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WM bei mySPOX


Gründer: GNetzer | Mitglieder: 56 | Beiträge: 5
08.07.2010 um 15:04 Uhr
Geschrieben von AndreasRenner
Ein Sandkorn namens Fernando
Bis gestern hatte mich die spanische Mannschaft bei dieser Weltmeisterschaft enttäuscht. Nicht, weil sie in ihrem ersten Spiel gegen die Schweiz verloren hatte. Auch nicht, weil sie sich mit Minimalerfolgen bis ins Finale gekämpft hat. Nein, vielmehr hatte man den Eindruck, als wäre in den hochgetunten Offensivmotor der Spanier ein Sandkorn geraten und die Mannschaft habe das Niveau vom EM-Sieg vor zwei Jahren nicht halten können.

Seit gestern verstärkt sich bei mir der Eindruck, dass dieses Sandkorn mit Vornamen Fernando und mit Nachnamen Torres heißt. Dabei geht es nicht mal so sehr darum, dass Torres nach seiner jüngsten Verletzung noch weit weg ist von der Form, die ihn zu einem der besten Stürmer der Welt gemacht hat. Ich denke eher, dass es ein Fehler von Vicente Del Bosque war, unbedingt mit Torres und Villa gemeinsam spielen zu wollen. Gestern hat er nun Torres draußen gelassen und dafür mit Pedro einen der offensiv vielseitig verwendbaren Mittelfeldspieler gebracht, die Spanien wie am Fließband produziert.

Damit hatten die Spanier eine Anspielstation weniger in vorderster Front und eine mehr in der Reihe dahinter. Und dieser Schachzug verhalf ihnen dazu, das Mittelfeld gegen Deutschland zu beherrschen. Zwar spielten beide Teams nominell im 4-2-3-1, wodurch sich im zentralen Mittelfeld eine 3 gegen 3-Pattsituation ergibt. Nur dass die Spanier Busquets für den direkten Kampf mit Özil praktisch offensiv opferten und das Duo Xabi Alonso/Xavi immer wieder im Wechsel von Pedro und/oder Iniesta unterstützt wurde und damit de facto Überzahl gegen Schweinsteiger/Khedira hatte. Und prompt lief der Ball durch die spanischen Reihen und die deutschen Spieler hechelten hinterher.

Klar ist aber auch, dass die Spanier den Spieler, mit dem sie die Mitte überladen, irgendwo anders abziehen müssen. Meist tun sie das auf dem rechten Flügel, wodurch der bei diesem Turnier typische Linksdrall von Del Bosques Team kommt. Die rechte Seite gehört nämlich Sergio Ramos meist ganz alleine, offensiv wie defensiv. Wenn man nur auf das Endresultat seiner Offensivbemühungen schaut, dann spielt Ramos eine mäßige WM: Kaum brauchbare Flanken, wenig gewonnene Eins-gegen-Eins-Situationen. Bis man irgendwann darauf kommt, dass solche Aktionen von ihm offensichtlich gar nicht gefordert werden. Ramos Anwesenheit am rechten Flügel erfüllt nämlich vor allem einen Zweck: Er zieht die Abwehr in die Breite und schafft dort Raum, wo die Spanier eigentlich spielen wollen. In der Mitte nämlich. Und so bleibt es das vielleicht größte Offensivversäumnis der deutschen Mannschaft, dass sie aus der unterbesetzten rechten Seite der Spanier null Kapital schlug. Boateng, Schweinsteiger und Podolski im Dreieck hätten dort eigentlich schalten und walten sollen, wie es ihnen passte. Kleines Trostpflaster: Die Ramos-Lücke auf rechts hat bislang zumindest kein spanischer Gegner ausnutzen können.

