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Blogpokal 2013/2014


Gründer: RoterBulle92 | Mitglieder: 58 | Beiträge: 25
13.01.2014 | 5238 Aufrufe | 13 Kommentare | 2 Bewertungen Ø 8.5
Faszination Darts
Und auf einmal bin ich Fan
Einmal Event-Fan und wieder zurück

Der gemeine Fußballfan hasst ja bekanntlich so einiges: Gegnerische Fans, die eigene Vereinsführung, den FC Bayern München, Kommerz und vor allem 2014 wieder: Event-Fans. Die Sorte Mensch, die sich kein bisschen für unseren Sport interessiert, im Jahr durchschnittlich 2 Spiele guckt, weil sie zufällig dabei sitzt, absolut keine Ahnung hat, was auf dem Rasen passiert und höchstens mal einen Spielernamen kennt, weil der Typ so süß oder cool aussieht, aber ca. alle 2 Jahre eine 180°-Drehung vollzieht, Fußball für das Größte im Leben erklärt und mit schwarz-rot-goldener Schminke im Gesicht Joachim Löw huldigt, als wäre er gerade Weltmeister geworden. Ich kann diese Sorte Mensch jetzt verstehen, denn seit einiger Zeit bin ich einer von ihnen. Einmal im Jahr verehre ich einen anderen Sport.


Wie bei vielen Dingen, die irgendwann mal anfangen, weiß ich auch hier nicht mehr genau, wie genau ich dazu kam. Aber eins ist sicher: Es war im Dezember 2012, vermutlich kurz vor oder kurz nach Weihnachten, als ich vom Stress der Nicht-Weihnachtszeit befreit auf dem Sofa lag und von der Langeweile der Weihnachtszeit geplagt wurde. Vermutlich zappte ich ziellos durchs Fernsehprogramm, ziemlich sicher kam ich dabei an vielen Sendungen vorbei, die ein Mensch einfach nicht freiwillig schauen kann und sehr sicher blieb ich irgendwann bei der Darts-WM stehen.


Darts also. Spontan ging ich die Dinge durch, die ich bis dahin über den Sport wusste: 2 Spieler werfen Pfeile auf eine runde Scheibe bis sie von 501 Punkten auf 0 angekommen sind. Das machen sie in einem Match gefühlte 1000 mal. Und am Ende gewinnt Phil Taylor. Vermutlich gähnte ich an dieser Stelle.


Phil Taylor hier mit Pokal. Freut sich, weil er so selten gewinnt.

Phil Taylor hier mit Pokal. Freut sich, weil er so selten gewinnt.


Ich weiß nicht mehr, warum, aber ich blieb dran. Und schnell lernte ich wenigstens die Grundregeln, schnell konnte ich einen guten Wurf von einem schlechten unterscheiden und noch schneller wurde ich in diese grandiose Publikumsatmosphäre gesogen.


Beim Darts spielen 2 Spieler gegeneinander, die abwechselnd 3 Pfeile auf das Board werfen und jeweils versuchen, die 501 Punkte schneller auf 0 zu bringen als der andere. Dabei sollten sie möglichst viele Triple-Felder treffen und müssen vor allem 2 Regeln einhalten: Bringe deine Punkte genau auf 0 und schaffe das mit einem Double. Wer das schneller schafft, gewinnt ein Leg. Wer 3 Legs gewinnt, gewinnt einen Satz, wer eine bestimmte Anzahl Sätze gewinnt, gewinnt das Spiel.


Viel wichtiger aber: Die ca. 2.500 Fans, die in erschreckend deutscher Manier an meterlangen Biertischen sitzen und Bier in noch erschreckenderen Mengen trinken, die aus der teils riesigen Entfernung zur Bühne, beeinflusst durch ihren auf jeden Fall riesigen Bierkonsum, wahrscheinlich kaum etwas vom Spiel wahrnehmen, die aber trotzdem jeden Wurf feiern als wäre Jogi Löw gerade Weltmeister geworden, die jeden OOOONNNEEEHUUUUUNDRRREEEEDANDEEEEIIIIGHTYYY-Schrei des alten Mannes neben der Scheibe damit quittieren, dass sie von ihren Bänken auf ihre Tische springen, eine Unzahl von 180-Karten in die vorbeifliegende Kamera halten und dabei am besten noch verkleidet, in jedem Fall aber extrem betrunken und bestens gelaunt sind.


