"Ich bezahle einen hohen Preis"

Von Alexander Mey
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© Getty

Stuttgart - 60.000 Menschen waren nach Stuttgart gekommen, um ihn zu sehen: Lewis Hamilton. Beim traditionellen Fanfest von Mercedes zum Saisonabschluss drehte sich alles um den Aufsteiger des Jahres.

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Äußerlich geht der 22-Jährige mit dem Rummel um seine Person und der knapp verpassten Weltmeisterschaft sehr gelassen um, aber wie sieht es zwei Wochen nach dem Debakel von Brasilien in ihm aus?

SPOX.com hat Hamilton in Stuttgart getroffen und einen Mann kennen gelernt, der trotz seiner Jugend eine sehr reife Einstellung zu seinem kometenhaften Aufstieg besitzt.

"Ich hatte ein großartiges Jahr. Hier bei 'Stars & Cars' herumzulaufen, ist total merkwürdig", sagte Hamilton im Rahmen eine Pressegesprächs. "Als ich zum ersten Mal hier war, war ich noch ein Kind. Auch im letzten Jahr wusste noch niemand, wer ich überhaupt bin. Für mich ist es ein Segen, dass ich diese Chance bekommen habe. Und ich habe sie nicht ungenutzt gelassen."

Kein Gram nach der verpassten WM

Mit fehlendem Selbstbewusstsein hat Hamilton keine Probleme. Aber auch nicht damit, mit einer Niederlage wie der in Brasilien fertig zu werden.

"Ich war nach der Pleite in Brasilien richtig stinkig. Doch Lewis kam zu mir ins Hotelzimmer und fragte: 'Was ist mit dir los? Ja, ich bin um einen Punkt am Titel gescheitert, das ist Mist. Aber die Saison ist jetzt vorbei.' Das sagt einiges über ihn aus", beschrieb Mercedes-Sportchef Norbert Haug Hamiltons Reaktion.

Nachträglicher Titelgewinn unerwünscht

An der hat sich auch durch die am 15. November bevorstehende Berufungsverhandlung in der Benzin-Affäre von Sao Paulo, durch die Hamilton nachträglich doch noch Weltmeister werden könnte, nichts geändert.

"Meine Saison ist vorüber, ich weiß noch nicht einmal, wann die Verhandlung des Einspruchs ist", sagte Hamilton. " Ich habe in diesem Jahr den Titel nicht gewonnen, Punkt. Ich werde eines Tages Weltmeister sein. Aber dann bitte im letzten oder vorletzten Rennen und nicht nach der Saison. Den Titel so zu bekommen, wäre merkwürdig."

"Ich könnte mich einschließen"

Selbstbewusst und gleichzeitig bescheiden. Nicht von ungefähr galt der Vizeweltmeister die gesamte Saison über als Everybody's Darling.

Jeder will ein Foto mit ihm machen, jeder will ein Autogramm, jeder winkt ihm zu, wenn er ihn sieht. Besonders natürlich in seiner Heimat England, in der sich Hamilton nicht mehr frei bewegen kann.

"Ich könnte mich im meinem Haus einschließen", leitete Hamilton das für ihn sehr ernste Thema noch etwas scherzhaft ein. Doch dann redete er Tacheles: "Leicht ist es nicht. Ich versuche ständig, mein Gesicht zu verbergen, trage einen Hut und so etwas. Daran kann man sich nicht gewöhnen. Ich bezahle einen hohen Preis für meinen Erfolg, aber dieses Opfer war ich bereit zu bringen."

Hamilton genießt jede Sekunde Privatleben

Die Zeit, in der Lewis Hamilton wieder der junge Mann von vor einem Jahr sein kann, von dem niemand etwas will, ist sehr knapp. Aber es gibt sie noch. Und zwar jetzt.

"Momentan tue ich ganz normale Sachen. Ich schalte völlig ab und rede mit meiner Familie überhaupt nicht über den Rennsport", erklärte Hamilton. "Endlich habe ich einmal etwas Zeit, mein Leben zu ordnen und einfach ich selbst zu sein."

Ein Umzug in die Schweiz soll ihm dabei helfen, auch in Zukunft zumindest einen Tick Privatsphäre zu wahren. Denn sollte er sich im kommenden Jahr seinen Traum vom WM-Titel erfüllen, dann würde es in England wahrscheinlich noch nicht einmal etwas bringen, sich zu Hause einzuschließen.

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