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Spox-Wintersport


Gründer: Maxi_FCB | Mitglieder: 32 | Beiträge: 14
Von: Maxi_FCB
25.02.2014 | 1734 Aufrufe | 9 Kommentare | 1 Bewertungen Ø 10.0
Sotschi 2014
Von Schwarz über Rot bis Gold
Eine Bilanz der Olympischen Spiele aus deutscher Sicht

Oftmals fällt es schwer, für einen Blog den passenden Anfang zu finden. Den Meistern des Blogschreibens gelingt es, einen Faden auszurollen, an dem sich das Folgende orientiert und entlanghangelt, bis man ihn am Ende wieder aufnimmt.
Man kann aber auch mit einem ausdrucksstarken Bild beginnen. Vor allem, wenn die Tendenz des Geschriebenen eindeutig ist, so dass man mit einem emotionalen Bild die Stimmung des Blogs in die entscheidende Richtung zu lenken versucht.

Diesen olympischen Spielen mangelte es - aus deutscher Sicht zumindest - gewiss nicht an ausdrucksstarken Bildern. Die mit den Tränen kämpfende Franziska Preuß, der konsterniert ins Leere blickende Felix Neureuther, der wutschnaubend fluchende Johannes Rydzek oder aber der vor Freude enthemmt weinende Andreas Wank - alle diese Bilder erzählen eine ganz spezielle Geschichte dieser Olympiade. Die meisten sind Geschichten des Jammers, andere wiederum stehen für das pure Olympia-Glück.
Es ist schwer, eine dieser Geschichten als die Symptomatische herauszustellen, schließlich verließ die Deutsche Olympia-Abordnung den Nordkaukasus mit ausgesprochen gemischten Gefühlen.

Eine schwarze Woche

...begann nach dem Team-Gold der Skispringer am Montag. Es sollte an den folgenden sechs (!) Wettkampftagen nicht eine einzige folgen. Von Platz 1 rutschte man auf den 6. Platz im Medaillenspiegel ab, hinter der "Wintersportmacht" aus den Niederlanden. 30 Medaillen plus X waren die Maßgabe, 19 sind es geworden. Man kann es drehen und entschuldigen wie man will: Letztlich blieb das deutsche Team summa summarum hinter den (zugegebenermaßen auch äußerst hoch gesteckten) Erwartungen zurück. Eine Auswahl der größten Enttäuschungen:

Pleiten...: erlitt das deutsche Team zuhauf. Sei es das Ausscheiden des hochgehandelten Felix Neureuther in dessen Paradedisziplin Slalom, sei es die Erfolglosigkeit der einst so starken deutschen Eisschnellläufer, sei es der unerklärliche Formabfall der Sprint-Favoritin Denise Herrmann - unerwartete Pleiten musste man zu Genüge einstecken. Vor allem in der zweiten Woche wurde dies besonders eklatant. Extrem bitter sind diese, wenn man nur knapp am ersehnten Edelmetall vorbeischrammte. Oftmals blieb den Deutschen nur das ungeliebte...

...Blech...: Maria Hoefl-Riesch im Slalom, Denise Herrmann und Stefanie Böhlert im Teamsprint, Severin Freund von der Großschanze, Björn Kircheisen von der großen Anlage und Fritz Dopfer im Slalom. Sie alle waren nah dran, verfehlten das avisierte Ziel letztlich aber doch - und das nur unfassbar knapp. Für einen ambitionierten Athleten gibt es nichts Bittereres. Man möchte den Fans und Unterstützern, vor allem aber sich selbst, eine Medaille in Bronze, Silber oder Gold präsentieren und muss sich dann mit dem ungeliebten Blech zufriedengeben. Schlimmer geht's nimmer.

...und Pannen: Während die oben Genannten das Verfehlen der so erhofften Medaille letztlich doch auf sportliche Leistungen zurückführen können, wurde ein großer Teil von deutschen Athleten von unfassbaren Pannen um gute Chancen beraubt. Einzelne resultierten schlicht aus dem Eifer des Gefechts, wie Tim Tscharnkes, Franziska Preuß, Severin Freunds, Aljona Savchenkos und Robin Szolkowys Stürze. Andere wiederum sind einfach unerklärlich. Wieso Stefan Luitz unbedrängt, auf Rang zwei liegend, am allerletzten Tor einfädelt? Keine Ahnung. Warum Björn Kircheisen viel zu früh zum alles entscheidenden Sprint ansetzt? Man weiß es nicht. Weshalb Fabian Riessle den eigenen Teamkollegen Johannes Rydzek in der letzten Kurve zu Fall bringt? Sein Geheimnis. Letztlich kosteten diese Aussetzer das deutsche Olympia-Team zwei sichere und drei durchaus mögliche Medaillen.