Einer der Gründe dafür: Pressing. Für mich war genau das übrigens der zweite entscheidende Faktor in der spanischen Dominanz. Während sich Deutschland zurückzog, den Spaniern das Mittelfeld überließ und sich damit begnügte, vor dem eigenen Tor alles dicht zu machen (was übrigens meist hervorragend funktionierte), attackierten die Spanier nach Ballverlust sofort ihre Gegenspieler. Frei nach dem alten Motto: Der beste Moment, den Ball zurück zu erobern, ist direkt nach dem Ballverlust. Weil der Gegner möglicherweise noch damit zu kämpfen hat, den Ball zu kontrollieren, sich (vor allem in der Feldmitte) zwangsläufig noch viele eigene Spieler in Ballnähe befinden und der Gegner einen Moment braucht, um seine Offensivordnung zu finden.

Und so sah das dann aus: Der erste deutsche Spieler gewinnt den Ball, steht sofort unter Druck, spielt überhastet einen etwas unpräzisen Pass, den der Mitspieler gerade noch so bekommt, aber ebenfalls unter Druck noch einmal ungenau abspielt, tja und dann ist er wieder weg, der Ball. Dieses Offensivpressing praktizieren die Spanier hervorragend. Seit Jahren im Nationalteam und auch beim FC Barcelona, wo die meisten Offensiven eben herkommen. Und das wäre dann die Antwort auf die logische nächste Frage, die da lautet: Warum macht es unser Team nicht einfach genauso und presst, was das Zeug hält? So wie die Chilenen, die Spanien im letzten Gruppenspiel der Vorrunde gerade zu Spielbeginn fast in den Wahnsinn trieben mit ihrem aggressiven Pressing, so dass den Iberern phasenweise nur noch hilflose, lange Bälle nach vorne einfielen. Die Antwort ist einfach: Das kann die deutsche Mannschaft nicht, weil sie es nicht trainiert. Und nein, drei Tage vor einem WM-Halbfinale kann man einen derartigen Philosophiewechsel auch nicht mehr durchführen. Bis ein solches Offensivpressing richtig sitzt, muss man Monate üben, die man einfach nicht hat.

So kann man auch sicher davon ausgehen, dass die Niederländer am Sonntag dieses Stilmittel ebenfalls nicht einsetzen werden. Auch bei denen gehört es nicht zum Programm. Hier gilt, wie so häufig im Systemfußball: Jedes Team ist in einem gewissen Rahmen variabel. Aber eben nur darin. Ansonsten heißt es: Man überlebt mit seinem System, oder man geht damit unter.

Im spanischen System mit jetzt nur noch einer Spitze fiel ansonsten auf, dass Dauertorschütze Villa als einziger Stürmer kaum Torgefahr ausstrahlte. Für seine persönliche Trefferquote wäre es sicher besser gewesen, wenn "Blitzableiter" Torres in der Mitte geblieben, und Villa von links gekommen wäre, wie meist in diesem Turnier. Ohne Torres erfreute sich Villa der intensiven Betreuung der deutschen Innenverteidigung und im Strafraum entstand insgesamt nur ganz selten Gefahr. Das ist die Kehrseite der Überzahl im Mittelfeld. Aber damit sind wir bei einer der großen Fragen dieser WM, für die auch die Spanier keine Antwort gefunden haben: Wie bringe ich meinen zentralen Stürmer gegen einen defensiv ausgerichteten Gegner in torgefährliche Situationen? Eine vorläufige These lautet: Gar nicht. Mehr dazu nach der WM.

