Was macht eigentlich der Mann auf diesem Foto?



Kennt ihr nicht? Na gut, sein Gesicht ist nicht sehr bekannt, dafür aber sein Name. Und der lautet: Jean-Marc Bosman. Den hat man schon so oft gelesen, dass man ganz vergessen hat, dass dieser Name nicht nur für eine Revolution im europäischen Fussball steht, sondern auch zu einem Menschen gehört, in diesem Fall zu einem ehemaligen belgischen Fußballprofi.

Bekannt ist Bosman, weil er sich 1990 mit seinem Verein, dem RFC Lüttich, stritt. Sein Vertrag war ausgelaufen, er hatte Probleme mit der Vereinsführung, die wollte ihm nur noch 60% seines Gehalts zahlen. Das war ihm nicht genug, also machte er sich auf die Suche nach einem neuen Verein und wurde im französischen Dünkirchen fündig. Alles cool, wechselt er halt nach Frankreich, ist ja ablösefrei.
Denkt man heute. Dachte man 1990 noch nicht. Der RFC verlangte eine überzogene Ablösesumme von 800.000 €, die der Zweitligist Dünkirchen nicht zu zahlen bereit war, der Wechsel kam nicht zustande. Das wollte aber Bosman nicht akzeptieren, er sah sich in seiner Arbeitnehmerfreizügigkeit eingeschränkt und ging vor Gericht. Dort hatte er zunächst Erfolg, der belgische Verband ging jedoch in Berufung, der Fall wurde in der nächsten Instanz wieder zu Bosmans Gunsten entschieden, und zusätzlich rief das Gericht den europäischen Gerichtshof an, das ebenfalls entschied, dass Bosman ablösefrei hätte wechseln können müssen.
Seit diesem Tag gibt es in ganz Europa keine Ablösesummen mehr für Spieler, deren Vertrag ausgelaufen ist. In der Folge stiegen die Spielergehälter deutlich an. Wo der Gerichtshof gerade mal dabei war, pulverisierte er auch sämtliche Beschränkungen was die Anzahl der Ausländer in einer Mannschaft angeht, was dazu führte, dass heutzutage Clubs wie Arsenal, Inter oder auch Cottbus ohne einen einzigen Einheimischen in der Startelf auflaufen können. Die Anpassung der Verbandsstatuten an das europäische Recht zog ein wahres Erdbeben nach sich und machte zahlreiche Spieler und Berater reich. Die Entscheidung ging als das "Bosman-Urteil" in die Sportgeschichte ein.

Das alles half Bosman im Jahr 1995, als die Entscheidung fiel, aber herzlich wenig. Er war ein Nestbeschmutzer, beim RFC wollte man ihn nicht mehr und er fand auch keinen anderen Verein mehr. 780.000 € Schadensersatz für sein verfrühtes Karriereende bekam er erst 9 Jahre nach Prozessbeginn. Davon blieb ihm allerdings nicht sehr viel, denn er saß noch auf einem riesigen Schuldenberg wegen der Anwaltskosten. Vom Rest kaufte er ein Haus in einem beligischen Dorf und lebt seitdem dort. Von seiten der anderen Spieler, die von seinem unerbittlichen Kampf finanziell erheblich profitiert haben, hat er kaum Unterstützung erhalten.
Er fing an zu trinken, wurde depressiv, drei Frauen verliessen ihn. Die Spielergewerkschaft Fifpro, die erst durch seinen Fall anerkannt wurde, soll ihm als Dank 25.000 € jährlich für 10 Jahre versprochen haben, bekommen hat er einmal 10.000. Als er nachfragte, erhielt er die Antwort "Geld wird Deine Probleme nicht lösen. Es ist wichtiger, dass Du Dein Leben in den Griff bekommst."

Heute ist der mittlerweile 45-jährige immerhin vom Trinken weggekommen, Antidepressiva nimmt er aber noch. Er hat einen Sohn, der anderthalb Jahre alt ist.
Nach der französischen Revolution prägte sich das Sprichwort "Die Revolution frisst ihre Kinder". Diese Fussball-Revolution hat ihren Vater gefressen, und er erholt sich nur langsam.