Borussia gegen Borussia - Pflicht gegen Kür. Ein Kräftemessen zwischen zwei Vereinen, die Deutschland aus unterschiedlichen Gründen das Schrecken lehren. Während die Dortmunder Spieltag für Spieltag Lehrstunden in puncto Effizienz und Siegeswillen erteilen, legt der VfL Mal für Mal imposant dar, wie man trotz regelmäßiger Führung nach 90 Minuten als Verlierer vom Platz gehen kann. Was all dies mit Tango, Promenaden und Herrensoli zu tun hat, soll im Folgenden näher erläutert werden.

Was tut man nicht alles für seine bessere Hälfte? Gemeinsame Einkaufstouren? Klar! Bummel-Spaziergänge über den Weihnachtsmarkt? Immer doch! Die Belegung eines Tanzkurses? Meine leichteste Übung! Dass sich exakt diese Entscheidung, einen Tanzkurs mit meiner Liebsten zu belegen, früher oder später zum Eigentor entwickeln würde, hätte mir eigentlich im Vorhinein klar sein müssen. Wer auch immer den Anfang allen Übels, einen ominösen Infoflyer einer nicht näher benannten Tanzschule in meiner Region, in die Hände meiner Freundin gelegt hat, soll in der Hölle schmoren. Welche katastrophalen Auswirkungen klangvolle Worte wie Cha-Cha-Cha, Morenga oder Rumba, bei deren alleiniger Aussprache sich meine Zunge fühlen muss wie ein Ball kurz vor einem Freistoß durch Thomas Kastenmaier, auf meine Leidenschaft, der Borussia beim Verlieren zuzuschauen, haben sollten, hätte nicht einmal der größte Pessimist dieser Erde vorhersagen können.

Umnachtet von meinem jugendlichen Leichtsinn und bestochen mit den Waffen einer Frau ließ ich mich dazu verleiten, den Kampf gegen meine eigenen Füße in Form eines Tanzkurses anzutreten. Dass die Privatstunden mit einem Patrick-Swayze-Verschnitt nur aus dem Hirnstübchen einer Frau stammen können, wird jedem männlichen Kursteilnehmer spätestens dann klar, wenn er sich deren zeitliche Ansetzung einmal zu Gemüte führt: An neun aufeinanderfolgenden Samstagen hieß bzw. heißt es jeweils um 19:30 Uhr: "Kurz-kurz-seit-ran-Wiegeschritt!". Dank der jüngsten Spieltagansetzungen war es also nur eine Frage der Zeit, bis es mir nicht vergönnt sein sollte, ein "Samstags-Top-Spiel" zu verfolgen - so geschehen beim Duell der Namenscousinen: Die Begegnung der beiden Borussen war für 18:30 Uhr angesetzt - was es mir lediglich ermöglichte, die ersten torlosen zehn Minuten zu verfolgen - immerhin muss man sich ja vorher noch in Schale werfen, die Ballerinas wienern und den Weg zur Tanzschule antreten. Während sich mein Launebarometer rapide der VfL'schen Tabellensituation näherte, erklimmte das meiner Freundin Dortmunder Höhen: "Wir können ja nach dem Spiel die Zusammenfassungen schauen - so verpasst Du nichts!" - welch ein Trost!

So machten wir uns also mit dem Auto auf den Weg, während meine bessere Hälfte artig die Tanzschritte der letzten Wochen vor ihrem geistigen Auge Revue passieren ließ, lauschte ich verkrampft den Ausführungen der WDR2-Liga-Live-Sendung: Null zu null in Dortmund. Bei der Ankunft an der Tanzschule und dem damit verbundenen Ausstieg aus meinem PKW kam ich mir vor wie ein Spielsüchtiger, der soeben seine letzte Runde Poker spielen durfte. Soeben wurde die Nabelschnur zwischen mir und meiner Borussia informationstechnisch durchtrennt. In den Räumlichkeiten des Tanzkurses angekommen wurde ich mit diversen Herrensoli des Discofox vertraut gemacht. Inmitten eines solchen begann plötzlich meine Hosentasche zu vibrieren - mein Handy versuchte vehement, mich über die Geschehnisse im Signal-Iduna-Park zu informieren. Wie ich später erfahren sollte, war es das 1:0 durch unseren Tänzer Reus, der die Borussia aus dem Nichts mit seinem eigenen Herrensolo in Führung brachte. Kurze Zeit später vibrierte es erneut, wodurch meine Nervosität in ungeahnte Höhen vorstoßen sollte. Mein einziges Bestreben war nun, dem Tanzlehrer mit Blickkontakten um eine Pause zu bitten, damit ich mich endlich den Zwischenständen widmen konnte. Hm, ein 1:1 zur Pause? Alles im Rahmen - noch sind wir nicht abgeschmiert.

Doch es sollte schlimmer kommen: Nach der kurzzeitigen Pause sah ich mich wie aus dem Nichts einem neuen Tanz, dem Tango, ausgesetzt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich die kommenden Lektionen unbeschadet überstehen würde, war ebenso unwahrscheinlich wie ein Bestand der aufkeimenden Hoffnung auf einen Punktgewinn in Dortmund. Bei den raumdurchschreitenden Tangoschritten war ich den VfL-Akteuren physisch näher als mir lieb war. Der BVB und der Tango gegen die Elf vom Niederrhein und meine Person: Das Ergebnis war indes auf beiden Seiten dassselbe: Sowohl meine eigenen Beine als auch die von Anderson, Daems, Marx, Bradley und dem gesamten Rest waren verknotet worden. Doch die Schmerzen meines Körpers waren mir zu diesem Zeitpunkt vergleichsweise gleichgültig. Mein Handy vibrierte drei weitere Male und ich konnte nur erahnen, welchen Verlauf der Abend hinsichtlich der Borussia nehmen würde.

Leider wurden alle Träumereien gegen 21:30 Uhr - der Tanzkurs war überstanden - durch einen Blick auf die erhaltenen Kurznachrichten zerstört: Borussia Dortmund vs. Borussia Mönchengladbach: 4:1. Nun steht allen Rautenträgern ein ganz besonders heißer Tanz bevor, und zwar der auf des Messers Schneide.


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