Der Kölner ansich wird gerne beschrieben als herzlich, freundlich, aufgeschlossen, witzig und positiv verrückt. Das Klischee ist also ähnlich zum Klischee des "freundlichen Dicken". Vielleicht hat zu diesen Überschneidungen auch Reiner Calmund beigetragen, der in beide Gruppen passt, wenn er auch nicht direkt aus Köln kommt, sondern aus Brühl (quasi Köln) und bekannt vor allem für seine Arbeit in Leverkusen (quasi auch Köln) ist.

Aber genau wie es nicht nur sympathische und freundliche "Dicke" gibt, sondern auch die, die morgens in der Bahn komisch riechen, gibt es auch Kölner, die nicht ins Klischee passen. Nicht in den oben genannten Punkten (naja, gut, vielleicht auch, ein paar Imis sind nicht ganz so herzlich, freundlich und aufgeschlossen), sondern in einem Punkt, den ich bisher bewusst weggelassen habe: der Kölner ansich ist FC-Fan.

Natürlich gibt es Ausnahmen, wie man auch hier bei SPOX bewundern kann. Es gibt einen ziemlich bekannten Blog-Schreiberling, der zwar in Köln geboren, aber Bayern-Fan ist. Naja, Erfolgsfan halt. Davon gibt es hier in dieser schönen Stadt, deren bekanntestes Wahrzeichen ich gerade mit einem Blick aus dem Fenster bewundern kann, sicher noch mehr.
Es gibt sogar Fans von Gladbach, die sich unerkannt bewegen, ständig in Angst vor Enttarnung ihrer fürchterlichen charakterlichen Verfehlung. Sagte ich, der Kölner ansich ist aufgeschlossen? Alles hat seine Grenzen.

In Wahrheit ist es jedoch so, dass diese Fans anderer Vereine etwas nicht verstanden haben: der FC ist das, was Barcelona von sich behauptet zu sein. Mehr als ein Verein.

Der 1. FC Köln ist eine Religion.

Zumindest in dem kleinen Millionendorf, in dem er zuhause ist. In dem Woche für Woche 50000 Verrückte (hatte ich oben "positiv verrückt" geschrieben? Vergesst das!) ins Stadion gehen, zum Gottesdienst. Sich selbst geißeln mit 90 Minuten von dem, was manche für Fußball halten in dem absoluten Glauben daran, dass irgendwann Hennes Weisweiler wiedergeboren wird, um das Double erneut nach Köln zu holen. Die, die nicht den Weg ins Stadion finden, verfolgen das Spektakel über das heimische Rundfunkempfangsgerät. Die Schwächeren unter uns nur in der Zusammenfassung.

Diese bedingungslose Verehrung führt dazu, dass die Wahrnehmung durch Fans anderer Vereine manchmal verzerrt wird. Die verstehen dann nicht, wieso man in Köln immer nach Europa schielt, warum die Fans ständig vom Double anfangen, wenn man drei Wochen hintereinander gegen Rumpfgegner untergegangen ist und warum es in Köln Menschen gibt, die ihre Kinder zur Adoption frei geben würden, wenn der Filius "Ziege" sagt und auf Hennes den VIII. zeigt.
Diejenigen möchte ich beruhigen: das versteht hier in Köln auch niemand. Wir machen das einfach. Das ist normal bei einem Verein, dessen Fans zu Tausenden nach Meuselwitz fahren, um einen FC-Sieg zu sehen. In einer Stadt, in der zum Training im Stadion mehr Zuschauer kommen als bei anderen Vereinen zum Spiel, nur weil der verlorene Sohn zurückgekehrt ist. Beim einzigen Verein in Deutschland, der einen Messias und einen Judas hat. Manchmal sogar in einer Person.

Ob der FC gewonnen hat, oder verloren, das merkt man am Montag darauf überall in der Stadt. Die Luft verändert sich. Die Stadt ist enttäuscht. So auch nach dem vergangenen Wochenende. Wieder nichts mit der Erlösung in diesem Jahr. Oder vielleicht doch? Die Hoffnung stirbt nicht, so lange man glaubt. Und der Kölner ansich, der ist religiös.

Manche, die unter Schmerzen auf die Erlösung warten, sind neben der religiösen Verehrung des "Real Madrid Deutschlands", dieses "weißen Balett vom Rhein" noch Anhänger eines anderen Vereins, um die Qual zu lindern. So wie ich. Verzeiht mir, denn ich bin schwach. Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!