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Blogpokal 2014/2015


Gründer: RoterBulle92 | Mitglieder: 25 | Beiträge: 5
Von: Voegi
13.04.2015 | 3549 Aufrufe | 11 Kommentare | 6 Bewertungen Ø 8.5
Blogpokal 2014/15
SPOCKSDOTTKOMM
Oder: Der rote Faden meines Lebens

Hätte ich mir ja denken können, dass es irgendwann so enden würde. Seit Jahren schon lief es immer wieder nach dem gleichen Muster ab: Was mich zunächst befremdete und anwiderte, zog mich schon bald in seinen Bann und ließ mich nicht mehr los. Das anscheinend Unerträgliche entpuppte sich nach geraumer Zeit als mein persönliches Faszinosum. Der Weg vom roten Tuch zum rosaroten Liebling ist in meinem Falle nicht weit. Abgrundtiefe Abneigung mündet bei mir regelmäßig in grenzenlose Begeisterung. Warum auch immer - sollen sich Psychologen dieses Phänomens annehmen.

Es begann im April 1986. Das alles entscheidende Bundesliga-Spiel zwischen Werder Bremen und Bayern München stand an. Ganz Deutschland schaute zu und hielt gebannt den Atem an, als Michael Kutzop den legendärsten Elfmeter der Liga-Geschichte mit ungewollter Präzision an den Außenpfosten setzte. Nur mich interessierte all das herzlich wenig. Fußball? Nicht mein Ding, dachte ich mir mit meinen sieben Lenzen und überredete meinen Vater, statt des schnöden Kicks doch lieber Bud Spencer zu schauen. "Der Große mit seinem außerirdischen Kleinen" - zweifellos die bessere, weil unterhaltsamere Alternative. So ein dröges Fußballspiel, noch dazu ohne Tore, wollte ich mir nicht antun. Dieser Sport war doch wohl vollends langweilig. Überhaupt Sport wie konnte man sich denn so etwas stundenlang anschauen? Meine Verachtung gegenüber dem Sport im Allgemeinen und dem Fußball im Besonderen schien im Frühjahr 1986 wie in Stein gemeißelt. Ich ein Fußball-Fan? Niemals!

Als der FC Bayern München das Europapokalendspiel in Wien auf gleichsam unglückliche wie klägliche Weise im Mai des darauffolgenden Jahres verlor, war von meiner Abneigung gegenüber diesem komischen Fußballsport nichts mehr geblieben. Mein Widerwille hatte sich, ohne das Übergangsstadium der Gleichgültigkeit zu durchlaufen, in pure Leidenschaft verwandelt. Fußball war mein Leben wie es dazu gekommen ist, wird ein Mysterium bleiben. Irgendwann im weiteren Verlaufe des Jahres 1986 musste mich der Virus befallen und zum ewigen Fan gemacht haben. Wie, warum und wann genau kann ich nicht ergründen und werde ich, wenn man Nick Hornby Glauben schenken darf, wohl nie herausfinden. So verfolgte ich, der noch im Jahr zuvor für Fußball so gar nichts übrig hatte, jenes Europapokalendspiel von Wien in einer Mischung aus Enthusiasmus und Nervosität, um den frustrierenden Ausgang mit bitteren Tränen kindlicher Enttäuschung zu quittieren. Der Fußball-Hasser war zum Fußball-Fanatiker geworden.

Mein persönliches Schema der Extreme sollte im November 1991 wieder zur Anwendung kommen. Freddie Mercury starb mit 45 Jahren an AIDS. Die Musikwelt hielt den Atem an. Die Nachrichten würdigten die Rock-Ikone, tausende Menschen bekundeten ihre Trauer mit einem Meer aus Blumen vor Mercurys Villa und MTV spielte Queen-Videos rund um die Uhr. Und ich? Nahm das Ganze mit Interesse, aber doch mit leichter Befremdung zur Kenntnis. So viel Aufheben um den Sänger einer Band, die in den nicht einmal 20 Jahren ihres Bestehens kaum einen vernünftigen Song zu Stande gebracht hatte - musste das wirklich sein? Nein, Queen traf im Spätherbst 1991 so gar nicht meinen Geschmack. Das auf gut Glück gekaufte Album Innuendo gefiel mir so gar nicht und außer dem eingängigen "We will rock you" und dem allseits bekannten "We are the Champions" sagte mir die Londoner Rockband gar nichts und vor allem überhaupt nicht zu.

Es kam, wie es bei mir eben kommen musste. Die Dauerberieselung mit Queen-Videos auf dem damals noch populären Musiksender hinterließ auch bei mir ihre Spuren. So furchtbar und seltsam war dieses Queen irgendwie doch nicht. Im Gegenteil, ziemlich starke Lieder hatten Mercury, May & Co. in den rund 18 Jahren ihres Schaffens da abgeliefert. Wieder einmal schlug meine einstige Abneigung rasch um in Leidenschaft und Begeisterung. Ich kaufte mir alle Alben, diverse, aus heutiger Sicht wohl doch höchst überflüssige, Sekundärliteratur und widmete mich mit Haut und Haaren dieser, wie ich jetzt plötzlich erkannte, grandiosen englischen Rockband. Der Queen-Hasser war zum Queen-Fanatiker geworden.

