Geschrieben von Bubbagump, Vizzy und LazyLi0n

Mit Beginn des Ligajahres 2019 ging das Duo John Lynch und Kyle Shanahan in das dritte von sechs Vertragsjahren. Nach zehn Siegen aus zwei Spielzeiten rumorte es in den Medien bereits, Bleacherreport veröffentlichte einen umfassenden Artikel darüber, dass zumindest Lynch bereits auf dem Hot Seat säße und auch Shanahans Job nach einer weiteren Saison ohne Playoffs alles andere als sicher wäre. Auch das ursprünglich partnerschaftliche Verhältnis der beiden wurde in Frage gestellt.

Zu Beginn des Traningcamps hört man nun ganz andere Töne. Eigentümer Jed York betonte eingehend, dass er zum jetzigen Zeitpunkt weitaus überzeugter von der Verpflichtung seines Head Coach/General Manager Gespanns ist, als er es noch zu Beginn war. Und auch Lynch und Shanahan dementierten den Inhalt des Berichts mit Nachdruck.

Der Hype um das Team, das in der vergangenen Saison extrem viele Vorschusslorbeeren bekommen hatte, ist in dieser Offseason deutlich geringer. Dies komme den Spielern und Coaches entgegen, erklärte Lynch zuletzt in einem Interview.

Recap

Ein großer Anteil dieser Euphorie drehte sich vor allem um zwei Personen: Jimmy Garoppolo und Kyle Shanahan. Garoppolo spielte sich in den letzten fünf Spielen der 2017er Saison nicht nur in die Herzen aller 49ers Fans, die sehnlichst auf eine neue Ikone auf der QB-Position warteten Er erfüllte die Erwartungen des Front Office soweit, dass er einen Fünfjahresvertrag unterschrieb, der ihn kurzzeitig zum bestbezahltesten Spieler der Liga machte.

Während Garoppolo sich in Week 4 gegen die Kansas City Chiefs das Kreuzband riss und somit keine Chance mehr hatte, die immensen Erwartungen an ihn zu erfüllen, zeigte Shanahan mit UDFA Nick Mullens, an dem nach dem Draft nicht ein einziges weiteres Team Interesse hatte, dass er auch mit vermeintlich deutlich unterlegenem Spielermaterial auf QB und nach vielen Verletzungen auch auf anderen Positionen, in der Lage ist, Defenses vor enorme Probleme zu stellen.

Am Ende der Saison reichte es für vier Siege. Insgesamt ein enttäuschendes Jahr. Zurecht darf man aber gespannt sein, wenn einem der besten, wenn nicht dem besten Playcaller der NFL wieder einen überdurchschnittlicher QB zur Verfügung steht.

Free Agency

Wichtigste Verpflichtungen:

Dee Ford, OLB/DE, Chiefs (via Trade)

Kwon Alexander, ILB, Buccaneers

Tevin Coleman, RB, Falcons

Jason Verrett, CB, Chargers

Jordan Matthews, WR, Eagles

Levine Toilolo, TE, Falcons

Wichtigste Abgänge:

Pierre Garcon, WR, TBA

Alfred Morris, RB, Cowboys

Cassius Marsh, DE, Seahawks

Earl Mitchell, DT, Seahawks

Bradley Pinion, P, Buccaneers

Mit Dee Ford konnte man bereits vor dem Draft den seit langer Zeit brachliegenden Passrush deutlich aufbessern. Ford konnte im vergangenen Jahr die meisten Pressures (77) aller Edgerusher verbuchen und hatte in allen Bereichen ein Career Year (13 Sacks, 17 QB-Hits and 45 QB-Hurries).

Kwon Alexander wird nach seinem Kreuzbandriss in der letzten Saison wohl die Rolle des Weak Side Linebackers neben Fred Warner einnehmen. Das Linebacker Corps der 49ers benötigte nach der Entlassung von Reuben Foster nicht nur eine quantitative, sondern vor allem auch qualitative Auffrischung. Ob Alexander beides bieten kann, wird sich zeigen müssen.

Eine weitere spannende Verpflichtung ist Jason Verrett. Von vielen schweren Verletzungen geplagt, kam er in seinen bisher vier Ligajahren auf gerade einmal 25 Einsätze. Wenn er fit war, gehörte er jedoch zu den besten Spielern seiner Position. Mit einem Einjahresvertrag gingen die Niners hier relativ wenig Risiko ein. Wenn Verrett fit bleibt, hebt er das Niveau der schlechtesten Coverage Unit 2018 (PFF) deutlich an.