Schnell drehe ich die Boxen meines Fernsehgerätes auf, singe mit und belächle die Dortmunder Südtribüne für ihr Theaterpublikum, als es passiert: Michael van Gerwen wirft im Halbfinale der Weltmeisterschaft gegen James Wade einen 9-Darter. In diesem Moment habe ich nicht den blassen Schimmer, was das bedeutet, aber weil 2.500 besoffene Briten und 2 mir völlig unbekannte Kommentatoren total aus dem Häuschen sind, bin ich das auch. Und während ich noch lerne, das ein 9-Darter (das Abwerfen der 501 Punkte mit nur 9 Darts) die schnellste Möglichkeit ist, ein Leg für sich zu entscheiden, macht Mighty Mike einfach weiter. Und wieder trifft er 8 perfekte Darts, wieder braucht er nur noch einen Pfeil für das perfekte Spiel, wieder sitze ich mit angehaltenem Atem auf dem Sofa, kann meine Augen nicht von dem Bildschirm abwenden. Die 1 Sekunde, die er für den Wurf braucht, fühlt sich an wie ein ganzes Pint Bier, die Stille des Publikums verschlingt mich förmlich. Doch dann: Michael van Gerwen trifft nur die 12. Nach 17 perfekten Darts endet seine Serie, stößt die Magie dieses Sports an ihre Grenzen. Doch schon stürmt der Gesang der Halle wieder von neuem los, schon stehe ich wieder vor meinem Sofa.


STAND UUUUUP IF YOU LOVE THE DAAARTS. Ich liebe Darts.




Das Finale von Michael van Gerwen gegen Phil Taylor sehe ich nur zur Hälfte. Als Taylor seine famose Aufholjagd von 2:4 auf 7:4 startet, sitze ich gerade im Auto, vom Ergebnis lese ich später im Internet. Bis ich dem Darts-Sport das nächste Mal Aufmerksamkeit schenke, sollen ziemlich genau 12 Monate vergehen.


2013 leistete der Alltagsstress der Weihnachtslangeweile sehr lange Widerstand. Genau genommen erst nach Weihnachten, passend zu den Viertelfinals kam ich in die Gelegenheit, meine Arbeit vor den Fernseher zu verlegen. Schnell ging ich die Regeln nochmal durch, rief mir ein paar Gesänge ins Gedächtnis und erinnerte mich an die Spieler, deren Namen mir was sagten: Phil Taylor, Michael van Gerwen, Raymond van Barneveld, James Wade, Adrian Lewis. Im Hallenfußball wäre das immerhin eine ganze Mannschaft! Doch beim Blick aufs Tableau dann der Schock: Das Spiel von Michael van Gerwen gegen Mark Webster (wer?!) hatte ich gerade verpasst, die restlichen Viertelfinalisten präsentierten sich mir als eine Reihe von Namenlosen, Phil Taylor, das verriet mir google, war schon in der 2. Runde ausgeschieden. Das letzte Match der Runde, Adrian Lewis gegen James Wade, hatte zwar mir bekannte Namen, allerdings keinerlei Spannung. Dementsprechend war die Stimmung von Kommentatoren und Publikum, dementsprechend war meine Stimmung. Arbeit war doch irgendwie interessanter. Sollte es das schon gewesen sein mit meiner Darts-Faszination?


Ich blieb hartnäckig. Halbfinale: Peter Wright gegen Simon Whitlock. 2 mir völlig unbekannte, paradiesvogelartige Typen spielen ein einigermaßen ereignisarmes Spiel herunter. Der eine trägt ´ne coole Hose. Ich fühle mich ein wenig wie meine Freundin beim Spiel Dortmund Marseille. Ist ja ganz nett, aber was die da alle so spannend finden, uh, der Auba-wie? hat ja witzige Haare.


Doch dann: Michael van Gerwen Adrian Lewis. Aufregung! Die kenn ich! Von Mighty Mike erwarte ich quasi Episches. In glorreicher Erinnerung sind mir seine Taten von letztem Jahr. Und ich bekomme, was ich will: BAM BAM BAM! Am Ende steht es 6:0, die Menge tobt, ich tobe mit und fühle mich ein wenig wie einer meiner Schüler, die mir erklären, ich solle lieber Bayern-Fan sein, die gewinnen schließlich immer!


Doch egal. Ich stehe wieder. Ich liebe Darts. Schnell schaue ich das Datum des Finales nach. Neujahr, 21.15 Uhr. Jawoll, der Termin ist geblockt. Ich bin heiß!


Und ich war heiß. Schon eine Stunde vorher saß ich im Sessel, blockierte, auf Heimaturlaub, den Fernseher meiner Mutter, die Boxen voll aufgedreht. Und dieses Finale übertraf meine Erwartungen. Ich war so drin, wie nie zuvor. Hätte ich Schminke dagehabt, meine Wangen wären sowohl rot-weiß-blau, als auch blau-weiß gewesen.