Das Land der Tüftler und Techniker: Dem Ruf als die Techniknation Nummer 1 konnte Deutschland beileibe keine Taten folgen lassen. So saßen die deutschen Bobpiloten in einem der langsamsten Schlitten der gesamten Konkurrenz. Eine Unzulänglichkeit, die man sonst eher im Baltikum, auf dem Balkan oder bei den Jamaikanern vermuten würde. Dass Deutschland sich den Vorwurf gefallen lassen muss, minderwertiges Material zu stellen - eigentlich unvorstellbar. Zwar verfügt das deutsche Bobteam auch über keine Weltklasseathleten mehr, wie z.B. einen Andre Lange, doch auch die ersten beiden Nordischen Kombinierer im Teamwettkampf klagten über zu langsames Material. Der Teufel steckt im Detail.

Aus fünf mach null: In Salt Lake City besorgten die deutschen Biathlon-Damen drei Goldmedaillen, in Turin immerhin eine, in Vancouver vergoldete Magdalena Neuner die deutsche Olympia-Bilanz zweimal. Die deutschen Biathlon-Damen sind seit jeher eine echte Bank, eine sichere Garantie für Medaillen. Umso trauriger die diesjährige Bilanz: Gähnende Leere. Keine Bronzemedaille, keine Silbermedaille und von einer Goldmedaille ganz zu schweigen. Nach fünf Mediallen in Whistler steht in Krasjana Poljana die Null. Nach dem Abschied der "Gold-Lena" fehlt schlicht eine Weltklasse-Athletin. Eine, die es werden könnte, Miriam Gössner, fehlte verletzt, eine andere, Andrea Henkel, schleppte eine Krankheit mit sich herum und den Übrigen, sprich Laura Dahlmaier, Franziska Preuß und Franziska Hildebrand, fehlt schlicht und ergreifend die Erfahrung. Wer den Damen Böses will, könnte aber auch von fehlender Klasse sprechen. In den Einzelwettkämpfen unter ferner liefen, waren auch im Team alle Hoffnungen schon am ersten Anstieg buchstäblich zerbrochen: Startläuferin Preuß stürzte, ein Stock brach und damit auch jegliches Selbstvertrauen der 19-Jährigen, die mit einigen Minuten Rückstand übergab, was keine der Folgenden nur ansatzweise hätte retten können.


Ohne Moos nix los: Schaltete man während der Olympia-Wochen einfach mal ohne Hintergedanken den Fernseher ein, um sich eben guten Wintersport anzusehen, landete man meist bei Sportarten, deren Namen wohl 90% des arrivierteren deutschen Publikums noch nie vernommen haben. Slopestyle? Ski Cross? Snowboard Cross? Short Track? Halfpipe? Nahm man sich dann doch mal die Zeit, sich diese eher jungen Sportarten zu Gemüte zu führen, musste man schnell eines feststellen: Den deutschen Vertretern die Daumen zu drücken, ist eher zwecklos. Bis auf die Snowboard-Parallelrennen blieb das deutsche Team ohne Medaillen und meist auch weit im Klassement zurück. Teilweise musste man gar erschreckt feststellen, dass uns selbst Skisport-"Großmächte" wie Australien oder Neuseeland ein Schnippchen schlagen. Das liegt einerseits daran, dass diese Sportarten hierzulande eben wenig populär und somit weit weniger prestigeträchtig als die klassischen Disziplinen sind, andererseits fehlen den deutschen Athleten aber auch die Mittel, um sich professionell auf die Wettkämpfe vorzubereiten. Da ist es eher destruktiv, dass Wolfgang Maier, seines Zeichens Sportdirektor beim DSV, ankündigte, dass nach dem schwachen Abschneiden im Ski Cross den praktizierenden Athleten alle Mittel entzogen werden. Der Ski Cross wird de facto eingestellt. Ein fatales Zeichen, auch an die übrigen modernen Wintersportdisziplinen. Ein Gros der Medaillen wird damit faktisch hergeschenkt.