Bis bald,
Andreas


Aufrufe: 11615 | Kommentare: 34 | Bewertungen: 34 | Erstellt:08.07.2010
ø 8.0
KOMMENTARE
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jtkay
11.07.2010 | 01:20 Uhr
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jtkay : 
11.07.2010 | 01:20 Uhr
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jtkay : 
absolut zutreffend, tolle analyse!!!10
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Arsenal_FC
09.07.2010 | 22:10 Uhr
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Arsenal_FC : 
09.07.2010 | 22:10 Uhr
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Arsenal_FC : 
schön zu lesen und dem meisten kann ich auch nur zustimmen, aber ich denke villa konnte auf links nur glänzen weil torres anwesend war.
in den meisten spielen hat torres teilweise beide innenverteidiger und einen der sechser auf sich gezogen und somit hatte villa dann meinst nur noch einen spieler den er überwinden musste. die räume die torres geschaffen hat durch seine anwesenheit, bzw seine cleveren bewegungen konnte villa eben perfekt nutzen.

ich hoffe torres startet auf der bank, denn villa alleine gegen den jungen van der wiel kann nicht gut gehen im finale.
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Dr_D
09.07.2010 | 13:29 Uhr
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Dr_D : 
09.07.2010 | 13:29 Uhr
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Dr_D : 
@Blutgrätsche
Das Serbienspiel kann man mit dem Spanienspiel nur bedingt vergleichen. Da hat der Schirri das Spiel kaputt gepfiffen, außderdem gab es Möglichkeitn für unser Team, den Elfmeter mal außen vor.

Gegen Spanien war es irgedwie ziemlich schnell ersichtlicht das die Mannschaft nur reagiert und sich auch fast gar keine Chancen erarbeiten kann.

Spanien liesse sich nur so bezwingen wie Chile es versucht hat. Aber wie schon im Blog geschrieben, daß hat die Mannchaft nicht trainiert.
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Blutgrätsche
09.07.2010 | 12:37 Uhr
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09.07.2010 | 12:37 Uhr
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Sehr schön analysiert.

Was besonders an der Niederlage schmerzt ist, dass man keine Fortschritte zu 2008 gesehen hat. Wenn man wenigstens für 20 Minuten mal das Kommando übernehmen hätte können - aber Deutschland war 90 Minuten wie paralysiert. Das war auch zuviel Ehrfurcht mit im Spiel.

Deutschland kann gegen Gegner, die es zulassen, so dominant und schön wie Spanien spielen. Super! Das haben sie in der Tat gelernt. Wenn der Gegner es aber nicht zulässt, z. B. presst wie Spanien oder Serbien, hat man im Moment keine Antwort - aber Spanien wie treffend beschrieben auch nicht.

Das wäre der nächste Schritt, der notwendig ist, um auch mal wieder Spanien bei einem Turnier besiegen zu können. Ich hoffe daher, dass die Mannschaft weiter hart an der Verbesserung des Spiels arbeitet und eben auch das Pressing und das Gegenmittel zu Pressing erlernt.
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BadBlue
09.07.2010 | 10:04 Uhr
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BadBlue : 
09.07.2010 | 10:04 Uhr
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BadBlue : 
@Madrio
Auf LV wäre in Zukunft auch Azpilicueta jemand.
Noch ziemlich jung, ist gerade von Osasuna nach Marseille gewechselt.
Hat aber Potenzial.
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Dr_D
09.07.2010 | 08:27 Uhr
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Dr_D : 
09.07.2010 | 08:27 Uhr
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Dr_D : 
Klasse Blog.

Interessant wäre in dem Spiel gewesen, wenn Deutschland nicht viele Bälle sofort wieder verloren hätte. So war es für einen nicht unbedingt auf Taktik schauenden Fußball interessierten ein ziemlich langweiliges Spiel.

Denn bei allen Lobeshymnen auf die Spanier, so viele dicke Chancen hatten sie auch nicht und das Tor fiel nach einer Standardsituation und war zu verhindern. Das alles ändert aber nichts an der Tatsache, daß Spanien verdient gewonnen hat. Sehr verdient.
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Schwatzgelber
09.07.2010 | 07:35 Uhr
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09.07.2010 | 07:35 Uhr
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gut auf den punkt gebracht!

