Frauen, Knast und harte Bandagen

Von Alexander Mey
Flavio Briatore in Begleitung von Ehefrau Elisabetta Gregoraci (l.) und Tamara Ecclestone (r.)
© Getty

Flavio Briatore ist weg. Die Formel 1 ist nach dem Renault-Skandal aber nicht nur eine streitbare Persönlichkeit los, die es mit dem Fairplay alles andere als genau genommen hat. Sie verliert auch eine schillernde Figur mit einer turbulenten und Vita.

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Was war Flavio Briatore eigentlich für ein Mensch? Klingt wie ein Nachruf auf jemanden, dessen Leben beendet ist. Ist es aber nicht - vor allem nicht im Fall von Briatore.

Denn auch wenn seine Formel-1-Karriere seit vergangenem Mittwoch zumindest vorerst beendet ist, in seinem Leben wird es turbulent weitergehen. Zeit für einen Nachruf ist es wirklich erst, wenn er irgendwann einmal gestorben ist.

"Ich wusste immer, dass ich völlig verschiedene Dinge tun würde", sagte Briatore einmal. "Und Formel-1-Manager ist sicher nicht mein letzter Job."

Briatore und die Frauen

Familienvater vielleicht, schließlich soll seine Ehefrau Elisabetta Gregoraci von ihm schwanger sein. Aber nur Familienvater, das ist nichts für einen Lebemann wie Briatore.

Familienvater hätte er schließlich auch schon für sein Kind mit Heidi Klum sein können, doch das sieht er nach eigener Aussage nie. Tatsächlich hat er nicht einmal offiziell bestätigt, der Vater zu sein.

Im Selbstverständnis eines Flavio Briatore gibt es wenig Platz für Gefühlsduselei. Frauen nutzte er lange Zeit nur als hübsche Staffage. In die Liste seiner tatsächlichen oder angeblichen Freundinnen reihen sich Top-Models wie Naomi Campbell, Heidi Klum, Eva Herzigowa und Elle McPherson ein. Unterwäsche-Model Gregoraci ist dagegen ein kleines Licht - aber immerhin hat sie es geschafft, Briatore vor den Traualtar zu zerren.

Erster Chef stirbt bei Bombenexplosion

An erster Stelle steht bei Briatore aber immer das Geschäft. "Im Leben kannst du alles kaufen und verkaufen. Es ist nur eine Frage des Preises." Auch das hat Briatore einmal gesagt.

Seit seinem ersten Job als Skilehrer ist der 59-Jährige ein Arbeitstier. Wenig später kamen Attribute wie knallharter und dubioser Geschäftsmann dazu.

Der Hauch des Dubiosen umwehte Briatore schon früh. Sein erster Chef, ein Bauunternehmer aus seiner Heimat, starb bei einer Bombenexplosion. Briatore übernahm daraufhin einige seiner Geschäfte. Viele Jahre später explodierte vor seinem eigenen Haus in London ebenfalls eine Bombe.

Briatore flüchtet vor Gefängnisstrafe

In den 70er Jahren arbeitete Briatore an der Mailänder Börse. Dort lernte er Luciano Benetton kennen, für dessen Modelabel er wenig später das Geschäft in Amerika leitete. Beide wurden Freunde - der Grundstein für Briatores späteren Einstieg in die Formel 1.

Vorher flüchtete der Italiener aber noch vor einer Gefängnisstrafe. Mitte der 80er Jahre wurde Briatore zu viereinhalb Jahren Knast verurteilt, weil er der so genannten "Gruppo di Milano", einer Bande, die beim Pokerspiel organisiert betrogen hat, reiche Opfer zugeschleust hat.

Briatore entging der verhängten Haftstrafe, weil er sich auf die Virgin Islands absetzte. Von dort kam er nach zwei Jahren wieder zurück, weil man ihm in Italien Straffreiheit zusicherte.

Benetton holt Briatore in die Formel 1

Zur Formel 1 kam Briatore wie die Jungfrau zum Kind. Völlig ahnungslos bekam er von seinem Freund Luciano Benetton 1989 die Verantwortung für dessen Team übertragen. Vor diesem Tag hatte Briatore ein einziges Formel-1-Rennen live gesehen.

"Wer 600 Modegeschäfte eröffnet hat, kann auch ein Formel-1-Team führen", soll Benetton seine Entscheidung begründet haben.

Näschen für gute Fahrer

Auch wenn ihm nicht zuletzt durch die Vorwürfe von Nelson Piquet Jr. immer wieder der Ruf anhaftete, von der Formel 1 nicht allzu viel Ahnung zu haben, kann man ihm einen Riecher für erfolgreiche Fahrer nicht absprechen.

Das Näschen eines Selfmade-Millionärs hat Briatore immerhin zur Verpflichtung von Michael Schumacher 1991 und von Fernando Alonso einige Jahre später verholfen. "Als ich ihn 1998 traf und ihm in die Augen sah, habe ich sofort gewusst: Der ist etwas ganz Besonderes", sagte Briatore. "Ich hatte wieder genau vor Augen, wie es damals mit Schumacher war, und hatte das Gefühl, genau im gleichen Film zu sein."

Üble Nachrede, nach der Briatore mit seinen Volltreffern unter den Fahrern einfach nur Glück und gute Berater hatte, ließ der Italiener nicht gelten: "Das stimmt nicht. Ich arbeite wirklich hart dafür."

Briatore ist knallhart zu seinen Fahrern

Der Rest der sportlichen Erfolgsgeschichte des Flavio Briatore ist bekannt. Zweimal Weltmeister mit Schumacher, zweimal Weltmeister mit Alonso.

Dabei soll Briatore seinen Fahrern gegenüber immer ein verdammt harter Hund gewesen sein. Ex-Fahrer wie Gerhard Berger und sogar Schumi haben in ihren Biografien bestätigt, dass es kein Spaß war, mit ihm zu arbeiten. "Wenn er verliert, ist es nicht mehr so lustig und er kann ziemlich aufbrausend sein", schrieb Schumacher.

Wenn selbst gestandene Piloten wie Schumi und Berger so etwas sagen, ist es kaum ein Wunder, dass ein junger, vielleicht etwas labiler Charakter wie der von Piquet Jr. an Briatore zerbrochen ist.

Piquet Jr. rächt sich am Scharfrichter

Aber er hat sich gerächt und die Formel-1-Karriere seines "Scharfrichters", wie er seinen Ex-Teamchef und Manager selbst genannt hat, zerstört. Briatore muss gehen. Das allein wäre für ihn vielleicht noch nicht einmal so schlimm, aber dass er unehrenhaft gehen muss, das wird ihm gar nicht schmecken.

"Renault ist mein letztes Team, danach ist Schluss. Ich will das Team in einem guten Zustand übergeben", hat Briatore vor einigen Jahren gesagt. Genau das wird er nun nicht schaffen.

Briatore wird sicher nicht langweilig

Daran wird Briatore zu knabbern haben, aber er wird es überleben. Schließlich hat er sich nach seiner überstandenen Krebs-Erkrankung 2006 geschworen, das Leben mehr zu genießen.

Dazu hat er eine ganze Menge Möglichkeiten: Seine Frau Elisabetta, sein Kind, seine Yacht, sein Anwesen in Kenia, seinen Nachklub "Billionaire's Club" auf Sardinien, sein extravagantes Modelabel "Billionaire Couture" - Briatore wird auch als Ü-60-Rentner ganz sicher nicht langweilig werden.

Pressestimmen: "Briatore fällt Giftwelle und Racheakten zum Opfer"