Ein klarer Fall für Esoteriker: Nacheinander erwischte es Andrea Henkel, Felix Neureuther, Eric Frenzel und auch Maria Hoefl-Riesch. Die Seuche ging um im Deutschen Haus. Neureuther hatte einen Autounfall, welcher ein Schleudertrauma auslöste, die Übrigen diverse Infektionen. Am deutlichsten machte sich dies bei Frenzel und Henkel bemerkbar. Henkel war die kompletten Spiele hinweg kein Faktor für das deutsche Team, Frenzel fiel nach Führung im Springen bis auf Platz 10 in der Loipe zurück - unüblich für den Gesamtweltcup-Dominator. Doch auch bei Neureuther waren die Folgen des Schleudertraumas bemerkbar: Weder im Riesenslalom, noch im Slalom war der sonst so starke Partenkirchener nur ansatzweise in Medaillennähe. Letztlich sorgte der Unfall wohl für mehr Unruhe, als es Neureuther selbst zugeben wollte.

Rote Karte dem Doping

Den unrühmlichen Höhepunkt dieser schwarzen Woche bildete allerdings - oh Symbolik - der Freitag. Ein Schwarzer Freitag eben. Am Morgen ging nämlich die Meldung um, es habe einen positiven Doping-Test in den Reihen der Deutschen Olympia-Mannschaft, angeblich bei den Langläufern oder den Biathleten, gegeben. Relativ schnell konkretisierte sich der Verdacht auf Evi Sachenbacher-Stehle, die tags zuvor als bislang beste deutsche Biathletin überraschend nicht für die Staffel nominiert wurde.
Diese Meldungen wurden dann von Pressesprechern des deutschen Teams bestätigt, später erwies sich auch die B-Probe als positiv. Tags darauf meldete sich die Betroffene zu Wort, gab sich schockiert und beteuerte ihre Unschuld. Ein verunreinigtes chinesisches Nahrungsergänzungsmittel wurde als der Schuldige ausgemacht.

Offen bleibt letztlich, wie dieser Fall zu bewerten ist, auch vor dem Hintergrund, dass es 2006 in Turin ebenfalls Verdachtsmomente und sogar eine fünftägige Sperre gegen Sachenbacher-Stehle gegeben hat.
Es gilt prinzipiell die Unschuldsvermutung, doch andererseits sind die positiven Proben Fakt. Die gefundene Substanz ist nach Expertenmeinung ausgesprochen gut zur Verwendung in Ausdauersportarten geeignet. Meiner Meinung nach, müssten schon einige Zufälle zusammenkommen, dass in China zufällig ein Riegel mit einer ausdauerfördernden Substanz verunreinigt wird und dann, oh Wunder, in den Händen einer Ausdauersportlerin landet.

Darüberhinaus gibt es die sogenannte "Kölner Liste" mit allen erlaubten Substanzen, auf welcher besagtes Methylhexanamin gewiss nicht zu finden ist. Es bleibt also die Frage nach Vorsatz oder Fahrlässigkeit. Ich halte diese hier letztlich für unerheblich: Entweder handelte die 33-Jährige aus Reit im Winkl böswillig oder eben fahrlässig bzw. schlicht und ergreifend dumm.
Es ist Gang und Gebe, dass Leistungssportler sich mit diversen Präparaten aufputschen. Der gemeine Sportfan wäre vermutlich schockiert, was seine Idole, seien es Fussballer, Leichtathleten oder eben Wintersportler in sich hineinschütten, um im Konzert der ganz Großen mitzuspielen. Doch man sollte schon wissen, was man zu sich nimmt. Vor allem vor dem Hintergrund der strengen Kontrollen, der Bedeutsamkeit der Olympiade, sowie der Sensibilität des Themas "Doping", sollte man von einem Athleten verlangen können, darauf zu achten, was man zu sich nimmt.

In der Summe handelte Sachenbacher-Stehle somit mindestens grob pflicht- und sorgfaltswidrig. Das rechtfertigt eine lange Sperre, die für die 33-Jährige wohl gleichbedeutend mit dem Karriereende wäre.

