"Wir hatten bei der Heim-WM mehr Druck"

Von Interview: Alexander Mey
Christoph Ullmann hat mit dem DEB-Team in der WM-Vorrunde alle drei Spiele gewonnen
© Getty

Christoph Ullmann hat im DEB-Team viel erlebt. Er ist bei Weltmeisterschaften sogar schon sportlich abgestiegen. Seit der Heim-WM 2010 reitet er aber auf der Welle des Erfolgs mit. Vor dem Beginn der Zwischenrunde beschreibt Ullmann im SPOX-Interview die Stimmung im Team nach dem historischen Gruppensieg, die Aussichten gegen Tschechien und Finnland sowie die Gründe für den Höhenflug des deutschen Eishockeys.

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SPOX: Wie nutzen Sie die freien Tage? Haben Sie den Gruppensieg gefeiert?

Christoph Ullmann: Der Friseur hier im Haus ist ganz heiß begehrt. Ich selbst habe ihn noch nicht ausprobiert, aber einige Jungs sagen, dass er gute Arbeit leistet. Vielleicht schaue ich auch noch vorbei. (lacht) Ansonsten haben wir nach dem letzten Gruppenspiel natürlich ein Bier zusammen getrunken. Schließlich hat es so einen Erfolg seit Ewigkeiten nicht mehr gegeben. Das darf man dann schon mal genießen.

Zwischenrunde: GER - FIN am Freitag ab 16 Uhr im LIVE-TICKER

SPOX: Mit sechs Punkten in der Zwischenrunde ist das Viertelfinale zum Greifen nah.

Ullmann: Ja. Aber die Jungs, die jetzt kommen, werden uns bestimmt nicht mehr unterschätzen. Sie werden sehr gut vorbereitet sein, und dass die Jungs alle Hockey spielen können, gerade die Tschechen und die Finnen, versteht sich von selbst. Alle drei Gegner werden richtig harte Brocken.

SPOX: Sie waren auch schon 2010 bei der erfolgreichen Heim-WM dabei. Was läuft in diesem Jahr genauso?

Ullmann: Der Spirit, den wir in der Truppe haben, ist genau der gleiche. Das hat sich schon durch die Vorbereitung hindurch gezogen. Hier kämpft jeder für jeden, die Stimmung ist super.

SPOX: Und was ist anders als 2010?

Ullmann: Wir hatten im vergangenen Jahr mit dem Spiel auf Schalke und der Aufmerksamkeit mehr Druck. Die Euphorie war riesig und es war viel mehr Presse vor Ort als hier. Die Slowakei ist ein Eishockey-Land, in dem sich fast alles auf die eigene Mannschaft konzentriert. Wir haben zwar für eine Überraschung gesorgt, aber der mediale Druck lastet trotzdem nicht auf uns. Das schadet uns offensichtlich nicht.

SPOX: Glauben Sie, dass sich Ihre Gegner darauf verlassen haben, dass der vierte Platz von 2010 nur ein Ausrutscher war?

Ullmann: Ich kann nicht einschätzen, ob sie uns unterschätzt haben oder wie sie sich auf uns eingestellt haben. Ich kann nur sagen, dass wir uns sehr gut auf all unsere Gegner eingestellt haben. Dementsprechend verdient haben wir auch gewonnen.

SPOX: Wie genau läuft diese Einstellung auf die Gegner ab?

Ullmann: Wir schauen uns die Gegner intensiv im Video an und analysieren ihre Spielkonzepte. Dazu üben wir im Training so lange unsere Systeme, bis wir sie alle aus dem Effeff beherrschen. Das ist nötig, da im Verein jeder eine andere Rolle spielt. Hier muss jeder genau wissen, was der Nebenmann macht. Dass uns das so gut gelingt, ist der Schlüssel zum Erfolg.

SPOX: Die Systeme werden vom Trainerteam aber schon seit einigen Jahren gespielt. Trotzdem gab es auch Weltmeisterschaften wie 2009, als das DEB-Team, zu dem auch Sie damals gehört haben, sportlich abgestiegen ist und nur erstklassig blieb, weil 2010 die WM im eigenen Land stattfand. Warum läuft es jetzt so viel besser?

Ullmann: Wir haben schon damals gute Spiele gemacht, konnten aber nicht die nötigen Ergebnisse einfahren. Jetzt haben wir den Biss und manchmal auch das Glück, dass wir die Spiele am Ende auch gewinnen. Jeder einzelne Spieler hat seit damals Erfahrungen gesammelt und sich persönlich weiterentwickelt. Das wirft jetzt jeder in die Waagschale. Spielerisch sind in den letzten Jahren Automatismen entstanden. Dazu haben die Jungs, die hier dabei sind, eine gute Saison im Verein gespielt und haben in Verbindung mit den Erfahrungen der Heim-WM 2010 entsprechend viel Selbstvertrauen. Wir kennen uns alle seit Jahren und verstehen uns ausgezeichnet.

SPOX: Sie vermissen NHL-Spieler wie Christian Ehrhoff oder Dennis Seidenberg also gar nicht?

Ullmann: Nun ja. Wir haben im letzten Jahr schon gesehen, dass ein Christian Ehrhoff, wenn er kommt, sofort ein Schlüsselspieler ist. Er und auch Dennis Seidenberg würden uns auf jeden Fall weiter bringen, doch man kann mit ihnen eben nicht planen. Ich glaube aber, dass wir auch mit den Jungs, die hier in der Kabine sitzen, sehr gutes Eishockey spielen können.

SPOX: Glauben Sie, dass dieser Erfolg der letzten beiden Jahre von Dauer sein kann und die Angst vor der Abstiegsrunde passe ist?

Ullmann: Nein. Wir haben zwar durch den vierten Platz 2010 und auch jetzt durch das Erreichen der Zwischenrunde viele Punkte für die Weltrangliste gesammelt und entsprechend bessere Auslosungen für die Vorrunden, aber wir fangen trotzdem jedes Jahr wieder bei Null an. Wir werden 2012 wieder in einer Gruppe mit zwei starken Teams und einem Gegner sein, den wir schlagen müssen. Und wie man bei dieser WM gesehen hat, schlafen diese Gegner wie Slowenien auch nicht. Sie lernen jedes Jahr dazu und machen ihre Hausaufgaben. Wir dürfen also auch in Zukunft niemanden unterschätzen und müssen realistisch bleiben. Das Ziel kann immer wieder nur sein, die Zwischenrunde zu erreichen.

SPOX: Stimmt der Eindruck, dass bei Weltmeisterschaften die Kluft zwischen den großen Nationen und den vermeintlich kleineren schrumpft?

Ullmann: Es ist nun einmal so, dass den großen Teams oft ihre NHL-Stars fehlen oder sie zumindest nicht mit ihnen planen können. Wir merken das ja selbst, auch wenn wir nur eine Handvoll NHL-Spieler haben. Das ist ein Problem. Wenn wie bei Olympia alle NHL-Stars dabei sind, sieht man, dass die großen Nationen die Sache nach wie vor unter sich ausmachen.

SPOX: Bei den Slowaken läuft es bei ihrer Heim-WM trotzdem nicht, obwohl sie alle NHL-Stars an Bord haben.

Ullmann: Die darf man aber auch noch nicht abschreiben. Sie gehen zwar mit null Punkten in die Zwischenrunde, aber sie haben dennoch das Potenzial, weit zu kommen. Wir haben das in unserem Spiel gegen sie gesehen. Sobald sie mal ein Tor schießen, brennt die Halle. Die Fans drehen total am Rad. Wenn die Slowaken also einmal ins Rollen kommen, kann das noch ganz groß werden.

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