Die Abgänge sollten das Niveau des Rosters nicht deutlich schmälern. Pierre Garcon beendete beide Saisons auf IR, Cassius Marsh und Earl Mitchell waren bestenfalls Role Player, Punter Pinion Durchschnitt.

Draft

Runde 1, Pick 2: Nick Bosa, DE, Ohio State

Runde 2, Pick 36: Deebo Samuel, WR, South Carolina

Runde 3, Pick 67: Jalen Hurd, WR, Baylor

Runde 4, Pick 110: Mitch Wishnowsky, P, Utah

Runde 5, Pick 148: Dre Greenlaw, LB, Arkansas

Runde 6, Pick 176: Kaden Smith, TE, Stanford

Runde 6, Pick 183: Justin Skule, OT, Vanderbilt

Runde 6, Pick 198: Tim Harris, CB, Virginia

Nachdem die Cardinals Kyler Murray gepickt hatten, konnte man an Position zwei keinen großen Fehler mehr machen. So wurde der vermeintlich beste Spieler der Draftklasse, DE Nick Bosa, ein Niner und plötzlich wirkt die Langzeitproblemzone Edge-Rush beidseitig potent besetzt.

Für die Offense folgten zwei WR in Runde 2 und 3. Deebo Samuel sollte sofort weiterhelfen, Jalen Hurd gilt eher als Projekt. Eine ziemliche Überraschung war Viertrundenpick Mitch Wishnowsky. Nach dem Abgang von Bradley Pinion waren die 49ers zwar zum Kreis der Teams gezählt worden, die einen Pick in einen Punter investieren könnten, dass es allerdings schon in der vierten Runde passierte, kam überraschend.

In den späteren Runden kann man Kaden Smith, Dre Greenlaw und Tim Harris durchaus gute Chancen auf einen Spot im 53er-Roster zuschreiben.

Offense

Neue Saison, altes Thema rund um die Offense der San Francisco 49ers: Kann Jimmy Garoppolo an seine Leistung aus den letzten 5 Spielen der 2017er Saison anknüpfen und der Franchise Quarterback sein, für den ihn die gesamte Organisation hält?

Eine kurze schematische Erläuterung der Kyle Shanahan Offense gibt es hier von Adrian oder hier in einer ausführlichen Version von Nick Wagoner(ESPN). Da sich schematisch in den letzten beiden Jahren nichts geändert hat, wollen wir uns mit diesem Punkt nicht länger aufhalten und viel mehr auf das Personal schauen.

Für Jimmy G wird dies ohne Frage eine wegweisende Saison, nachdem er 2018 in nur 2 2/3 Spielen mitwirken konnte. Nach der Saison 2019 gibt es nämlich bereits die erste Opt-Out Möglichkeit im Vertrag des Quarterbacks, der es den 49ers erlaubt, relativ günstig aus dem Vertrag auszusteigen.

Auch wenn man Jimmy besonders zu Beginn der kommenden Saison eine gewisse Eingewöhnungszeit geben muss, sollte man dennoch ansprechende Leistungen ab Mitte Oktober von ihm erwarten. Hinter Garoppolo kämpfen Nick Mullens und Casey Jarett Beathard um die Position des Backup QBs, wobei nach der letzten Saison Mullens der klare Favorit sein sollte.

Bei den Running Backs wird es dagegen schon interessant: Zählt man Fullback Kyle Juszczyk zu dieser Positionsgruppe hinzu, zahlt kein Team in der NFL mehr an Active Roster Cap für seine Ball-carrier als die 49ers. Selbst ohne Juszczyk liegt man hinter den Bills und Rams auf Rang 3 (Quelle: Spotrac) und das ohne klaren Nummer 1 Back.

Sind die 49ers damit also ein Run-First Team im Stil von Seattle oder Dallas? Mitnichten. Jerrick McKinnon wurde 2018 unter anderem wegen seiner Fähigkeiten als Receiver geholt, was Kyle Shanahan mit Tevin Coleman im Passspiel anstellen kann, sollte vielen noch bekannt sein und auch Matt Breida hat in dieser Hinsicht als Receiver deutliche Fortschritte gemacht. Das Backfield besticht jedoch nicht nur durch seine Receiving Skills, alle Backs passen bestens in das Outside Zone Running Game Shanahans.