Der deutsche Wintersport hat durch Sachenbacher-Stehles Fehlverhalten einen deutlichen Imageschaden erlitten. Hört man von positiven Dopingtests, verortet man diese reflexartig in eher anrüchig-leistungsorientierte Nationen (Russland, China) oder unprofessionell organisierte Entwicklungsländer, was wohl auch in 90% der Fälle zutreffend ist. Man sollte meinen, dass man in Deutschland den schwarzen Schafen das Handwerk gelegt hat, die unter Generalverdacht stehenden Radsportler mal ausgenommen.

Doch nach Claudia Pechstein musste man in Sachenbacher-Stehle bereits den zweiten großen Dopingfall hinnehmen, und das bei einem Großereignis, auf welches die gesamte Welt schaut - ein unrühmliches Bild.

Goldene Momente

Doch, bei aller Bitterkeit in der Bilanz dieser Winterspiele, gab es zu viele Erfolgserlebnisse, als dass man eine allzu negative Bilanz ziehen sollte.
Am Ende stehen schließlich 8 Gold-, 6 Silber- und 5 Bronzemedaillen, jede einzelne dokumentiert eine eigene kleine Erfolgsgeschichte.

Die wahren Champions: ...zeigen dann ihre beste Leistung, wenn es darauf ankommt. Zwar kann man wohl nur einer der acht deutschen Goldmedaillen wirklichen Sensationscharakter attestieren, doch das ist ja per se nichts Negatives. Loch, Geissenberger, Wendl/Aarlt, die Rodelstaffel, Eric Frenzel, Maria Hoefl-Riesch und das deutsche Skisprung-Team gewannen ihre Goldmedaillen gewiss nicht aus heiterem Himmel. Die fünf Erstgenannten dominieren ihre Weltcups jeweils souverän, Hoefl-Riesch ist bekanntermaßen die beste alpine Kombiniererin im Feld und das deutsche Skisprung-Team ist in der Breite wohl das am ausgeglichensten besetzte. Ihre Goldmedaillen sind, alle für sich, die folgerichtige Konsequenz der im Vorfeld der Olympiade gezeigten Leistungen. Doch letztendlich kommt es genau darauf an: Es zählt nicht, was im Vorfeld war, es zählt nur, was bei Olympia gezeigt wird. Und da bewiesen die genannten Athleten Nerven wie Drahtseile. Das macht die wahren Champions eben aus.

Die logische Folge: Als Severin Freund seinen Sprung bei 129,5m absetzen musste und schließlich 2,8 Punkte hinter Peter Prevc landete, war eigentlich klar: Diese Olympischen Spiele sind gebrauchte für die deutschen Skispringer. Von der kleinen Anlage stürzte Freund, Wank vergab die Mediallenchance und Andreas Wellinger landete als Bester der hochgehandelten Deutschen nur auf Rang 6. Als dann eben auch Freund von der Großsschanze patzte, war die Resignation fast greifbar. Schon bei den vergangenen Tourneen, sowie der WM im Fleimstal verpasste man die Einzelmedaillen bzw. den Tourneesieg, obwohl man die Hoffnungen mit exzellenten Leistungen im Vorfeld genährt hatte. Doch nun der Durchbruch. Nach Silber in Vancouver und in Val die Fiemme gipfelt die Entwicklung der deutschen Mannschaft in diesem Team-Gold von Sotschi.

Es ist die logische Folge aus der Entwicklung der vergangenen Jahre: Während einer langen Durstrecke, als das deutsche Skispringen von eher limitierten Athleten wie Jörg Ritzerfeld, Alexander Herr oder Georg Späth vertreten wurde, legte man im Hintergrund den Grundstein für eine erfolgreiche Jugendarbeit, die jetzt mit Athleten wie Marinus Kraus (23), Andreas Wellinger (18), Richard Freitag (22), Severin Freund (25) und Andreas Wank (26) Früchte trägt. Zudem zahlt sich die Verpflichtung des studierten österreichischen Psychologen Werner Schuster als Cheftrainer immer mehr aus.
Aus dem Team von Vancouver ist lediglich Andreas Wank in Sotschi dabei gewesen, Michael Neumayers Karriere neigt sich auch unerbittlich dem Ende zu. Es wurde ein Generationenwechsel eingeläutet, der auch mit einem Qualitätssprung einherging: Wellinger, Freitag und Freund können jederzeit um das Podest mitspringen, Kraus und Wank liefern immer wieder positive Überraschungen und in Karl Geiger steht noch ein Talent bereit, welches mit mehr Konstanz durchaus ebenfalls in die Weltelite vorstoßen könnte.

