Das Spiel gegen den HSV ist jetzt ein paar Stunden her, und ich komme einfach nicht nur Ruhe. Ich weiß gar nicht so ich anfangen soll, ist es der Rückstand, die beiden Tore oder doch die Stimmung im Stadion? Eins muss man sagen: Das Spiel war einfach nur der Hammer.

Flashback: Bis Donnerstag konnte man schon denken, dass die Woche in Cannstatt fast schon zu ruhig von statten ging. Bis Huub Stevens im Training ausflippte. Ob das Aufrütteln notwendig gewesen ist? Man wird es nie erfahren. Gerade mal eine Woche war es her, dass man gegen Mainz verdient gewonnen hat. Ja, als VfB-Fan hätte man nach der bisherigen Saison nicht erwarten dürfen, dass man die Worte gewonnen und verdient gemeinsam in Mund nehmen darf. Doch das Spiel heute fing auch wieder bei Null an.

Nach (mal wieder) guten Chancen lag man dann auch plötzlich zurück. Vor ein paar Wochen noch wäre das die besiegelte Niederlade gewesen, doch inzwischen lässt sich die Mannschaft nicht hängen und spielt weiter. Und schießt Tore. Und verwaltet eine Führung auch bis zum Abpfiff. Man hat auch Glück, dass es keine Verletzten gibt. Den Großteil der Saison hat man mit Händeringen in einer schlechten Mannschaft einen Spieler gesucht, dessen Leistung man eventuell mal positiv herausheben könnte. Heute war es so, dass man unter starken Spieler höchstens sehr starke Spieler hervorheben kann. Serey Dié entwickelt sich immer mehr zu einem richtigen Rückhalt und scheint sich beim VfB eingelebt haben. Dadurch hat auch Christian Gentner profitiert. Er spielt deutlich stabiler, kann wie heute auch mal nach vorne gehen und ein Tor schießen. Es wurde oft kritisiert, dass er nicht der Kapitän ist, der voran geht. Inzwischen kann man immer mehr das Gefühl haben. Mit Antonio Rüdiger und Timo Baumgartl hat meine sichere Innenverteidigung gefunden. Gerade bei letzterem vergisst man oft, dass er letztes Jahr noch A-Jugend gespielt hat und am 11. Spieltag sein erstes Bundesligaspiel machte. Über Daniel Didavi wurde letzte Woche wahrscheinlich schon genug geschrieben. Ein großartiger Spieler mit einer großartigen Technik und Schuss, der ohne seine Verletzungen wohl ganz woanders stehen würde. Zu Filip Kostic gibt es nur ein Wort: Wow. Wie er die linke Seite beackert ist einfach schön anzusehen, so etwas hat man schon länger nicht mehr am Neckar gesehen. Und auch mit Daniel Ginczek hat man wieder einen echten Stürmer, der auch trifft. Auch wenn er heute kein Tor geschossen hat, so hatte er gute Chancen. Ohne ihn würde man überhaupt nicht mehr in der Situation sein, dass man den Klassenerhalt schaffen könnte. Martin Harnik hat seine Leistung auch wieder stabilisiert. Eigentlich war es auch klar, dass er an dem Affen-Torjubel beteiligt war.

Der VfB hat wieder eine Offensive, die man auch so betiteln kann. Vielleicht ist es Jammern auf hohem Niveau, doch man hätte die letzten beiden Spiele sogar höher gewinnen müssen. Dazu steht man defensiv sicher und man muss nicht jedes Mal Angst haben, wenn der Gegner in die eigene Hälfte kommt. Es wird gekämpft UND schöner Fußball gespielt.

Nun zum (fast) noch beeindruckenderen Teil des heutigen Spiels: Die Fans. Die letzten beiden Spiele konnte man einfach nur eine Gänsehaut haben. Das Stuttgarter Publikum hat in den Medien oft ein Image, dass es schnell unzufrieden ist, gerne mal pfeift und man auch mal gerne frühzeitig das Stadion verlässt. Das gab es diese Saison nicht (mehr). Egal wie schlecht man spielte, und das war der Großteil der Saison, Pfiffe hat man so gut wie nie gehört. Auch nach Niederlagen oder Rückschlägen standen die Fans hinter in ihrem Verein. Es sei auch nur nochmal an Baumgartl nach dem Dortmund-Spiel erinnert, wie er von den Fans getröstet wurde. Heute begann es mit beeindruckenden Bildern der Cannstatter Karawane. So eine Stimmung wie heute im Stadion habe ich sehr selten erlebt, einfach nur Gänsehaut pur. Die Stimmung schwappte von der Cannstatter Kurve auf die drei anderen Geraden über. Filip Kostic fasst das schön zusammen: "Der VfB gehört in die erste Liga, so ein großer Klub. Dieses Stadion, diese Fans, diese Stimmung - dafür wird man Profi."

Nun hat man also zwei Spiele hintereinander gewonnen, was es übrigens zuletzt im September 2013 gab. Man hat geschafft auch eine knappe Führung über die Runden zu bringen und nicht kurz vor Ende ein dämliches Gegentor zu kassieren. Als noch vor dem Spieltag schlechteste Heimmannschaft könnte es mitentscheidenden sein, dass man kurz vor Saisonende zwei Heimspiele hintereinander hatte. Heute nach dem Schlusspfiff sah man zwei Welten aufeinander prallen: zum einen die Hamburger Spieler, die mit hängenden Köpfen und wurden eher von ihren Fans beschimpft. Zum anderen die VfB-Spieler, die sich zur gleichen Zeit vor der Cannstatter Kurve einfanden und vom ganzen Stadion gefeiert wurden. Und trotzdem sind die beiden Welten so nah: noch beide Mannschaften sind mitten im Abstiegskampf. Nächsten Samstag geht es um alles. Oder wie es Daniel Ginczek heute sagte: "Jetzt sind das Viertel- und das Halbfinale geschafft, nun wollen wir auch das Finale meistern."

Es wird eine weitere Woche voller Anspannung folgen. Die Hoffnung der Fans kann nur daran liegen, dass man mit den Erfolgserlebnissen der letzten Wochen nach Paderborn fährt, wieder grandios von den Fans unterstützt wird und den Klassenerhalt schafft. Wer hätte noch vor ein paar Wochen geglaubt, dass man aus eigener Kraft am letzten Spieltag den Klassenerhalt schaffen kann? Noch ein letztes Mal gilt es sich 90 Minuten zusammenzureißen und an die Leistung anzuknüpfen.

Das klingt jetzt alles vielleicht etwas nach Friede-Freude-Eierkuchen und so als würde man noch die Champions League-Plätze erreichen können. Es ist klar, dass die letzten beiden Spiele nicht darüber hinweg täuschen dürfen, dass es im Verein an sehr vielen Stellen hakt. Doch heute gönne ich mir einfach mal nach dem vielen Leiden in dieser Saison einen Tag, an dem ich nur den positiven VfB betrachte.