Genau an dieser Stelle hatte eigentlich im Sommer 2013 die Reise begonnen. Gefühlt stehen Wir nun, ein Jahr später, immer noch im selben Hafen und warten auf die Ausreisegenehmigung. Der gleiche Frust, die gleiche marode Abwehr, das gleiche pflegebedürftige Aufbauspiel. Aber Wir haben es geschafft. Waren im Abstiegskampf immer mittendrin, aber nie akut dabei. Wir als Fans haben den Verein getragen, ihm verziehen, wieder aufgebaut, Mut gemacht, die Schnürsenkel entwirrt und neu geknotet. All das einfach so. Aus reiner Nächstenliebe. Für den Verein, dessen Wappen Ihr auf der Brust tragt.
Ihr habt scheiße gespielt. Blutleer gegen die Wand. Wir waren da. Und Ihr habt zurückgezahlt. Mit Einsatz und Wille, immer dann wenn es wirklich drauf ankam. Doch die Rechnung ist noch nicht beglichen. Ihr steht in unserer Schuld. Wir sind mit Vertrauen und unabdingbarer Unterstützung in Vorleistung gegangen. Würden es immer wieder tun. Nun liegt es an Euch in der neuen Saison Stabilität zu zeigen. Den Verein ungefährdet Richtung Klassenerhalt zu manövrieren. Doch kann es überhaupt gelingen?
Werder war 2014 beivielen gesetzter Abstiegskandidat. Noch hinter dem HSV. Jetzt, ein Jahr später, kann man nicht wirklich sagen die Experten hätten unrecht gehabt. Werder ist alles andere als souverän durch die Saison geglitten. Es war mehr strauchelnd, taumelnd und unsicher. Jedoch immer mit dem nötigen Maß an Courage im richtigen Moment wieder in die Spur zu finden. Ein weiteres Jahr in dieser Art und Weise kann aber gefährlich werden.
Denn auch wenn Paderborn mit hoher Wahrscheinlichkeit ganz hinten landen wird, Augsburg die gewachsenen Erwartungen befriedigen und Berlin den Abwärtstrend der Rückrunde stoppen muss, so bleibt Bremen, ohne Wirtschaftsflüchtling Hunt, ein Wackelkandidat. Entwicklung nach unten und oben offen, wie die Frage nach Verstärkung, die gerade im Offensivbereich bitter nötig wäre. Bei Finn Bartels wird es interessant werden zu beobachten, wie er sich an das deutsche Oberhaus anpassen kann. Auch Galvez, ablösefreier Neuzugang vom Madrider Vorstadtklub Rayo Vallecano, wird beweisen müssen, dass er im Duell mit Prödl, Caldirola und Lukimya eine Abwehr stabilisieren kann und nicht nur durch das Sammeln von gelber Recyclingware auffällt. Rückkehrer Füllkrug muss nach durchwachsener Zweitligasaison bei Fast-Aufsteiger Fürth erst einmal seine Qualität und etwaige Lernfortschritte aufzeigen. Ein Ausleihgeschäft ist für ihn, zumindest nach Eichins Aussagen im Mai, nicht angedacht. Vieles deutet auf einen Verkauf hin, sollte er in der Vorbereitung nicht überraschen können.
Und genau diese Vorbereitung wird extrem wichtig für Werder. Während man in Hamburg oder Stuttgart im Sommer groß investieren kann, muss Bremen wieder behutsam auf Schnäppchensuche gehen. So muss eben diese Vorbereitung das Team der letzten Saison einen großen Schritt weiter nach vorne bringen. Und im Gegensatz zu starken Neuverpflichtungen, klingt dieses Vorhaben nicht allzu unrealistisch. Spieler wie Caldirola, Garcia, Di Santo und Obraniak haben ihre erste Bundesliga Saison in den Knochen. Gerade Obraniak, der erst im Winter zum Team stieß, war es anzumerken, dass er noch große Probleme mit dem zu spielendem Tempo hat. Auch Di Santo hat sich erst im Verlauf der Saison so richtig zeigen können, war dann in den letzten Spielen der Saison fast immer spielentscheidend oder konnte positive Zeichen setzen. Beide haben keine komplette Sommervorbereitung mit dem Team absolviert. Ob es nützt und ob hier der Schlüssel zur Leistungsexplosion liegt, bleibt unvorhersehbar wie vieles andere. Nur klar ist: Schaden wird ihnen diese Zeit sicher nicht.