Das Team-Gold ist somit geradezu folgerichtig und vermag eventuell die mentale Barriere durchbrechen, bei Großereignissen immer den letzten Punch vermissen zu lassen. Dann können die jungen Adler in Zukunft auch um die wichtigen Einzeltitel mitspringen.

Die unlogische Folge: So erwartbar oder zumindest vermutbar die bereits genannten Goldmedaillen aus deutscher Sicht waren, so unerwartet sprang Carina Vogt auf die höchste Stufe des Podest. Die 22-Jährige ließ selbst die hochgehandelten Favoritinnen wie Sara Takanashi und Daniela Iraschko-Stolz hinter sich. Der Sieg der Schwäbin mutet angesichts von bisher gerade einmal vier 2.Plätzen und keinem einzigen Sieg in ihrer gesamten Karriere geradezu sensationell an. Es wäre nur allzu logisch gewesen, wenn Iraschko-Stolz im Finadurchgang noch an ihr vorbeigezogen wäre - doch so kam es nicht. Vogt behielt die Nerven und krönte sich zur Königin des RusSki-Gorki-Zentrums.

Was dem Holländer der Eisschnellauf: ...das ist dem Deutschen das Rodeln. Wo Deutschland im Biathlon und im Bobsport einstige Bastionen räumen musste, sorgt das Rodeln wie eh und je für Edelmetall en masse. 4 Wettbewerbe, 4 deutsche Sieger. Eine Bilanz des Schreckens für die Konkurrenz. Nacheinander deklassierten Loch, Geissenberger, Tobias Wendl und Tobias Aarlt sowie alle gemeinsam die Konkurrenz um Längen. Dächte man die Rodelmedaillen weg, so stünde Deutschland auf Augenhöhe mit Polen und Frankreich auf Rang 10. Man mag es sich garnicht ausmalen.

Zwei Silberstreifen am Horizont: Die vergangene Winterolympiade in Sotschi war im Hinblick auf die deutschen Biathleten gewiss ein historisches Debakel. Keine Goldmedaille, lediglich zwei Silberne da ist der Michel anderes gewohnt. Folgerichtig kündigte Bundestrainer Uwe Müssiggang (wenn auch zum äußerst unpassenden Zeitpunkt) während der Spiele seinen Rücktritt zum Saisonende an. Doch in Gänze unbrauchbar war Sotschi für die Biathleten nicht. Es wächst, zumindest bei den Herren, ein zartes Pflänzchen mit Namen "Hoffnung". Eine bärenstarke Leistung in der Staffel, bei der lediglich vier Sekunden auf die Sieger aus Russland fehlten, garniert mit einer zauberhaften Schießleistung, zeigen, dass durchaus Potenzial in den Biathlon-Herren schlummert. Da fügt sich die Silbermedaille von Erik Lesser im Einzel ins Bild. Lesser, Peiffer und Schempp nähren die Hoffnung, dass das deutsche Biathlon, zumindest bei den Herren, in Pyeonchang seine Renaissance feiern könnte. Es wäre bitternötig.

Ein Signal zum Aufbruch: In jedem Scheitern, so sagt man, liegt die Chance zu einem Neuanfang. Das sollte der deutsche Wintersport auf diversen Ebenen berücksichtigen. So bietet die miserable Ausbeute, die Chance im Eisschnellauf einen Generationenwechsel weg von den einstigen Spitzenathletinnen, die heute nur noch ein Schatten vergangener Tage sind, hin zu jüngeren Talenten zu vollziehen. Auch im Biathlon und bei den Alpinen Skifahrern sollte das eher unzufriedenstellende Abschneiden ein Signal sein, die Nachwuchsförderung umzukrempeln und grundlegend zu reformieren, wie es die Skispringer schulbuchmäßig vormachten.
Es wird auf vielen Ebenen Zeit, verkrustete Strukturen aufzubrechen. So sollte man die Förderung nicht zu sehr auf Bayern und Baden-Württemberg konzentrieren. Im Osten, beispielsweise in Oberwiesenthal oder Oberhof, gibt es viele Wintersportbegeisterte, die ihrer Passion nur unzureichend nachgehen können. Meist kann man eine Karriere erst zum Durchbruch bringen, wenn man in den Süden des Landes umsiedelt - ein unsäglicher Zustand. Finanziell ist der deutsche Wintersport noch immer der wohl betuchteste. Es gilt, die vorhandenen Ressourcen effektiver anzuwenden.


