Kennt ihr diesen Spruch noch? "Früher war alles besser". Der einzige Spruch, bei dem man als Jugendlicher sofort in Brechreiz ausbrechen könnte, mal abgesehen von:
"Oh, du bist aber groß geworden..." gefolgt von einem herzhaften Wangenkneifer?

Ich hab das auch öfter gehört. Vom Opa. Der fand, als er noch lebte, früher auch alles besser. Und wenn er noch leben würde, würde er das auch finden, der war nämlich Bremen-Fan.

Aber darum soll es eigentlich gar nicht gehen. Opa fand, gerade in Bezug auf Fußball, früher alles besser. Und als ich mich neulich mit dem Zwerg unterhielt, fiel auch dem auf, dass früher alles besser war. Aber dazu komme ich noch.

Früher, so fand Opa, war die Presselandschaft besser und da schließe ich mich ihm wohl an. Natürlich ist es cool, jeden Tag alles über seinen Lieblingsverein erfahren zu können.
Aber früher gab es ja noch kein Internetz. Und überregionale Zeitungen waren auch, sehr viel früher, eher rar gesät.
Das Früher, dass der Opa meinte, lag sogar vor dem Einzug des Fernsehers in jeden Haushalt. Da wurde Radio gehört. Da kann ich mich mit anfreunden. Radio-Fußball-Konferenz ist cool. Manchmal. Wenn man unterwegs ist. Wenn man keinen Fernseher in der Nähe hat. Und auch dann finde ich es wahrscheinlich nur cool, weil es so etwas wie nostalgische Gefühle hoch holt.

Aber was der Opa meinte, war was Anderes. Ganz früher, da erfuhr man einmal in der Woche von seinem Lieblingsverein in der Zeitung das Ergebnis. Mehr aber eigentlich auch nicht, es sei denn, es ging um den Dorfverein um die Ecke, da gab es auch noch einen kleinen Spielbericht.
Das sollte man sich mal vorstellen. Da gab es ja auch noch keine Handys. Und nicht jeder hatte ein Telefon.

Und für die Kölner unter uns: Da gab es keinen Express! Da hättet ihr von den meisten Ausrutschern eurer "Profis" nur vage durch Mund-zu-Mund-Propaganda im Stadion gehört oder eben, wahrscheinlich für die Nerven die bessere Variante, gar nicht.
Klingt doch eigentlich gar nicht so verkehrt, oder?
Und um hier Mistverständnissen vorzubeugen, das Gleiche gilt natürlich uneingeschränkt für den HSV, man ersetze dann bitte nur "Express" durch "MoPo" oder "Bild".

Der Zwerg, ohne hier Details zu verraten, hat ja nun nicht das Alter meines Opas. Der hatte ganz andere Ideen, als es um "Früher" ging.

Dem fielen zum Beispiel die sich verändernden Kleidungsvorschriften ein. Und auch da kann ich zustimmen. Früher war alles besser.
Als Herr Beckenbauer noch als Spieler den Platz betrat, da konnte man noch sicher sein, dass bei ihm nicht nach der Hüfte direkt das Knie kam. Da sah man den Oberschenkel noch (gut für die weiblichen Zuschauer!!!).
Und heute? Ist das ganz anders. Woran erkennt man das?

Ein bekannter italienischer Spieler gab nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft bekannt, er hätte sich den Pokal an einer sehr intimen (!) Stelle tätowieren lassen. Ich dachte da so bei mir, er meinte seinen Po oder Ähnliches. Stimmt aber nicht. Als er bei einem seiner diversen Fouls so über das Feld rutschte, entblößte er seinen sehr intimen Oberschenkel... Den sah man sonst aber auch nicht, Hose zu lang...

Die Hosenlänge hat sich also ungefähr verdreifacht. Gut zu erkennen übrigens auch am Beispiel Töre, dessen Hosen wahrscheinlich sogar Rapper aufgrund ihrer Weite nur als Schlafanzug verwenden würden.

Das kann natürlich auch daran liegen, dass heutzutage alles teurer wird und die Vereine, in diesem Fall der HSV, kein Geld mehr haben, passende Kleidung für die Spieler zu bestellen, aber irgendwie mag ich daran nicht glauben.

Und mein Früher?
Ja, auch das gibt es. Als ich anfing, Fußball zu gucken (ca. WM 90), da gab es drei verschiedene Frisuren, kombiniert entweder mit Schnäuzer oder ohne, die Oberschenkel der Spieler waren noch ein bisschen zu sehen und alle hatten sie schwarze Schuhe an.
Irgendwie sah das damals nach Mannschaft aus.
Und, wenn ich so drüber nachdenke, fand sogar ich das alles früher irgendwie besser.

Heute ist Fußball notgedrungen zwar immer noch ein Mannschaftssport, aber so richtig merken tut man das eher selten. Der Fußballer an sich ist mittlerweile ein absoluter Individualtist.
Das fängt bei der gewählten Größe der Arbeitskleidung an, manche tragen lieber 5 Nummern zu groß (Töre), manche am liebsten 2 Nummern zu klein (Robben) und wieder Andere, oder die Selben, wagen eine extraordinäre Kombination mit Schal, Strumpfhose oder Handschuhen.

Halt gemacht wird dabei auch nicht vor Frisuren, die heutzutage, so scheint es, eher weniger praktisch denn auffällig sein müssen.
Über Tattoos wird der geneigten Zuschauerschaft alles mitgeteilt, was sie niemals wissen wollte (wann hat Oma Hilde Geburtstag, wie heißen alle 16 Kinder, sucht es euch aus...).

Und, am Allerwichtigsten: Die Schuhe! Da ist plötzlich die Individualität tausend mal wichtiger, als jegliches Schönheitsbewusstsein, oder warum sonst werden pinke Schühchen mit orangen Trikots kombiniert? Da ist man sich, wenn man als Fußballprofi etwas auf sich hält, für nichts zu schade.

Nur, mal unter uns, ich bin ja kein Mann, aber wäre ich einer, so eine Art de Jong oder Gattuso, und da würde so ein kleiner Marin (Achtung, Beispiel, beliebig austauschbar!) mit seinen nur noch 50 Gramm wiegenden pinken Balltschuhen auf mich zutänzeln, ich könnt den auch nicht ernst nehmen und würd vielleicht zutreten.

Und was lernen wir daraus? Früher war sicher nicht alles besser und auch Opas haben mal Unrecht. Aber Manches war früher auch auf keinen Fall schlechter. Manchmal ist ein bisschen mehr Mannschaftsbewusstsein und ein bisschen weniger Fashion ein Gewinn fürs Auge und vielleicht, ja vielleicht sogar für den Teamgeist...

Früher übrigens gab es hier bei Spox auch weniger Fanboys. Das war auch besser. Aber dazu an anderer Stelle vielleicht mal mehr.
Nur so viel: Wenn jede/r von uns ein kleines bisschen weniger Fanboy und ein bisschen weniger bissig ist, klappt es auch wieder viel besser mit dem lustigen Zusammensein. Dann machen wir einfach aus einem Früher ein Jetzt. Und wenn wir das vormachen, klappt das ja vielleicht auch bei unseren Mannschaften