Es war einmal der 06.12.1994 und wecken musste mich an diesem Tag niemand. Kaum hatte ich die Augen aufgeschlagen, sprang ich aus dem Bett und rannte auch schon runter zu meinen Schuhen. Diesen Elan hätte sich meiner Mutter wahrscheinlich jeden Tag gewünscht, aber es war ja Nikolaus und als 10 Jähriger Junge freut man sich auf so was noch.
Meine Vorfreude wich der puren Begeisterung als statt der üblichen Geschenke, Handschuhe und Süßkram, zwei Eintrittskarten für das Spiel BVB – Deportivo La Coruna in den Schuhen lagen. Ich konnte es kaum fassen, heute Abend mein erstes Mal beim BVB und das bei einem Euro-Achtelfinale-Rückspiel. Wie mein Vater damals meine Mutter überreden konnte ist bis heute nicht abschließend geklärt, aber er muss viel Überzeugungsarbeit geleistet haben. Normalerweise waren für mich schon Euro-Spiele im TV tabu. Immer wenn ich damals ins Bett geschickt wurde sagte ich zu meiner Mutter. "Wenn ich mal Profi beim BVB werde kriegst du keine Karten". Leider ist daraus nichts geworden womit sich diese Frage dann zum Glück nicht mehr stellt.

Der Schultag verging dann ziemlich schnell aber wenn ich ehrlich bin kann ich mich auch an keine Details erinnern. So fuhren mein Vater und ich mit dem Auto nach Dortmund und parkten unweit des Westfalenstadions. Vor dem Spiel tauschte ich noch mit einem Spanier einen Fanschal, welchen ich heute leider nicht mehr finden kann.

Das Spiel ging also los und ich war von der ganzen Atmosphäre einfach nur überwältigt. Kurz nach der Pause brachte Susi Zorc den BVB mit 1:0 in Front und egalisierte somit die Hinspiel Niederlage von 1:0. Mein Vater guckte ab diesem Tor dauernd nervös auf die Uhr und befürchtete schon die Verlängerung und das ich dann noch viel später als geplant im Bett wäre. Natürlich ging es dann auch in die Extra Time was für mich, trotz Müdigkeit, natürlich die pure Freude war. Doch dann kam der Schock. Ein gewisser Herr Alfredo glich in der 102. Minute für die Gäste aus und ließ das Dortmunder Weiterkommen in weite Ferne rücken. Kurz nach dem letzten Seitenwechsel begann das eigentliche Drama als mein Vater beschloss das Stadion zu verlassen und nach Hause zu fahren. "Da passiert eh nix mehr und du musst morgen in die Schule". Die mitgereisten Spanier auf der Nordtribüne verabschiedeten uns noch nett und riefen "Auf Wiedersehen".

Kaum waren wir am Auto angekommen schaltete mein Daddy das Radio ein und Frau Sabine Töpperwien schrie völlig euphorisiert ins Mikro: "Wahnsinn. Lars Ricken schießt den BVB ins Viertelfinale. Dreeeeeeeei zuuuuuuu EEEEEIiiiiiiiiiiiins in der 119. Minute". Es war tatsächlich passiert und ich fing bitterlich an zu weinen. So schnell wird der schönste Tag im Leben zum traumatischen Erlebnis.

Als Wiedergutmachung besorgte mein Vater dann Karten für das VF-Rückspiel gegen Lazio Rom und meine Welt war wieder in Ordnung. Und bei einem könnt ihr euch sicher sein: Ich verlasse kein Stadion mehr vor dem Abpfiff.