Ex U-21 Kapitän Luca Caldirola hat von allen Bremer Spielern die meisten Minuten gemacht. Und das als Liganeuling. Diese vielen Spiele, kombiniert mit seinem jungen Alter, machen Hoffnung, dass er einen nächsten Schritt machen kann. Garcia wird dieses Kunststück auch gelingen, wenn er weiterhin so diszipliniert auftritt wie in den letzten Spielen der Saison. Bei Cedrick Makiadi bleibt zu hoffen, dass er seine abschließende Form konserviert und diese als Basis in die neue Saison nimmt. Philip Bargfrede konnte nach langer Verletzungsphase unterm Strich überzeugen und stabilisiert sich hoffentlich wieder auf dem Niveau, was Klaus Allofs damals veranlasste in ihm den nächsten Bremer Nationalspieler zu sehen. Und in Sachen Zukunft wird sich auch einiges tun müssen. Die Nachwuchsspieler müssen weiter ins Team integriert werden, sollten so langsam Verantwortung übernehmen dürfen. Kobylanski, Selke oder Aycicek haben erste Minuten und Startelfeinsätze gesammelt. Ihnen muss jetzt auf die nächste Stufe geholfen werden, damit der Verein in Breite und für die Zukunft gut aufgestellt ist. Auch von Hacke und Luca Zander sollten diese Chance erhalten. Sie alle sind Vize-Meister in der Regionalliga geworden. Das alleine ist zwar keine Medaille wert, belegt aber, dass ein gewisses Maß an Qualität vorhanden sein muss.
Eine der brisantesten Fragen, die gerade außerhalb Bremens hohe Wellen schlägt, ist die, wie das Team den Abgang von Aaron Hunt verkraften wird. Um es mit Thomas Schaafs Worten zu sagen: Die einen sagen so, die anderen so. Und genauso verhält es sich auch. Hunt war nie ein Spieler, der neunzig Minuten prägen und erfolgreich gestalten konnte. Auf zehn gute Pässe oder Dribblings, folgt ein verschlafenes Abspiel oder eine zu gewagte Einzelaktion. Ein schlampiges Genie. Treffendere Worte wird es kaum geben. Seine individuelle Qualität kann man ihm nicht absprechen, sein dicker Gehaltscheck wäre für Werder aber eine große Belastung gewesen, die er unter Umständen nicht hätte gerecht werden können. Eine Trennung, die für beide Seiten eine Chance bedeutet. Darüber hinaus wird er für immer einer von uns bleiben, nur im falschen Shirt. Er war nicht der erste, und nicht der letzte, der uns verlässt. Dieses Schicksal ist an Bremen gebunden und gehört dazu wie die Weser, die ihren schönsten Bogen dort macht, wo aktuell vieles in Bewegung ist. Zum Guten oder zum Schlechten, was wirklich dabei herauskommt ist schlussendlich nicht zu sagen. Wir Fans werden die kommende Saison wieder zu unserer machen. Komme was (wer) wolle.
Hoffen wir das beste.
Man sollte und wird in Bremen weiterhin nach dem Prinzip Zeit vorgehen. Das Führungsduo hat definitiv die richtigen Ideen und alles andere als eine langfristige Sicht der Dinge ist hier völlig fehl am Platz. Nutzt man diese Ruhe, dann wird man zwar keine unglaubliche Saison spielen, aber zumindestens überwiegend in ruhigen Gewässern um das Weserstadion schippern.