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Blogpokal 2013/2014


Gründer: RoterBulle92 | Mitglieder: 58 | Beiträge: 25
Von: Rodnox
23.02.2014 | 2877 Aufrufe | 11 Kommentare | 2 Bewertungen Ø 10.0
Oder auch: Wie man 100 Jahre im Nichts dümpelt.
Ein Tisch braucht vier Beine.
Tradition vs. Wirtschaftskraft

Ich würde das ganze mit 2 Thesen beginnen:


  1. Tradition bei Fußballvereinen ist wie Popcorn im Kino. Schön zu haben, aber eigentlich unwichtig. Oder hat schon mal jemand in einem Kinosaal gesessen, in dem kein Film lief und mit 100 Leuten nur Popcorn gegessen?

  2. Ein Fußballverein kann nur erfolgreich sein, wenn er eine qualitativ hochwertige Vereinsführung hat, die sowohl etwas von Wirtschaft als auch von Fußball versteht.


Diese beiden Dinge im Hinterkopf: Was ist Tradition und was ist sie wert?

Als Schalke Fan schätze ich Tradition sehr. Die Königsblaue Liebe ist tief verwurzelt in ganzen Generationen! Es gibt Fans, die konnten "Schalke" sagen, bevor sie "Mama" oder "Papa" sagen konnten. Es gibt Begriffe, die wurden vor Generationen geprägt, die kann man nicht erfinden. Schalker Kreisel zum Beispiel. Wir huldigen noch heute Helden wie Kuzorra, Fischer, Thon, Wilmots und Sand. 70 Jahre an Tradition, die uns keiner nehmen kann.

Wenn Catweazle von seinen Erlebnissen auf der Glückauf Kampfbahn erzählt hat, dann haben die jungen Nachwuchsfans zugehört. Rentner erzählen von Evis altem Vereinsheim, wo man das Bier noch für 2,80 DM bekommen hat. Und wenn Helmut in einer DSF Sendung seine Sammlung an Trikots vorzeigt, auf denen das Schalke Logo noch orange Farben war, dann riecht man die Tradition förmlich.

Aber auch unsere Spielmanipulationsaffären aus den 70ern, unser Abstieg und Aufstieg in den 90ern bis hin zu teilweise albernen Mitgliederversammlungen mit Bürgerkriegsniveau gehören zur Tradition. Heute lacht man herzhaft in den Kneipen, wenn diese Geschichten ausgepackt werden.

Unsere Trophäenhalle ist gefüllt mit Turniermedaillen von 1900 bis zum letzten DFL Supercup Pokal 2011. Und ganz nebenbei: Welcher Verein hat schon einen eigenen Film über die Fankultur?




All das ist großartig! Aber wenn es um den aktuellen Erfolg oder die Zukunft geht ... leider nicht viel wert.

Die Ruhmeshallen sind voll mit Vereinen, die solche Tradition vorzuweisen haben und nichts draus gemacht haben!

Duisburg, Bochum, Wattenscheid, Bielefeld, Karlsruhe, Düsseldorf, 1860, Uerdingen und viele mehr. Jahrzehnte an Tradition, die verschwendet wurde und vor allem aufgrund von unfähigen Vereinsführungen mehr oder weniger zerstört wurden.

Tradition ist also nett zu haben, aber spielt keinerlei Rolle, wenn es um das aktuelle Geschehen geht.

Doch was ist wichtig, um aktuell Erfolg zu haben und gut gerüstet zu sein für die Zukunft?

4 Eckpfeiler.

Jugendarbeit: Schalke macht es vor. Dortmund und Bayern sind auch nicht zu verachten. Wenn Leute wie Götze, Müller, Hummels, Höwedes, Draxler, Meyer, Neuer und Badstuber heute zu den besten Fußballern der Liga gehören, dann spricht das Bände über die Nachwuchsarbeit der Vereine!