Im Juli 2001 war es dann wieder einmal so weit. Das Fernsehprogramm ließ wie üblich im Sommer zu wünschen übrig und die Fernsehmacher wussten sich nicht anders zu behelfen, als am Samstagabend zur besten Sendezeit einen James-Bond-Film zu zeigen. Aus mir unerfindlichen Gründen entschied ich mich, den Film doch einfach mal aufzeichnen (James-Bond-Filme laufen ja auch so selten im Fernsehen), um mir die ganze Chose doch mal etwas genauer anzuschauen. Man kann seine Vorurteile ja einmal auf ihre Berechtigung hin überprüfen. Meinen bis dahin bestehenden Glauben, Bondfilme seien öde, verkrampfte und vor allem hochkomplexe Agententhriller (aus heutiger Sicht eine sehr originelle Sichtweise) wollte ich endlich auf den Prüfstand stellen. Während sich meine Kumpels vor Begeisterung über mitreißende Verfolgungsjagden, skurrile Gadgets und exotische Schauplätze ausschütteten, stand ich immer nur fassungs- und ahnungslos dabei und konnte so viel Enthusiasmus nicht begreifen. Irgendetwas stimmte da nicht.

So schaute ich mir im Sommer 2001 meinen ersten Bondfilm im Fernsehen an (die drei Bond-Kino-Besuche hatten mich nur leidlich fasziniert) und wurde meinem Schema der Extreme gemäß rasch in den Bann gezogen. Nach dem zugegebenermaßen recht albernen "Moonraker" folgten "In tödlicher Mission" und nach und nach sämtliche mir bis dahin noch unbekannte Bond-Abenteuer. Was ich als unzugängliche, sperrige Geschichte glaubte, offenbarte sich als launig-unterhaltsam-mitreißendes Spektakel, dessen Faszination ich nunmehr, mit einiger Verspätung erlag. Wieder einmal schlug meine Abneigung in grenzenlose und mitunter übertriebene Begeisterung um, in deren Zuge ich dann sogar Leiter eines Fanforums wurde. Der Bond-Hasser war zum Bond-Fanatiker geworden.

Im Spätsommer 2007 verkündete Premiere nun den Startschuss einer Partner-Webseite, auf der man alles Wichtige zum Sportgeschehen nachlesen könne. Mit der gleichen unbeirrbaren Frequenz, in der man heute Boxkämpfe und Löwen-Dokus anpreist, bewarb man seinerzeit eben jenes neue Interprojekt. Im gefühlten Viertelstundenrhythmus wies man auf das brandfrische Sportportal hin und wurde nicht müde, seinen Namen in enervierendem Da Capo über den Äther zu schicken: SPOCKSDOTTKOMM SPOCKSDOTTKOMM SPOCKSDOTTKOMM! Ich! konnte! Es! Nicht! Mehr! Hören! Und entschied mich aus lauter Trotz diese achso neue Internetseite mit meiner Ignoranz zu strafen. Wer sich so hartnäckig bewerben lässt, wird von mir eben hartnäckig missachtet. SPOX und ich - das passte einfach nicht. Basta!

Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt. Zwölf Monate später riet mir ein gewisser magic, meine Fußballtexte doch nicht auf dem Stadtmenschen-Portal des Kölner Stadtanzeigers versauern zu lassen, sondern sie doch besser auf einer Sportseite zu veröffentlichen. Dort wo man Blogs einfach so direkt einstellen könne, ohne abwarten zu müssen, bis ein Redakteur sein Placet für die Veröffentlichung gegeben habe. Dort sollte ich es doch einmal versuchen auf diesem SPOX. Kann man ja mal probieren, dachte ich mir und gab mir den inneren Adenauer: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern. Muss ja nicht unbedingt so schlecht sein, dieses SPOCKSDOTTKOMM. So fing alles an und ging dann immer weiter. Von Liga-Lehren, Blogpokal, Moderator bis zum Leiter des Community-Haufens. Mit allen Höhen und allen Tiefen. Mit großartigen Menschen und nervigen Trollen. Mit freundlichem Feedback und fundamentaler Kritik. Mit unvergesslichen Highlights und bösen Überraschungen. Was auch immer in den zurückliegenden bald sieben Jahren, die ich nun schon Mitglied dieses Vereins bin, an Tollem und Schönen wie Ärgerlichen und Nervigen geschehen ist, ich komme nicht mehr davon los. Aus dem SPOX-Skeptiker ist ein Teil von SPOX geworden. Ich will es nicht mehr missen.

Ach ja, gut möglich, dass mein Schema der Extreme, das meine fundamentale Abneigung schon oft in ungezügelte Begeisterung hat umschlagen lassen, noch ein weiteres Mal zuschlägt: Ich kann mit Tattoos einfach nichts anfangen, finde sie unschön, störend und überwertet. Es steht also damit zu rechnen, dass ich ihn zehn Jahren auf der gesamten Oberfläche meines Körpers tätowiert bin.

KOMMENTARE
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Voegi
MODERATOR
13.04.2015 | 18:05 Uhr
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Voegi : 
13.04.2015 | 18:05 Uhr
0
Voegi : 
Dies ist mein Beitrag zum Blogpokal 2014/15. Mein Gegner in dieser Runde ist ausLE.
Bitte stimmt ab, welcher der beiden Texte Euch besser gefallen hat und gebt netterweise eine Begründung ab. Ach ja: Vorher solltet Ihr beide Texte gelesen haben...^^
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