Schlußendlich muss man wohl ein eher negatives Fazit unter diese Olympischen Winterspiele ziehen. Zu viele Medaillenhoffnungen zerplatzten, teilweise in unglaublich bitterer Manier. Hinter den gesteckten Zielen blieb man um Längen zurück. Zwar waren die Vorgaben auch ambitioniert gesteckt, aber sicher nicht unverwirklichbar.
Es stehen eine Reihe von Favoritensiegen zu Buche, doch es ist schade, dass gerade einmal eine Goldmedaille die Erwartung übertraf. Zu oft blieb man nämlich eher hinter Selbiger zurück.

Es kann sicher nicht der Anspruch Deutschlands sein, im Klassement hinter den Niederlanden zu rangieren. Man mag zwar anführen, dass diese ihre Medaillen in lediglich einer einzigen Sportart einfuhren, was sicher auch die Frage aufwirft, ob es im Eisschnelllauf wirklich solche Unmengen an Entscheidungen braucht. Im wesentlich medienwirksameren Skispringen gibt es beispielsweise gerade einmal vier Entscheidungen. Doch letztlich zielt diese Erklärung ins Leere.
An die Kanadier und Amerikaner ist, infolge derer unglaublicher Dominanz in den jüngeren olympischen Disziplinen, auf Sicht wohl kein Herankommen. Doch Platz 6 im Medaillenspiegel darf sicher kein tragbarer Dauerzustand werden. Dazu sind in Deutschland einfach viel zu viele Ressourcen vorhanden, die man nur ausschöpfen müsste.
Man kann nur hoffen, dass die Bilanz in vier Jahren positiver ausfällt.

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KOMMENTARE
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Maxi_FCB
05.03.2014 | 12:58 Uhr
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Maxi_FCB : 
05.03.2014 | 12:58 Uhr
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Maxi_FCB : 
Natürlich kann man das auch auf andere Nationen ummünzen. Aber die haben ja alle schon Medaillen bzw. Tourneesiege einkassiert. Deutschland ist mit diesen Nationen in der Breite und im Moment auch in der Spitze auf Augenhöhe, war aber jahrelang bis auf zwei Team-Silber titel- und medaillenlos.
Jetzt war mMn das deutsche Team einfach mal an der Reihe. So wie die Bayern nach zwei vergeigten CL-Endspielen einfach an der Reihe waren. Finde ich.
Du hast aber Recht, das kann man sehen, wie man will.
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Chac
04.03.2014 | 20:48 Uhr
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Chac : 
04.03.2014 | 20:48 Uhr
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Chac : 
"Ich empfinde das Team-Gold durchaus als die logische Konsequenz der Vorjahre. Man hat die Qualität im Kader jedes Jahr kontinuierlich angehoben, Freund macht von Jahr zu Jahr einen Schritt nach vorne und setzt sich sukzessive in der Weltspitze fest. Irgendwann musste dieser gordische Knoten der Titellosigkeit einfach mal platzen. Dazu hat man einfach im Hintergrund zu viel richtig gemacht."

Ja gut aber das trifft halt auch auf Slowenien und Polen zu auch wenn die Polen nach Saisonbeginn wieder abgebaut haben (außer Stoch). Und die Österreicher sind generell breit aufgestellt. Aber es ist deine Sichtweise und jeder kann das sehen wie man will.

"Auch dem Eric hätte ich Doppel-Gold gegönnt."

Dem hätte ich das auch derbst gegönnt und wahrscheinlich hätte er es geschafft, wenn er nicht durch den Virus gehandicapt gewesen wäre.

