Grund für meinen Besuch in der englischen Hauptstadt war natürlich das Spiel New England Patriots gegen die St.Louis Rams, das vergangenes Wochenende im Rahmen der NFL International Series stattfand. Es war schön anzusehen, wie die Anzahl an NFL-Jerseys in der Stadt von ein paar (Donnerstag) über ab und zu mal eins (Freitag/Samstag) bis hin zu einer Farbenvielfalt aller 32 NFL-Teams (und ein paar Collegeteams) am Sonntag anstieg. Natürlich habe ich mir auch die Stadt angesehen, Sightseeing-Tipps werde ich euch allerdings ersparen und mich aufs NFL-relevante beschränken.
Am Donnerstag statteten wir dem Nike Town in der Oxford Street einen Besuch ab, weil wir schon im Vorfeld gehört hatten, dass anlässlich des Spiels der NFL eine komplette Etage gewidmet worden war. Dort angekommen wurden wir auch keineswegs enttäuscht, wie die Bilder belegen dürften. Das komplette Erdgeschoss war liebevoll und komplett im NFL-Thema bestückt, unter anderem waren 32 Schaufensterpuppen (für jedes Team eine) auf einem Podest aufgebaut, ein sehr beeindruckender Anblick. Ich habe den Aufenthalt dort genutzt, um zusammen mit Jerod Mayo einmal Sam Bradford zu tacklen, was auch trotz meiner nicht vorhandenen Defense-Erfahrung vorzüglich geklappt hat (Man verzeihe mir, dass ich ihn auf der falschen Schulter attackiere, klassischer Anfängerfehler).
Der nächste geplante NFL-Termin war eigentlich erst die Fan Rally am Samstag, doch am Freitag bewahrheitete sich die alte Binsenweisheit "unverhofft kommt oft", als wir bei einem Spaziergang im Hyde Park über zirka 50 in graue Jogginganzüge gekleidete und ziemlich sportlich aussehende Männer stoplerten, die sich bei näherem Hinsehen als die New England Patriots entpuppten. Die Jungs schienen genug von der Hotelluft zu haben und führten unter den Augen ihrer Coaches und anderer Teamoffizieller und höchstens 30 größenteils unwissenden Schaulustiger eine Art Showtraining durch. Einfach so. Im Hyde Park. Es schien wohl schon eine Weile zu laufen als wir kamen, und wir bekamen nur den Schluss mit, aber genug um die komplette Zeit mit offener Kinnlade die Superstars aus nächster Nähe zu beobachten. Ein paar Special Teams Spielzüge und ein Abschlusshuddle später schlurften die Jungs zurück in Richtung Teambus wie eine normale Touristengruppe.
Am Samstag fand am berühmten Trafalgar Square die besagte Fan Rally statt, die vom britischen Sky Sports NFL-Kommentator Neil Reynolds und dem ehemaligen NFL-Spieler Ross Tucker moderiert wurde. Es war eine schöne Einstimmung auf den Sonntag, es gab amerikanische Verpflegungsstände, Merchstände, Wurf-, Longsnap- und Kick-Challenges und eine Bühne auf der sich die Superstars und Coaches des Sonntagsspiels, Hall of Famer wie Marshall Faulk oder Cheerleader- und Musikperformances die Klinke in die Hand gaben.
Am Sonntag machten wir uns früh auf den Weg nach Wembley, denn die dort organisierte Pregame-Party begann bereits um 11 Uhr. Was uns dort erwartete war ähnlich wie die Fan Rally am Samstag, nur ein paar Nummern größer. Über zwanzig Verpflegungsstände ließen Herzen (oder eher: Mägen) höherschlagen, riesige Zelte des NFL Shop und des Capherstellers New Era gaben jedermann die Gelegenheit sein Erspartes für NFL-Gear auszugeben, solange man den Nerv hatte die lange Wartezeit in der Schlange auf sich zu nehmen. Auf einer großen Bühne in Form eines kleinen Footballfeldes gab es ein dem Samstag verdächtig ähnelndes Programm, moderiert von Neil Reynolds und ergänzt durch ein paar Gimmicks wie Touchdown-Celebration-Wettbewerbe mit den Zuschauern.
Um 15 Uhr, also zwei Stunden vor Kickoff wurden die Tore des Stadions geöffnet und das Geschehen verlagerte sich ins Innere des Stadions. Auf seinem Sitz fand jeder Fan eine Plastiktüte in blau, weiß oder rot, die er bei den Nationalhymnen hochhalten sollte, was ein majestätisches Gesamtbild ergab. Es war cool vor dem Spiel zu sehen wie die Profis sich gemeinsam stretchen und dann positionsspezifische Aufwärmdrills durchführten. Das Spiel an sich war ein Blowout. Nachdem Bradford und die Rams-Offense gleich im Opening-Drive in Führung gingen hatte man die Hoffnung auf ein ausgeglichenes Spiel, wurde aber sogleich eines besseren belehrt. Brady und die Pats-Offense operierten mit klinischer Genauigkeit, und die Rams hatten in keiner Phase des Spiels eine Antwort.
Von der Unterstützung her waren die Patriots eindeutig im Vorteil. Ich hatte bereits im Vorfeld gelesen, dass die Patriots das beliebteste NFL-Team im Vereinigten Königreich seien, was sich vor Ort bestätigte. Auch die Tatsache, dass die Rams offiziell das Heimteam waren, half nur wenig. Der eingeflogene Stadionsprecher verkündete zwar (seltene) Rams-First-Downs besonders enthusiastisch und in TV-Werbungs-Pausen wurden riesige Rams-Flaggen über dem Publikum ausgebreitet. Aber weder diese Maßnahmen, noch die kostenlos verteilten Rams-Flaggen für alle Zuschauer konnten Stimmung für die Rams aufkommen lassen. Man merkte einfach, dass die Fans kamen um den Sport als solches zu zelebrieren, und wenn sie Fans eines bestimmten Teams waren, dann in der Regel der Bostoner.
Insgesamt war der Trip eine schöne und wertvolle Erfahrung. Auch wenn es natürlich angenehm ist, die NFL von seiner Couch aus zu verfolgen, sollte jeder einmal die Erfahrung gemacht haben, wenn bei einem Big Play 84.000 Menschen wie aus einer Kehle brüllen oder mit einem Bier in der Hand dabei zusehen, wie die einige der besten Athleten unserer Zeit ihrer Profession nachgehen, wie es in unseren Breitengraden in einer solchen Atmosphäre fast nur beim Rundball möglich ist. Außer eben, wenn die "International Series" in London aufschlägt. Nächstes Jahr sogar zwei mal. Hingehen!
10 Punkte von mir