Admira-Spielmacher Alexander Merkel im Interview: "Ich musste einige Hürden meistern"

Alexander Merkel erzählt bei SPOX seine Geschichte
© SPOX/GEPA

Alexander Merkel ist 26 Jahre alt. Aber die letzten zehn Jahre müssen sich wie zwei oder gar drei Profikarrieren angefühlt haben. Mit 16 wechselte der Deutsch-Kasache von der Jugend des VfB Stuttgart in die Primavera des AC Milan. Dem Spielmachertalent wurde eine große Zukunft vorausgesagt, die FAZ feierte den "blondesten Milan-Spieler seit Schnellinger".

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13 Mal durfte Merkel in Champions League, Meisterschaft und Cup das Trikot der Mailänder überstreifen, neben den großen Namen die der Weltfußball zu bieten hat. Was dann folgte: Eine Odyssee quer durch den italienischen Fußball. Die Begleitmusik: Verletzungen, unfreiwillige Transfers, undurchsichtige Verträge, sture Präsidenten. Im Interview mit SPOX erzählt der Neo-Admira-Wacker-Regisseur seine Geschichte.

SPOX: Ihr Wechsel zur Admira kam relativ überraschend. Für Sie auch?

Alexander Merkel: Auf jeden Fall! Der Transfer ging ja erst nach dem 31. Jänner über die Bühne und ich musste schnell eine Entscheidung treffen. Die Situation in Bochum war am Ende nicht optimal für mich, ich stand zuletzt nicht einmal im Kader. Ich will wieder Spaß am Fußball finden und bei der Admira habe ich die Möglichkeit, mich zu beweisen.

SPOX: Sie haben Spaß angesprochen. Haben Sie noch Spaß am Fußball?

Merkel: Ich spiele Fußball, weil ich Fußball liebe. Und wenn ich dann unter der Woche nur trainieren darf und am Wochenende zuschaue, macht es mich traurig. Wenn ich keine Lust auf Fußball hätte, würde ich aufhören. Aber ich bin noch jung, will spielen und habe eine große Liebe zu meinem Beruf. Ich sehe es als Privileg, Fußballspielen zu dürfen. Davon träumen viele Menschen, viele Kinder.

Alexander Merkels Stationen

SaisonDatumAbgebender VereinNeuer VereinLeihe/Transfer
17/185.2.2018VfL BochumAdmira WackerTransfer
16/1715.08.2016AC PisaVfL BochumTransfer
16/1721.07.2016Udinese CalcioAC PisaLeihe
14/1530.06.2015Grasshoppers ZürichUdinese CalcioLeih-Ende
14/1515.07.2014Udinese CalcioGrasshoppers ZürichLeihe
13/1430.06.2014WatfordUdinese CalcioLeih-Ende
13/1401.01.2014Udinese CalcioWatfordLeihe
12/1304.01.2013FC GenuaUdinese CalcioTransfer
11/1230.06.2012AC MilanFC GenuaLeih-Ende
11/1217.01.2012FC GenuaAC MilanLeihe
11/1201.07.2011AC MilanFC GenuaTransfer
10/1101.01.2011AC Milan U19AC Milan Profis
09/1001.07.2009AC Milan U17AC Milan U19
08/0926.08.2008VfB Stuttgart JugendAC Milan U17Transfer

SPOX: Warum haben Sie in Bochum keine Rolle mehr gespielt?

Merkel: Durch meinen Kreuzbandriss habe ich bei Udinese eine ganze Saison verloren. Dann ging ich nach Bochum und habe mich auch in die Mannschaft gekämpft, aber auf ungewohnter Position im rechten Mittelfeld gespielt. Das habe ich im Leben zwar noch nie gemacht, aber natürlich akzeptiert. Nach meiner Verletzung im Vorjahr wollte ich unbedingt wieder auf dem Platz stehen. Am Anfang der Saison habe ich noch Einsätze bekommen, aber der neue Trainer hat mir dann mitgeteilt, dass ich keine mehr Rolle spielen werde. Ab da war ich nicht mehr im Kader.

SPOX: Warum hat sich Ihr Wechsel dann erst so spät ergeben?

Merkel: Einfach so zu wechseln, hätte für mich auch keinen Sinn gemacht. Ich musste eine klare Perspektive sehen. Zudem habe ich mich in Bochum auch wohl gefühlt. Dann kam mit der Admira aber eine gute Gelegenheit, wieder Fuß zu fassen und in Ruhe Fußball spielen zu können.

SPOX: Der Hype um Sie war vor vielen Jahren riesig. Hätten Sie retrospektiv betrachtet lieber gediegener und ruhiger Ihre Karriere gestartet?