"Das mit der Olympiade war mir garnicht bekannt. Ich kenne es nur als Synonym für Olympia. Weiß es jetzt für die Zukunft, steht aber jetzt halt so da und versteht - hoffe ich - trotzdem jeder."

Nee, erwarte auch nicht, dass du das jetzt noch änderst. deswegen auch der " " dahinter.
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Maxi_FCB
02.03.2014 | 23:59 Uhr
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Maxi_FCB : 
02.03.2014 | 23:59 Uhr
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Maxi_FCB : 
Ich empfinde das Team-Gold durchaus als die logische Konsequenz der Vorjahre. Man hat die Qualität im Kader jedes Jahr kontinuierlich angehoben, Freund macht von Jahr zu Jahr einen Schritt nach vorne und setzt sich sukzessive in der Weltspitze fest. Irgendwann musste dieser gordische Knoten der Titellosigkeit einfach mal platzen. Dazu hat man einfach im Hintergrund zu viel richtig gemacht.

Das mit der Olympiade war mir garnicht bekannt. Ich kenne es nur als Synonym für Olympia. Weiß es jetzt für die Zukunft, steht aber jetzt halt so da und versteht - hoffe ich - trotzdem jeder.

Der Vergleich zum Skispringen sollte ja auch nicht aufzeigen, dass es dort zu wenig Wettkämpfe gibt, sondern im Eisschnellauf (möglicherweise) zu viele. Ich weiß nicht, ob man 500m, 1000m, 3000m, 5000m, Teamverfolgung etc in dieser Unmenge und dieser Monotonie zwingend braucht. Das wäre ja als würde man im Skispringen erst von einer HS35, dann von einer dann von einer HS100, dann von einer HS140 und dann von einer HS210 springen würde...
Der Vergleich zum Biathlon hinkt überdies ein wenig: Dort gibt es wenigstens abwechselnde Austragungsmodi (z.B. Verfolgung in Abgrenzung zum Massenstart), im Eisschnellauf nur unterschiedliche Distanzen und mal ein Teamrennen.

Aber, wie gesagt, das zielt ins Leere. Man hätte die Niederlande im Medaillenspiegel locker distanzieren können, doch das hat man verpasst. Letztlich muss man deren erdrückende Dominanz im Eisschnellauf auch anerkennen, man hat ja selbst die Möglichkeit aufzuschließen.

Ich gebe dir auch recht, dass der Medaillenspiegel eher sekundär ist. Der wird durch diese Unmengen an modernen Disziplinen deutlich verwässert. Wenn man also vor allem auf Skispringen und Eishockey schaut, kann man wohl zufrieden sein.
Aber mir tut vor allem noch Neureuther weh. Dem hatte ich (womöglich zu) fest die Daumen gedrückt. Auch dem Eric hätte ich Doppel-Gold gegönnt.
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Chac
02.03.2014 | 11:41 Uhr
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Chac : 
02.03.2014 | 11:41 Uhr
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Chac : 
"Man mag zwar anführen, dass diese ihre Medaillen in lediglich einer einzigen Sportart einfuhren, was sicher auch die Frage aufwirft, ob es im Eisschnelllauf wirklich solche Unmengen an Entscheidungen braucht. Im wesentlich medienwirksameren Skispringen gibt es beispielsweise gerade einmal vier Entscheidungen. "

Als die Deutschen im Eisschnelllauf noch Medaillen geholt haben, hat es auch keinen gestört, dass es dort so viele Entscheidungen gibt Heuer waren die Niederländer dort überragend und haben halt alles abgeräumt. Die Deutchen können ja zur Weltmacht im Biathlon werden, dort gibt es glaube ich sogar noch mehr zu holen als im Eisschnelllauf. Und was für weitere Entscheidungen soll man in Skispringen machen? Noch mehr Schanzen hinbauen um unterschiedliche Größen zu haben? Im Parallelstil springen, Arme mal nach vorne etc? Ist doch alles Quatsch. Oder soll es in den anderen Disziplinen auch nur vier Entscheidungen geben, weil es im Skispringen nicht mehr geben kann? Das Einzige was man hätte machen können, ein Teamwettkampf von der Normalschanze aber der ist ja selbst nichteinmal bei jeder WM im Program (nur wenn der Ausrichter es möchte). Möglicherweise wird es 2018 ja dann auch den Mixedwettkampf geben.