Scouting: Immer mal wieder kommt ein guter Spieler bei anderen Vereinen (manchmal nur zufällig) zum Vorschein. Diese zu verpflichten ist große Kunst und verlangt sehr gute Scouts. Leverkusen macht es vor und es ist vor allem Rainer Calmunds Arbeit in den 90ern zu verdanken, dass die Pillenkicker heute da stehen, wo sie stehen.

Wirtschaftskraft: Gerade auf Schalke wissen wir die Arbeit von Clemens Tönnies und Horst Held sehr zu schätzen. Aber auch die Arbeit von Uli Hoeneß oder Aki Watzke ist hier zu erwähnen.
Und zur Überraschung vieler, wohl auch die Arbeit von Herribert Bruchhagen. Der meiner Meinung nach der einzige Grund ist, weshalb Frankfurt nicht in obiger Liste steht. Wer wirtschaften kann, hat zumindest eine sehr gute Grundlage.

Auch Achim Stocker beim SC Freiburg ist so einer gewesen. Trotz zahlreicher Abstiege und Aufstiege, ging es dem Verein nie schlecht.

Kontinuität: Der schwierigste Punkt. Leute wie Alex Ferguson, Volker Finke (SC Freiburg) oder Otto Rehagel (SV Werder). Solange sie bei Ihren Vereinen waren, hatten sie im Rahmen der Möglichkeiten immer Erfolg.

Ich meine, es ist ein Running-Gag der Liga, Trainerclowns einzustellen, die wahlweise Feuerwehrmänner zu nennen und das gesamte Konzept nach weniger als einer Saison wieder aufzulösen.

Thomas Doll, Peter Neururer, Friedhelm Funkel, Dragoslav Stepanovic, Markus Babbel, Hans Meyer, Ewald Linen, Klaus Topmöller .. die Liste ist Lang. Hatte irgendwer davon jemals Erfolg? Vielleicht hätten es einige haben können, wenn man ihnen die Zeit gegeben hätte. Aber Fußball findet nun mal nicht im Konjunktiv statt.

Selbst die großen Vereine waren vor diesem Blödsinn lange nicht verschont.

Das ein Jürgen Klopp in seiner ersten Saison beim BVB kaum Erfolg hatte und die Fans sogar zeitweise Klopp raus Rufe durch den Signal Iduna Park schallen ließen, ist heute vergessen. Da ziehe ich meinen Hut vor Herrn Fr.. ähh .. Watzke (musste sein :D) ...

Hertha ist auf dem besten Weg dahin!

Nun kommt es auf die Kombination an. Einige Vereine sind wirtschaftlich stärker, andere haben eine bessere Jugendarbeit, wieder andere kommen über die Kontinuität. Fakt ist, wer die beste Balance aus allen vier Standbeinen holt, ist erfolgreich.

Die Tradition ist das Sahnehäubchen auf dem Kuchen, oder um bei dem Standbein-Vergleich zu bleiben, die gehäkelte Tischdecke auf dem Tisch.

Aber, es muss wiederholt werden: Es geht problemlos auch ohne.

Bis hier hin stimmen mir mit Sicherheit 90% der Fußballfans zu. Doch jetzt wirds schwierig.

Nehmen wir einmal Hoffenheim, Leverkusen, Wolfsburg und RB Leipzig ins Visier.

Alle 4 haben wirtschaftliche Vorteile durch Konzerne, die hinter dem Verein stehen. Aber ein Tisch steht nicht nur auf einem Bein.

Fangen wir bei Wolfsburg an: Jugendarbeit? Naja .. etwas und das noch im Aufbau. Kontinuität? Eher auch nicht. 13 Trainer in 10 Jahren ... aber das ist wie gesagt auch bei anderen großen Vereinen noch üblich. Scouting? Immer besser! Auch dank Magath. Deshalb stehen die Wolfsburger auch seit 6 oder 7 Jahren besser da, als die 60 Jahre davor, in denen die Dart und Wasserball Abteilung mehr Meisterschaften feiern durfte, als die Fußballer.

Tendenz: Wenn die das aufrecht erhalten und ausbauen können, werden sie auf Dauer oben mitspielen! Egal ob sie Tradition haben oder nicht!

