Ich bin ja seit neustem Tippspielsüchtig.

Wow. Hätte ich nicht gedacht, dass ich biedere Gestalt mal so enden würde, aber wie immer im Leben war es auch hier. Die falschen Freunde.

Der schlechte Einfluss.

Ihr wisst schon. Ich umgebe mich oft mit zwielichtigen Gestalten, wobei ich besonders an zwei dunkle Charaktere denke, die ich aber nicht öffentlich nennen will. Hust. Auch Enten. So wie ich.

Wie auch immer, der eine davon meinte zu mir, dass wir doch mal tippen sollten. Ich kannte das bisher nur vom Lotto (bin auch lottosüchtig) und da ich dort ständig höchsterfolgreich war (5 Euro alle 3 Monate) beschloss ich kurzerhand, mich den Sportwetten hinzugeben. Man hat ja sonst nix im Leben.

Wie jeder verblendete Idiot war ich selbstverständlich der Ansicht, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben und sah mich vom Gewinn schon zahllose Luxusgegenstände und Liebesdienerinnen bestellen.

Mein erster Besuch in einem Sportwettenbüro war in fast jeder Hinsicht denkwürdig. Ich weiß ja bis heute nicht, ob die Läden professionell wirken sollen, aber wir waren in einem kleinen Drecksladen, für den das Wort Spelunke ein Euphemismus wäre. Klein, abgewrackt und so verraucht, als ob dort Helmut Schmidt Dauergast wäre und voller offensichtlich krimineller Subjekte. Die Hälfte davon vermutlich auf Freigang. An der Theke hing ein fetter, schwitzender Kerl, der so freundlich aussah wie ein Drache während der Regelblutung.

Mich einräuchernd lassend zwängte ich mich mit meinem Begleiter hinein. Sofort war mir klar, dass meine Kleidung nach fünf Minuten reif für den Altkleidermüll sein würde. Aber die Gier war natürlich stärker. Menschen sind schlimm.

Ich besonders.

In der Hoffnung, nicht erstochen zu werden, setzten wir uns an einen Tisch. Leider gab es weder Stifte noch Wettprogramme. Oh jei dachte ich, das wird heiter.

Die Stifte zu besorgen gestaltete sich dann doch machbar. Ich schlich an eine Gruppe abgewrackter Opis heran, die sich in einem unverständlichen Kauderwelsch zankten. Möglichst höflich, aber nicht zu höflich (um nicht als schwach zu erscheinen) fragte ich ob denn ein Stift frei sei. Ich wurde nicht beachtet. Und nahm den Stift trotzdem. Yolo. (Hab ich vor kurzem beigebracht bekommen dieses Yolo. Eigentlich stumpfsinnig, aber irgendwie doch voller eigentümlicher Komik

Erleichtert zog ich weiter zum Drachen an der Theke, der mir grunzend beschied (nachdem ich 10 Minuten warten durfte, weil er noch eine Unterhaltung zu beenden hatte) (vermutlich plante er seinen nächsten Einbruch) dass ich halt nachschauen müsse.

Ja, das hätte ich schon.

Ja das sei dann mein Problem, wenn nichts mehr da sei.

Aha, schön.

Und noch mehr ausdrucken?

Das würdigte er nicht mal mit einem abfälligen Grunzer.

Also zog ich unverrichteter Dinge ab und setzte mich wieder zu meinen Kumpanen. Als dann nach Stunden endlich ein Programm frei wurde, waren wir längst gefühlte Räucherstäbchen.

Die Probleme, die ich hatte, das Wettprogramm überhaupt zu decodieren, erspare ich euch. Ich musste den Grunzer auf jeden Fall mehrmals besuchen und mit dummen Fragen belästigen, was jedes Mal aufs Neue eine tolle und bereichernde Erfahrung war. Man tippte die Spiele auf den Scheinen nämlich nach Buchstabenkombinationen. Also Bayern-Lummerland war z.B 23A. Dumm nur wenn mein A auf dem Schein dann aussah wie eine 5. Wieso auch immer. Ich hab ne tolle Handschrift. Dann tippte man nämlich aus Versehen auf Betlehem U18 gegen Hintertupfingen. Und das merkte ich natürlich erst, als der Schein bereits abgegeben und ausgedruckt war. Der Tipp stimmte dann zwar, der Rest leider nicht. Vielleicht hat diese Art von Zufallstippen ja Zukunft, ich denk mal drüber nach.

Auf jeden Fall tippte ich (nach vielen Fragen) in den nächsten Wochen wiederholt euphorisiert ganze Champions-League Spieltage durch, natürlich in der sicheren Erwartung eines großen Gewinns.

Leider spielte regelmäßig Barcelona oder Real Zuhause nur unentschieden. Zuhause. Gewinnen 5 Jahre jedes Spiel aber wenn ich tippe, dann nicht. War ja klar. Ich war bedient. Es musste sich um einen Fehler handeln. Erneut tippte ich. Erneut war ein Spiel falsch.

Klare Schiebung.

Ich zweifelte an mir und dem Universum und begann mit anderen Varianten. Es gibt ja nicht nur das Tippen auf Sieg, sondern auch doppelte Chance, dass das eine Team nicht verliert oder Über/Unter, eine Wette auf Tore usw.

Wild kombinierte ich alles nur um festzustellen, dass weiterhin mindestens 1 Spiel immer falsch war. Ich schob es auf das Pech. Auf das Universum. Aber sicher nicht auf mich.

Irgendwann reichte es uns dann mit dem Einräuchern und wir verlagerten unsere Aktivitäten ins Internet. Wieso ich das überhaupt tat, weiß ich nicht. Ich gewann ja nichts. Vielleicht war es mein Hang zur Selbstzerstörung oder einfach die Sucht. Auf jeden Fall eine weitere vieler hirnrissiger Entscheidungen in meinem Leben. Aber irgendwann hat man einfach Übung darin. Ich auf jeden Fall.

Natürlich führte die Verlagerung ins Internet dazu, dass wir nun auf alles wetteten. Elfmeter für Bayern, 1 Euro dass er reingeht. Erstaunlicherweise freut man sich dann wie ein kleines Kind, wenn man die 25 Cent gewinnt. Aber die wirklich wichtigen Dinger, dass z.B Hannover bei 2:0 Führung Bayern der Anschlusstreffer gelingt, das verpennt man trotz Traumquote.

Seufz.

Längerfristig führte das Tippen bei mir dazu, dass meine Mannschaftssympathien in den Hintergrund traten. ManCity anfeuern, früher verpönt, inzwischen normal. Ist mir doch Banane, dass der Club so böse ist wie Bohlen am DSDS-Tisch, aber wenn die bei mir auf dem Schein sind, wird angefeuert. Erst kommt das Fressen, dann....ja, so siehts aus.

Seit neustem tippe ich jetzt nur noch die ganz sicheren Quoten. Aber ein Gewinn ist auch da die Ausnahme. Ausnahme. Höhö. Wenn ich es mir genau überlege, habe ich noch nie was gewonnen. Denn irgendwas geht immer schief. Aber ich mach weiter. Weil ich ein Idiot bin. Und mit Idioten, wie man so schön sagt, treibt man die Welt um.