Wenn altes weicht, muss neues her. Soll Aufbruch und Umbruch geschaffen werden. Die Verfehlungen der Verangenheit beseitigt, dem Glanz des Neuen die Türen geöffnet. Doch so sehr man sich in Bremen den Aufbruch, die Sicherheit und den Erfolg auch wünscht, in gleichem Maße will und kann man seine Vergangenheit nicht verdrängen.
Die wahre Größe des Klubs, der in den letzten drei Jahren auf der Suche nach sportlicher Identität fast abgestiegen wäre, kommt immer dann zum Vorschein, wenn der Himmel über der Raute nicht dunkler sein könnte: der Schulterschluss mit den Fans nach der Auswärtniederlage in Leverkusen, die bedingungslose Unterstützung in den letzten beiden richtungsweisenden Heimspielen im Anschluss daran.
Am vergangenen Samstag blitze die Klasse wieder auf, viel mehr erstrahlte sie im hellsten Grün der Stadt, denn diese drei Jahre Pleiten, Pech und Pannen haben uns mehr als nur Reputation, Europa und hochwertiges Spielermaterial gekostet- Wir haben unseren Trainer verloren und das wiegt in Bremen schon fast viel schlimmer.
Er bekam den Abschied, den er offiziel nie wollte, aber sicherlich mit Träne im Auge und Pils in der Hand vor dem heimischen Farbfernseher im Wintergarten verfolgt haben wird. Spätestens zu Thorsten Frings "Last game in green" wird er sich den Mikrophonen stellen müssen. Auf die Frage bezüglich seiner Abschiedschoreo wird er in SCHAAFscher Manier verlegen schmunzeln und irgendetwas, nicht ins Journalistendeutsch zu übersetztende, in das Mikrophon hineinlangweilen. Aber jeder der ein grün weißes Herz trägt wird wissen, was gemeint ist.
So also das erste Heimspiel der Saison, ohne Schaaf, mit Dutt und eben überragender Choreo. Vielen Dank an dieser Stelle an jeden einzelnen der Menschen, die das möglich gemacht haben. You'll never walk alone.Passender hätte das Liedgut zu diesem Anlass nicht ausfallen können. Ein bewegender Moment, dem die folgenden neunzig Minuten nichts, aber auch rein garnichts, entgegen zu setzen hatten.
Das Spiel der Werderaner hat sich auf den ersten Blick im Vergleich zur Vorsaison kaum verändert- die gleichen Fehler im Aufbauspiel, die gleichen individuellen Unzulänglichkeiten. Das was heraussticht, sich also deutlich zum Besseren gewandelt hat, ist die Einsatzbereitschaft, der eindeutige Wille den Ball unter keinen Umständen ins eigene Tor zu lassen. Und ein weiterer Aspekt machte sich in den letzten zwei Wochen bemerkbar. Etwas mit dem wir in den letzten Jahren selten gesegnet waren: ab und zu das nötige Quäntchen Glück.
Doch das kommt nicht unbedingt von ungefähr, da das Glück, rein aus der Tatsache unser aller guter Erziehung wegen, immer mit den Tüchtigen ist. Und genau hier liegt eben auch Robin Dutt's Ansatz. Er versucht der Mannschaft mit all der ihm vom Hindugott verliehenden Stärke zu verinnerlichen, dass große Spiele nur den großen Kampf möglich sind. Aber Obacht! Er ist deswegen noch lange kein Trainer, der seine Equipe zu reinen Abwehrmaschinen umgattusot. Vielmehr beruht seine Strategie auf der Tatsache, dass zu Beginn einer Entwicklung eine gewisse Sicherheit stehen muss, um überhaupt eine stabile Basis zu schaffen. Diese Sicherheit bekommt man in der Regel mit Punkten und nicht mit fulminant und elegant herausgespielten Niederlagen.
Der Status Quo heißt also verteidigen und Nadelstiche setzen. Die Entwicklung wird aber deutlich hin zu schönerem und erfolgreicherem Fußball gehen. Das, liebe Freunde des schon in der Hosentasche gespitzen Zeigefingers, wird aber noch Monate dauern, wird Punkte, genau wie Nerven und Geduld, kosten. Sechs Punkte nach zwei Spielen lassen uns nicht von Europa träumen, sondern rätseln woher wir die noch fehlenden vierunddreißig bekommen. Die Sichtweise hat sich geändert, Aufbruchstimmung ist überall zu spüren, doch sie lässt uns nicht in Überheblichkeit abdriften. Soviel haben wir gelernt. Schöne Grüße an dieser Stelle an Hernn A. aus W.
Denn, auch das ist klar, wird Werder sich nicht weiterentwickeln und wird dies vorerst der letzte Heimdreier gewesen sein. Zu viele Fehler, zu viele Unkonzentriertheiten zerstören unser Spiel von Innen heraus. Nils Petersen läuft während eines gut vorgetragenen Konter Felix Kroos über den Haufen. Sebastian Prödl spielt Cedrick Makiadi am eigenen Sechzehner den Ball in die Hacken. Luca Caldirola grätscht seinem Gegenspieler dem Ball aus dem Lauf, nur um diesen dann an der Außenlinie wieder zu vertendeln. Achtzig Prozent der langen Bälle von Sebastian Mielitz kommen nicht beim Mitspieler an.
All das ist uns altbekannt und ernüchternd träge wie "Last Christmas" im Herbst, gehört aber trotz gut gepflegter Tradition abgeschafft. Der Verein hat die Weichen für Veränderungen gestellt, die Mannschaft weiß welche Richtung sie einschlagen muss und wir als Fans, wir brauchen Geduld. Denn dieser Weg ist unbequem, kompliziert und langwierig. Wir werden ihn mitgehen, komme was wolle.
Lebenslang grün weiß
@rudeloy
Gegen Dortmund wirds wohl wieder die übliche Packung geben. Ich hoffe einfach nur die Spieler verstehen trotzdem, dass es jetzt möglich ist was zu ändern. Denn um nochmal Liedgut, allerdings anderer Art zu Hilfe zu nehmen: "Wenn nicht jetzt, wann dann? Wenn nicht hier, sag mir wo und wann?"
Schauen und hoffen wir also mal. Was bleibt uns auch anderes übrig?