Eigentlich ist mir der Medaillenspiegel auch egal. Ich schau eh nur den Sport der mich interessiert und da drück ich nicht nur den Deutschen die Daumen. Ich persönlich bin mit den Spielen zufrieden: Carina Vogt erste Olympiasiegerin im Skispringen, Kamil Stoch Doppelolympiasieger, die Jungs holen Teamgold im Skispringen und zur Kröung verteidigt Kanada den Olympiasieg im Eishockey und das auf der großen europäischen Eisfläche. Einziger Wermutstropfen die verpasste Einzelmedaille von Freund. Und die wäre drin gewesen, wenn er die Nerven bewahrt hätte. Die Form hatte er gehabt und wenn man sieht wie er jetzt im Weltcup auftritt, fragt man sich noch mehr warum es in Sotschi nicht passte.
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Chac
02.03.2014 | 11:40 Uhr
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Chac : 
02.03.2014 | 11:40 Uhr
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Chac : 
Schöne Zusammenfassung! Aus deutscher Sicht ziemlich gut getroffen. Das meiste hab ich nur am Rande mitbekommen weil ich eigentlich nur Skispringen und Eishockey (Männer) verfolgt habe. Dass die deutschen Bobpiloten so hinterherfahren, hat mich auch überrascht. War immer die Rede von so einer schlechten zweiten Woche und ich dachte immer die ganze Zeit, naja im Bob werden noch Medaillen kommen bis ich irgendwann kapiert habe das dem nciht so ist.

Olympiagold im Teamspringen fand ich jetzt icht als logischen Schluss, da sich im Laufe der Saison die Nationen immer abgewechselt hatten, wer gerade weit vorne ist. Vor Olympia waren eigentlich die Slowenen erster Goldanwärter., die auch ebenso breit aufgestellt sind wie die Deutschen. Im Prinzip war es total offen, da es keine Nation gab wo man das Gefühl hatte, die werden sich keinen Patzer leisten. Am Ende waren es nur die Deutschen und Österreicher die ohne einen richtig schwachen Sprung durch den ganzen Wettkampf gekommen sind. Bei den Japanern muss man aber auch eingestehen, dass mit einem fitten Daiki Ito und Taku Takeuchi mehr drin gewesen wäre.

p.s.: Olympiade bezeichnet man die Zeit zwischen zwei olympischen Spielen



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Maxi_FCB
01.03.2014 | 13:01 Uhr
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Maxi_FCB : 
01.03.2014 | 13:01 Uhr
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Maxi_FCB : 
Das stimmt schon, Voegi, aber es gab ja auch Gründe: Henkel war krank, zu Sachenbacher-Stehle hab ich glaube ich alles gesagt, und ob man den jungen Damen wirklich einen Vorwurf machen muss? Als ich Franziska Preuß da mit den Tränen habe kämpfen sehen, da hatte ich selbst Mitleid.
Der neue Teaser passt
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Voegi
MODERATOR
27.02.2014 | 15:25 Uhr
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Voegi : 
27.02.2014 | 15:25 Uhr
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Voegi : 
@ maxi

naja, es war ja wohl mit die größte enttäuschung. aber versteh dich schon: hab den teaser jetzt ein kleines bisschen angepasst. :)
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Dolo
26.02.2014 | 17:40 Uhr
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Dolo : 
26.02.2014 | 17:40 Uhr
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Dolo : 
Schöner Nachbericht.

Trotz der vielen Pleiten, habe ich die olympischen Spiele sehr genossen und gehe auch mit einen guten Gefühl daraus. Niederlagen gehören zum Sport eben dazu. Man hat viele spannende Wettkämpfe gesehen, auch wenn uns Deutsche öfters mal das Glück gefehlt hat.

Bin gespannt, wie die nächsten 4 Jahre aussehen werden. Nach so einem Abschneiden müsste eigentlich Änderungen her. Aber mal sehen.

Vielleicht kommt nächste Woche ein Biathlon-Blog von mir.
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Maxi_FCB
26.02.2014 | 15:32 Uhr
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Maxi_FCB : 
26.02.2014 | 15:32 Uhr
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Maxi_FCB : 
Der Teaser weckt ja den Eindruck, als ob ich die Biathlon-Damen hier fertig machen würde...
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