Schräges Leben: Fußfessel und Mini-Gehalt

Von Jakob Reisinger
Jamie Vardy: Der Leicester-Angreifer hat schon einiges erlebt
© GEPA

Jamie Vardy ist im Moment der wohl meist bejubelte Stürmer in der Premier League. Dabei hat es für den Leicester-Angreifer lange nach einem Leben ohne Profi-Kick ausgesehen.

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Stürmer Jamie Vardy ist in der Premier League der Mann der Stunde. Der Striker von Leicester City ist mit Pauken und Trompeten in die aktuelle Saison der vielleicht besten Liga der Welt gestartet und trifft immer weiter. Seine Torquote kann sich mehr als sehen lassen: 22 Tore in 34 Spielen, führender der Torschützenliste. Gab es zwischendurch eine kleine Torflaute, ist Vardy nun wieder da - und wie.

Der kometenhafte Aufstieg hat aus dem international unbekannten Stürmer in wenigen Monaten einen Superstar gemacht. Sein Lauf hat ihn bis in die englische Nationalmannschaft gespült, wo er Seite an Seite mit Wayne Rooney oder Tottenham-Angreifer Harry Kane die Offensive befeuert.

Jamie Vardy: Der etwas andere Werdegang

Vardy hat mit seinen Kollegen Gemeinsamkeiten wie Beruf, Position, Torriecher oder Nationalität. In einem Punkt unterscheidet sich der mittlerweile 29-Jährige aber ganz klar von Rooney und Co. Während Rooney bei Spitzenklub Everton groß geworden ist und spätestens mit seinem Wechsel zu Manchester United die ersten Millionen auf seinem Konto verbuchen konnte hat Vardy seine Schuhe als 15-jähriger eigentlich bereits an den Nagel gehängt.

Der junge Jamie hatte genug, nachdem man ihn bei Sheffield Wednesday aus dem Kader geschmissen hatte. Begründung: Er wäre zu klein. Also versuchte er sein Glück als Arbeiter in einer Kohlefaserfabrik. Er stellte Prothesen her. Statt einem dicken Gehaltsscheck handelte er sich in weiterer Folge eine elektronische Fußfessel ein. Eine Pub-Schlägerei wurde ihm zum Verhängnis.

Lange sollte es Vardy, der vor seinem Rausschmiss von einer Profi-Karriere träumte, ohne Fußball nicht aushalten. Er schloss sich den Stocksbridge Park Steelers aus der achten Liga an. Sein Gehalt: 30 Pfund in der Woche. Heute blickt er mit einem Schmunzeln auf diese Zeit zurück. "Manchmal musste ich nach Schlusspfiff direkt über den Zaun klettern und nachhause laufen. Sonst wäre ich nicht vor meiner Ausgangssperre daheim gewesen." Er spielte mit besagter Fußfessel. In Auswärtsspielen musste er oftmals schon nach einer Stunde raus - zwischen 18 und 6 Uhr herrschte für ihn Ausgangssperre. Seine Leistungen auf dem Platz stimmten trotzdem: 66 Tore in 107 Spielen ließen Vardy jubeln. Daneben arbeitete er weiter in der Fabrik.

Profi mit Verspätung

Seine Torquote blieb aber nicht unbemerkt und spülte ihn in Liga Fünf zu Fleetwood Town. Ablöse: 200.000 Euro. Seinen neuen Klub schoss er mit 34 Toren in 40 Spielen eine Klasse höher und seinen Marktwert konnte er so nebenbei ebenfalls in die Höhe treiben. Im Sommer 2012 schlug dann Leicester City zu und holte den Stürmer für eine gute Million Euro in die zweite Liga. Mit 25 Jahren war Vardy endlich angekommen. Einen Rekord stellte er mit seinem Wechsel damals ebenfalls auf: Noch nie wechselte ein Spieler um eine ähnliche Summe aus einer Amateurklasse nach oben. 2014 sollte dann auch noch der Aufstieg in die höchste Spielklasse gelingen.

Mit seinem aktuellen Lauf in der Premier League sind nun internationale Klubs auf Vardy aufmerksam geworden. So soll sein Name bereits in den Notizblöcken von einigen Großklubs aufgetaucht sein. Doch so leicht ist der Mann mit dem Riecher nicht zu haben. "Wenn er einen großen Klub finden will, dann kann ich das verstehen. Aber es gibt nicht viele Teams, die sich ihn leisten können. Wir wollen ihn nicht verkaufen", spuckt sein Trainer Claudio Ranieri gegenüber dem Leicester Mercury große Töne. Ein Tor pro Spiel in der Premier League - dieser Wert treibt den Preis nach oben.

Ein Ausrutscher kann Vardy nichts anhaben

So ganz angekommen scheint Vardy in der Welt der Superstars, der Premier League, allerdings noch nicht zu sein. Er muss jetzt damit leben, dass jeder Schritt von ihm in den Medien genau verfolgt wird. Dass dürfte ihm nicht ganz bewusst gewesen sein, als er einen Japaner im Casino, der ihm zu offensichtlich in die Karten geblickt haben soll, als "Japse" beschimpft hat. Sofort entfachte sich ein Feuer der Entrüstung und Vardy musste zum Benimmkurs, Entschuldigung für sein Verhalten inbegriffen.

Seiner Popularität bei den Fans tat der Ausrutscher allerdings keinen Abbruch. Sie feiern ihren Helden Woche für Woche und der 29-jährige Senkrechtstarter und Teamkollege von Christian Fuchs zahlt die Liebe der Anhänger mit Toren zurück. "Ich muss mich jeden Morgen noch zwicken, wenn ich zum Training fahre. Ich kann es einfach nicht glauben", so der Superstar, der den steinigen Weg nach oben bestritten hat.