Bei den Tight Ends sieht die Rangfolge klar aus: George Kittle ist nach seiner Rekordsaison der unangefochtene Starter (und Star der Offense). Dahinter kämpfen Garrett Celek, Kaden Smith und Levine Toilolo um die Plätze 2 und 3 in der Depth Chart.

Die Starting Oline der Niners sollte, wenn alles gut geht, wieder aus Staley Tomlinson Richburg Person - McGlinchey bestehen. Die beiden Tackles spielten eine gute 2018er Saison und gehören besonders im Run Game zu den besten O-Linemen der Liga. Größtes Fragezeichen der Line ist ohne Zweifel Weston Richburg. 2018 für einen stolzen Preis verpflichtet worden, konnte er bisher die in ihn gesetzten Erwartungen nicht mal im Ansatz erfüllen.

Last but not least: Die Wide Receiver. Konnte 2018 noch Kendrick Bourne mit mickrigen 487 Yards die meisten aller Wide Receiver verbuchen, sollte dies 2019 ganz anders aussehen. Trent Taylor ist wieder fit, bei Deebo Samuel und Jalen Hurd schlug man im Draft zu, Jordan Matthews kam als Free Agent und Marquise Goodwin sollte in einer spezifischeren Rolle auch besser durch die Saison kommen. Dante Pettis (Zweitrundenpick 2018) hat gegen Ende der vergangenen Saison bereits sein Talent gezeigt und dürfte mit Samuel die Rolle als WR1 und WR2 unter sich ausmachen. Dahinter hat man dann verschiedene Möglichkeiten für verschiedene Situationen, bspw. Trent Taylor als Slot Receiver, Goodwin als Deep Ball Specialist, Jalen Hurd/Matthews als Big Slot Receiver etc.

Seien es Running Backs, Tight End(s) oder auch Wide Receiver; die 49ers Offense ist mit Waffen, die auf Yards after Catch spezialisiert sind, gespickt und mit der Kreativität eines Play-Callers wie Kyle Shanahan sollte diese Positionsgruppe auch 2019 eine der schematisch interessanteren der NFL werden.

Defense

Neben einigen personellen Änderungen in der Defense steht vor allem der defensive Playcaller der 49ers vor der neuen Saison im Zentrum der Beobachtung. DC Robert Saleh wurde während der letzten Saison von vielen für die hinter den Erwartungen zurückbleibende Defense der 49ers verantwortlich gemacht. Eine Defense, die letzte Saison mit sieben verursachten Turnovern nicht nur das Schlusslicht der Liga war, sondern damit auch einen neuen Negativrekord in der Super Bowl Ära verzeichnete.

Die Stärke der Defense ist wie in den letzten Jahren die Defensive Line. Der große Unterschied ist jedoch, dass sich diese Stärke von nun an nicht nur auf die Interior Line rund um Deforest Buckner beschränkt. War der Edge Rush in den letzten Jahren oft das Sorgenkind der 49ers, so hat man nun nachdem man erst Dee Ford von den Chiefs verpflichtete und anschließend Nick Bosa draftete, diese Schwäche innerhalb einer Offseason vermutlich zu einer Stärke gemacht. Eine weitere Änderung ist der neue Defensive Line Coach Kris Kocurek, der bereits die vermehrte Nutzung der so genannten Wide-Nine-Front ankündigte. Dies kann der D-Line im Passrush und gegen Outside-Zone und Stretch Plays helfen, setzt aber auch die Linebacker unter Druck, die bei Inside Runs mehr Verantwortung bekommen. In der heutigen NFL ist dies aber wohl eine sinnvolle Nuance.

Des Weiteren sollte auch die Tiefe der Defensive Line Rotation, die auch über Spieler wie Solomon Thomas und Arik Armstead verfügt, die Line der 49ers zu einer der besten Positionsgruppen der NFL machen.

Auf dem zweiten Level der Defense wird vor allem die Entwicklung von Fred Warner interessant zu beobachten sein. Der Middle Linebacker geht in seine zweite NFL-Saison und ist nach seiner guten Rookiesaison als Starter gesetzt. Ebenfalls gesetzt dürfte Free Agency Verpflichtung Kwon Alexander sein. Die 49ers gaben dem früheren Buccaneer einen Vierjahresvertrag über 54 Millionen Dollar. Davon hielt die 49ers auch der Kreuzbandriss nicht ab, den Alexander während der letzten Saison erlitt. Mit seinen noch recht jungen 24 Jahren dürften John Lynch und Kyle Shanahan auch die Hoffnung haben, dass Alexander sich nicht nur komplett von seiner Verletzung erholt, sondern auch noch nicht den letzten Schritt in seiner spielerischen Entwicklung hinter sich hat.

