medien für einen neuen Boom sorgen. Umso mehr, wenn auch das zweite Mercedes-Cockpit noch an einen Deutschen - möglicherweise Nick Heidfeld - gehen sollte.

Zudem ist das wirtschaftliche Risiko für Mercedes überschaubar. Sie bekommen wirklich nur dann ein Problem, wenn das Team sportlich aus unerfindlichen Gründen abstürzen sollte und so die Erfolge ausbleiben. Keine Siege, keine Werbewirkung. An dieser einfachen Rechnung sind Honda, Toyota und wohl auch BMW gescheitert.

Damit ist bei der Kombination Mercedes/Ross Brawn kaum zu rechnen. Die Investitionen von geschätzten gut 120 Millionen Euro für den Kauf von Brawn GP könnten sich allein durch die Werbewirkung schon amortisieren. Denn ohne Formel 1 müsste Mercedes auf andere, ebenfalls kostspielige Werbeformen zurückgreifen.

Hinzu kommt für Mercedes aber, dass man an andere Teams Motoren verkauft und somit Geld einnimmt. Kauft McLaren dann noch seine 40 Prozent Anteile am Team von Mercedes zurück, dann könnten die Kosten sogar schon gedeckt sein.

Und das alles mit Blick auf die rasch voranschreitende Kostenreduzierung in der Formel 1. Jeder, der effizient arbeiten kann, wird in Zukunft belohnt. Dass Brawn das kann, ist in der abgelaufenen Saison wohl jedem klar geworden. Dass auch Mercedes dazu in der Lage ist, hat der Erfolg mit dem Hybridantrieb KERS bewiesen.

Es gibt also kaum Gründe, warum die Formel 1 an Mercedes GP nicht viel Spaß haben sollte - und umgekehrt.

Mercedes-Deal: Team Germany mit Rosberg am Steuer