Van Gerwen ging schnell 4:0 in Führung. Doch weggeblasen war meine Faszination für den Lionel Messi der Darts-Welt. Peter Wright hatte mein Herz erobert, der durchgeknallte, bunte Schotte, der ständig mit dem Publikum agierte, so tragisch weit zurücklag und sooo coole Hosen trug! Und ja! Ich spürte sie: Die Sympathie mit einem Spieler. Wegen des Aussehens.


Schnell schlug ich auf den Tisch, schrie auf, wenn Peter mal wieder einen unglücklichen Fehlwurf landete, sprang auf, jubelte als es plötzlich nur noch 4:2 stand, versank wieder in meinen Sessel als statt des 4:3 das 5:2 fiel. Die Boxen dröhnten mit der Zeit immer lauter, die Fans dichteten ihre eigenen Lieder, ich gröhlte mit. NANANANA PETER WRIGHT PEEETER PETER WRIGHT! Ich war dabei, ich war Fan. Scheiß auf Fußball, scheiß auf Champions League, Darts ist der wahre shit.


Beim Stand von 6:4 stehe ich nur noch vorm Bildschirm. Jeder Wurf ist jetzt wie ein Elfmeter. Es ist, als würde das Finale zwischen Deutschland und Italien per Elfmeterschießen entschieden ach, per Torwandschießen! Mit zu großen Schuhen!


Das vielleicht letzte Leg. Wer das gewinnt, gewinnt den Satz. Das bedeutete den Sieg für van Gerwen oder das 6:5 und damit das finale Comeback für Snakebite Peter Wright. Van Gerwen verpasst das Finish, hat noch 72 Punkte auf der Uhr. Wright kann mit einer Doppel-20 alles klar machen, hat dafür 2 Versuche. Der erste geht daneben. Für den zweiten lässt er sich soviel Zeit, dass ich es nicht mehr aushalte. Ich knie mich auf den Boden. Kann kaum auf den Bildschirm gucken. Wright wirft und verfehlt. Ich sinke zu Boden, das Gesicht in meinen Händen. Das wars. Das lässt sich van Gerwen nicht mehr nehmen. Niedergeschlagen muss ich zusehen, wie die 72 Punkte völlig selbstverständlich zur 0 fallen. Van Gerwen ist Weltmeister, freut sich so arrogant, wie sich Christiano Ronaldo nie freuen wird. Ich schalte direkt den Fernseher aus. Leide mit. Bin sauer. Der Abend ist versaut. Wäre nicht gerade erst Silvester gewesen, ich würd mich jetzt besaufen. Und dann betrunken Jogi Löw verunglimpfen. Ähm, Peter Wright. Wie kann der den denn daneben werfen? Den hätte ja sogar meine Oma gemacht! Blind!



Gestern Abend ging die Weltmeisterschaft der BDO, dem zweiten großen Darts-Verband, zu Ende. Im Finale gewann Stephen Bunting 7:4 gegen Alan Norris. Ich habe keine Ahnung, wer die Typen sind. Aber eins weiß ich. Im Dezember 2014, da bin ich wieder voll dabei. Vielleicht dieses Jahr mit Schminke.

ø 8.5
KOMMENTARE
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Schnumbi
13.01.2014 | 13:41 Uhr
0
-3
Schnumbi : 
13.01.2014 | 13:41 Uhr
-3
Schnumbi : 
Schöne Geschichte. Ich mag solche Storys. Ob es für dich reicht, weiß ich noch nicht .
0
MacMurph
13.01.2014 | 13:28 Uhr
0
-2
MacMurph : 
13.01.2014 | 13:28 Uhr
-2
MacMurph : 
schönes teil, spitzie!
das finale war das erste professionelles dartspiel, das ich mir reingezogen hab. erstaunlich, wie alt man mit 23 schon aussehen kann.

starke runde. macht spaß so!
0
Spitzie_Woodsmoke
13.01.2014 | 10:53 Uhr
0
0
13.01.2014 | 10:53 Uhr
0
Guten Morgen zusammen. Wenn ich richtig mitgezählt habe, ist das hier die zweite Runde des Blogpokals. Meine Gegner sind

MacMurph: http://www.spox.com/myspox/group-blogdetail/Runner-s-High,205181.html

und toxic91 http://www.spox.com/myspox/group-blogdetail/Die-Schiedsrichter-der-Kreisklassen,205131.html

Ich fahre jetzt zur Arbeit. Ihr bleibt sitzen und lest die Blogs. Einer muss es ja tun.

Viel Spaß euch und viel Erfolg den Konkurrenten. Jedenfalls mehr als beim Laufen.
0
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