In der Secondary der 49ers ist mit Beginn des Training Camps wie vor der letzten Saison die Frage aufgekommen, wer auf der gegenüberliegenden Seite von Richard Sherman starten wird. Ahkello Witherspoon, der diese Position zu Beginn der letzten Saison bekleidete, hat ein recht turbulentes Jahr hinter sich. Er begann die Saison eher schwach, schaffte es jedoch sich im späteren Verlauf deutlich zu steigern. So ließ er zwischen Week 10 und Week 17 nur ein Passer Rating von 48.6 zu. Sein größter Konkurrent um die Starterposition wird wohl Jason Verrett sein, sofern dieser von Verletzungen verschont bleibt.

Bei den Safeties steht ebenfalls das Thema Gesundheit im Vordergrund. So schlugen sich sowohl Jaquiski Tartt, als auch Adrian Colbert und Jimmie Ward in der vergangenen Saison mit Verletzungen herum. Tartt dürfte zu Saisonstart weiterhin als Strong Safety gesetzt sein. Die Frage wer die wichtige Rolle des Free Safety im System der 49ers bekleidet ist dagegen etwas offener. Dort darf sich neben Ward und Colbert auch der letztjährige Rookie Tarvarius Moore Chancen ausrechnen. Nach einem Experiment als Outside Corner kehrt er diese Saison auf die Safetyposition zurück und sah zu Beginn des Training Camps bereits Snaps mit dem First Team.

Insgesamt versuchte man die Probleme in der Secondary (schlechteste Coverage Unit 2018 laut PFF) nicht mit prominenten Neuverpflichtungen anzugehen. Ein stark verbesserter Passrush um Ford, Bosa und einer tiefen D-Line soll die Coverage im Backfield vereinfachen. Darüber hinaus wurde Joe Woods als defensive passing game coordinator verpflichtet. Dieser sollte mit seiner Erfahrung auch Robert Saleh einiges an Input geben können.

Players to watch

Jimmy Garoppolo

Fünf begeisternde Spiele in 2017, 2 durchschnittliche Spiel in 2018, eine schwere Verletzung. Garoppolo muss zeigen, dass er der Franchise Quarterback der 49ers ist.

Weston Richburg

Der Center ist eine der wichtigsten Positionen für Outside Zone Plays. Richburg konnte in seinem ersten Jahr als Niner leider kaum dazu beitragen, dieses besser zu machen. Auch als Passblocker hatte er Probleme. Er wird zeigen müssen, dass die für ihn unterdurchschnittlichen Leistungen vor allem seinen Knieproblemen seit Week 4 zuzuschreiben waren.

Solomon Thomas

Thomas verfiel in der vergangenen Saison nach dem Suizid seiner Schwester selbst in eine Depression, spielte jedoch trotzdem. Nach eigener Aussage geht es ihm nun viel besser. Man darf gespannt sein, ob er sein enormes Potential endlich abrufen kann.

Ahkello Witherspoon

Der Drittrundenpick aus 2017 muss nach seiner ansprechenden Rookiesaison zeigen, dass er eine langfristige Lösung als Gegenüber von Richard Sherman sein kann. Das Potential dazu ist zweifelsohne da, 2018 konnte er jedoch nur teilweise an seine Rookieleistungen anknüpfen.

Prognose

Viel schlauer als vor der Saison 2018 ist man in San Francisco nicht.

Viel hängt weiterhin an Jimmy Garoppolo. Die Umstände für ihn, um Erfolg zu haben, haben sich jedoch verbessert. Die Offense ist gespickt mit Matchup Waffen, mit denen eine Shanahan Offense immensen Schaden anrichten kann.

In der Defense gibt es neue, kompetente Coaches und Ford und Bosa sollten endlich Druck über die Edges erzeugen können.

Mit einem fitten Garoppolo, einer durchschnittlichen Defense und weniger Verletzungspech als in den vergangenen zwei Spielzeiten, darf man in San Francisco durchaus von den Playoffs träumen.

Unser Tipp: 10-6