Leverkusen: Wohl das beste Paket von allen. Finanziell wie gesagt auf Rosen gebettet. Das beste Steckenpferd war und ist die Scoutingabteilung! Jugendarbeit ist eher mau und in den Jahren in welchen Kontinuität herrschte waren sie immer oben dabei. Trotz durchaus vorhandener Tradition, Leverkusen wird oberer Durchschnitt bleiben.

Hoffenheim: Unter Rangnick hatte man sowohl Jugendarbeit als auch Scouting. Zusammen mit 7 Jahren Kontinuität und finanziellem Rückhalt, war der Erfolg quasi gebucht. Von der 4. In die 1. Liga und Herbstmeister .. WOW .. und dann? Rangnick weg, Kontinuität weg, Scouting weg und die Jugendarbeit stagniert. Das Ergebnis sehen wir ... Durchschnitt mit Tendenz nach unten.

RB Leipzig: Scouting können wir hier bejahen, da hat wieder Rangnick die Hand drauf. Kontinuität? Jein ... Etwas! Genug um in den unteren Ligen mitzuspielen, für die oberen Ligen muss mehr her!
Jugendarbeit? Sehr gute. Alles noch in den Kinderschuhen und es wird nochmal 5 Jahre brauchen, bevor man die gesäten Felder ernten kann, aber da blüht etwas.

RB wird seinen Weg gehen und früher oder Später an der Bundesligaspitze ankommen!

Was ist Tradition also wert?

Gesellschaftlich und Sozial: sehr viel! Quasi alles! Wer Tradition hat wird geliebt.

Für den Erfolg eines Vereines: Nichts! Gar nichts ....


Um mal noch einen anderen Blickpunkt zu offerieren: Was wäre, wenn wir den Faktor Geld einmal raus nehmen?

Fußball hätte den selben Stand wie Rugby oder American Football in Deutschland. Es gäbe keine Live Übertragungen, keine großen Stadien, Minimum Fanartikel, ja diese Community hier wäre ein mageres Insidermagazin!

Fazit:
In einer Zeit, in welcher wir den Sport unserer Nation zum Wirtschaftsfaktor erhoben haben, wo Vereine mit VIP Loungen, TV Geldern und Merchandising mehr Einnahmen generieren, als mit dem Sport, dürfen wir uns nicht darüber aufregen, dass es Vereine gibt, die sich das eine Tischbein als das stärkste rausgesucht haben.

Ganz im Gegenteil. Wir müssen uns fragen, warum haben es die oben genannten Vereine nicht geschafft, 100 Jahre an Tradition zu nutzen, um alle 4 Standbeine aufzubauen und zu entwickeln?

Wo würde wohl Karlsruhe stehen, wenn sie die Europacup erfolge der 90er genutzt hätten kontinuierlich zu arbeiten?

Wäre Köln immer noch ein Meisterschaftskandidat, wenn man schon früher auf gute Jugendarbeit gesetzt hätte?

Ich gebe zu ich verstehe Fans, wenn sie ihren eigenen Verein sehen, die Geschichte betrachten, die Unsummen der letzten 100 Jahre vor Augen haben, die ungenutzt den Bach runter gespült wurden und dann zu Vereinen wie RB Leipzig schauen und mit fast schon verbittertem Hass ihren Unmut ausdrücken.

Aber wenn wir ehrlich sind: Es ist mit Sicherheit nicht die Schuld von RB Leipzig, dass so viele andere Vereine ihre Chancen ungenutzt gelassen haben und daher jetzt quasi ein Wunderland für solche Vereine hinterlassen haben.

Und wir sehen am Beispiel Hoffenheim, dass Geld allein nicht alles ist. Wie gesagt: Ein Tisch steht nicht auf einem Bein.


Anmerkung: Ich habe mich absichtlich auf die Bundesliga beschränkt. Ich hätte auch von Arsenal (Kontinuität), Real (Wirtschaftskraft) oder Barca (Jugendarbeit) sprechen können, aber das wäre ein Buch geworden.

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