spanien hat spielerisch sicher insgesamt bei der wm nicht so überragend gespielt wie man es vorher gedacht hätte. ich denke da besonders an das spiel gegen die schweiz oder den zähen sieg gegen paraguay, aber wie sagt man sonst so gern: wenn man titel holen will, muss man grade die schmutzigen punkte (siege) einfahren! spanien hat bis auf das honduras-spiel (2:0) bei jedem sieg nur ein tor vorsprung gehabt. als zuschauer ist das deutsche spiel sicher deutlich unterhaltsamer gewesen, aber spanien steht trotzdem verdient im finale. sie spielen seit 2-3 jahren so konstant wie keine andere mannschaft.
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Realmadrio
09.07.2010 | 01:09 Uhr
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Realmadrio : 
09.07.2010 | 01:09 Uhr
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Realmadrio : 
Das Ramos so gut geworden ist war auch bei Real Madrid absehbar! Er war mit Arbeloa zusammen der beste Spieler der Defensive! Spaniens Defensive ist schon der Hammer! Mit Ramos und Piqué hat man jetzt schon fast die 2 besten auf ihren Positionen weltweit und die sind erst 23 bzw. 24. als IV rückt Albiol nach, nur auf Links entsteht erstmal eine Lücke wenn Capdevila aufhört. Meiner Meinung nach sollte man hier Arbeloa ranlassen. Der ist jetzt schon besser als Capdevila, auch wenn er Rechtsfuß ist, irgendwann könnte hier dann aber Marcos Alonso nachrücken!
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choli
08.07.2010 | 23:37 Uhr
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choli : @AndreasRenner
08.07.2010 | 23:37 Uhr
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choli : @AndreasRenner
Super Blog, alles in Ordnung, aber ein kleiner Fehler hat sich eingeschlichen, der das ganze doch in einem anderen Licht erscheinen lässt:

Zitat: "Ich denke eher, dass es ein Fehler von Vicente Del Bosque war, unbedingt mit Torres und Villa gemeinsam spielen zu wollen. Gestern hat er nun Torres draußen gelassen und dafür mit Pedro einen der offensiv vielseitig verwendbaren Mittelfeldspieler gebracht, die Spanien wie am Fließband produziert. "

Betrachten wir die Aufstellung gegen die Schweiz, und siehe da, Fernando Torres nirgends zu finden. Er wurde erst beim Stand von 0-1 eingewechselt und erzeugte auch mit ziemlich viel Druck. Spanien spielte schon das ganze Spiel lange in der gegnerischen Hälfte, aber da hatte sich Torres mit z.T. gefährlichen Aktionen für weitere Einsätze empfohlen. Auch weil Spanien alles nach vorne warf und das die einzige halbe Stunde bisher ist, die Spanien an dieser WM mit 2 echten Stürmern antrat.

Die Versetzung von Villa auf links ab dem Honduras Spiel aber tat Villa sehr wohl und Torres fing an abzufallen. Aber das Spiel wurde 2-0 gewonnen und warum sollte man etwas ändern? Villa war auch in den folgenden Spielen extrem torgefährlich auf links. Die einzige Frage die bleibt, ist, warum nicht Llorente Torres' Platz erhielt...

Noch kurz zu Ramos: Spielte an der EM sehr schwach bis zum Halbfinale, dann gings 2 Spiele Vollgas, jetzt hatte er ein schwaches Spiel gegen die Schweiz und seither ein Topspiel nach dem anderen, m.M.n. Was der hin und her rennt und immer anspielbar ist auf rechts, jeden weiten Ball von Alonso perfekt verarbeitet, kurze Pässe sofort wieder flach in der Mitte an den Mann bringt, grandios.

Aber eben, was bleibt: Villa scheint stärker auf links und wenn Pedro den Ball abgespielt hätte, dann wäre Torres auch angekommen. Auf ein gutes Finale
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LW25
08.07.2010 | 22:14 Uhr
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LW25 : 
08.07.2010 | 22:14 Uhr
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LW25 : 
torres ist mit der form immernoch besser als gomez!
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