Merkel: Das Leben läuft nicht immer wie geplant. Im Laufe der Jahre musste ich einige Hürden meistern, aber ich bereue auch nichts. Ich denke, dass ich stärker geworden bin. Es geht immer weiter und das versuche ich auch jüngeren Spielern zu vermitteln. Ich bin jetzt 26 Jahre alt geworden. Momente, in denen man denkt, es geht nicht mehr schlimmer, helfen auch dabei, die positiven Dinge besser zu erkennen und zu schätzen.

SPOX: Würden Sie den Wechsel von der Stuttgarter Jugend nach Mailand (2008) wieder so tätigen?

Merkel: Ja, auf jeden Fall. Das war eine tolle Erfahrung. Ich durfte mit 16 Jahren eine neue Kultur erleben, eine neue Sprache lernen, viele schöne Städte sehen. Als Fußballer hat man das Privileg, immer gut aufgenommen zu werden. Viele Menschen können sich Reisen nicht leisten. Ich habe viele Erfahrungen gesammelt, die mich mein Leben lang prägen werden.

SPOX: Eine kleine Auswahl: Sie sind in Pflichtspielen mit Ibrahimovic, Seedorf, Thiago Silva, Gattuso, Nesta, Ronaldinho, Robinho, Pirlo und Inzaghi auf dem Platz gestanden. Das klingt unbezahlbar.

Merkel: Ja, ich habe meinen Traum gelebt. Aber ich genieße es auch, mit den jungen Kickern bei der Admira in der Kabine zu sein. Ich konnte mir von den Weltstars einige Dinge abschauen, aber in erster Linie geht es um die Person und Respekt.

SPOX: Hatten die Weltstars Respekt?

Merkel: Eines muss ich sagen: Jeder von ihnen war bereit, den Jungen zu helfen. Alle waren sehr geerdet. Da ich gut aufgenommen wurde, hatte ich nie Berührungsängste.

SPOX: Wie war die Teamchemie? Das klingt nach einem Haufen großer Egos.

Merkel: Ja klar, jeder hat in der Kabine seine eigene Persönlichkeit. Damals sind wir Meister geworden und jeder hat charakterlich seinen Teil dazu beigetragen.

SPOX: Wer war der Beste?

Merkel: Der Beste? Ha! Schwer zu sagen. Jeder war auf seine eigene Art und Weise super. Ronaldinho am Ball - das war schon Magie. Pirlos Übersicht war unglaublich, dasselbe kann man über Seedorf sagen. Gattuso hat selbst in jedem Training immer Vollgas ohne Ende gegeben. Und dann Ibrahimovic - der ist schon gigantisch.

SPOX: Ist Antonio Cassano eigentlich wirklich so verrückt, wie er immer dargestellt wird?

Merkel: Antonio ist wirklich ein super, warmherziger Typ. Ich habe auch ein paar Geschichten gelesen und kann die nicht immer ganz glauben. Klar, er hat schon sehr oft Witze gerissen, aber das hat auch der Mannschaft oft geholfen sich zu entspannen. Zudem ist er wahnsinnig temperamentvoll. Von den großen Namen hat es jeder gehasst, auch nur ein Trainingsspiel zu verlieren.

SPOX: Sie wurden damals von Massimiliano Allegri gecoacht. Heute einer der Top-Trainer im Weltfußball.

Merkel: Ihm habe ich alles zu verdanken. Er hat mich in den Profibereich geholt, mir trotz so vieler Topstars eine Chance gegeben. Hut ab, dafür braucht es Mut. Er hat immer Ruhe ausgestrahlt und zu mir gesagt: "Mach, was du gut kannst. Und mach dir nicht zu viele Gedanken." Im Spiel ist er oft sehr temperamentvoll, aber im Training ein Kumpel-Typ, der wusste, wann und wo er aufdrehen muss. Dass er in den letzten drei Jahren zwei Mal im Champions-League-Finale war, ist kein Zufall.

SPOX: Manche Milan-Fans halten ihm noch immer vor, dass er Pirlo für Van Bommel absägte.

Merkel: Ich kann mich an diese Zeit noch gut erinnern. Andrea war zu dieser Zeit schon sehr oft verletzt und für ihn war es dann schwer reinzukommen. Das war schon traurig, weil Andrea ein hervorragender Fußballer war. Was im Detail vorgefallen ist, kann ich nicht beurteilen. Andrea ist wirklich ein supercooler, entspannter Typ, der so etwas wie Druck nicht kennt.

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