Es tat nicht so weh wie beim Sekundentod von Barcelona oder beim vergeigten Finale dahoam 2012. Und doch traf mich die verpasste Meisterschaft 1993 sehr. 32 Spieltage hatte man die Tabelle mehr oder weniger souverän angeführt, um den Titel in den letzten beiden Spielen doch noch der Konkurrenz aus Bremen überlassen zu müssen. Mit meinen 14 Jahren glaubte ich damals in kindlich-schmollendem Fatalismus, wohl nie wieder einen Meistertitel des FC Bayern erleben zu dürfen. Nach drei Jahren ohne Titel hatte ich das Vertrauen verloren, dass meine Mannschaft noch einmal die Nummer 1 in Deutschland sein würde. Ein reichlich absurder Pessimismus, wie ich jetzt 22 Jahre später feststellen muss: 13 Meistertitel haben die Bayern seitdem erringen können (bei neun Pokalsiegen und zwei CL-Triumphen).
Damals hätte ich alles für eine weitere Meisterschaft gegeben; heute ist der Meistertitel reine Selbstverständlichkeit und alleine schon lange nicht mehr genug. Der Vergleich mit den Perspektiven vor etwas mehr als zwei Jahrzehnten zeigt, wie sehr sich die Anspruchshaltung beim FC Bayern verschoben hat. Natürlich stand meine pessimistische Grundhaltung seinerzeit keineswegs stellvertretend für die Befindlichkeit der Bayern-Fans. Aber sie war doch irgendwie symptomatisch für die Erwartungshaltung der Anhänger, für die Titel damals keine eingeplante Banalität, sondern zu erkämpfende Triumphe waren. Die Meisterschaft hat inzwischen weniger den Stellenwert eines zu erstreitenden Erfolges als vielmehr einer notwendigen Mindestvoraussetzung, ohne die eine Saison per se als Misserfolg zu verbuchen ist. Ohne den Gewinn eines Pokalwettbewerbs ist sie alleine nicht ausreichend, um die Gemüter zufrieden zu stellen.
So kommt es, dass die Saison 2014/2015, in der die Münchener eben nur die Meisterschaft erringen konnten, allgemein als verkorkste Spielzeit angesehen wird. Offen aussprechen will dies niemand - zu dekadent und anmaßend klänge es, den Deutschen Meister als Versager darzustellen. Doch zwischen den Zeilen ist immer deutlicher zu vernehmen: Meisterschaft alleine ist dann doch zu wenig für diesen Verein. Das klingt genau so absurd, wie es ist. Unzufriedenheit schüren zu wollen nach einem souverän errungenen Meistertitel hat etwas Perverses, etwas Verdrehtes, Unlogisches.
Dies bedeutet nicht, die Saison der Bayern unkritisch als Erfolg zu werten. Es gibt genügend Ansatzpunkte für Zweifel, Nachdenklichkeit und ja, auch ganz konkrete Kritik. Das offensichtliche Abfallen der Leistungskurve zum Ende der Saison, die geradezu absurde Niederlage im Pokalhalbfinale gegen Dortmund, die groteske Schlussviertelstunde von Barcelona, das allgegenwärtige Verletzungsdilemma, taktische Fehler und manches andere mehr: Der FC Bayern, das heißt Trainer, Verantwortliche und Spieler, müssen sich nach dieser Saison kritisch hinterfragen, um das vereinseigene Credo von stetiger Verbesserung und unstillbarem Hunger nach Titeln weiter mit Leben zu füllen.
Doch alle kritischen Ansätze dürfen nicht dazu führen, den sportlichen Erfolg zu relativieren. Die dritte Meisterschaft in Folge (noch dazu nach dem WM-Titel des DFB-Teams), die mitunter beeindruckende spielerische Dominanz, die klaren Verhältnisse in der Tabelle, das Tanzen auf allen drei Hochzeiten bis fast zum Schluss all dies kann und sollte nicht abgetan werden als bloße Selbstverständlichkeit, die alleine noch keinen Grund zur Freude gibt.
Auch ich bin durch die zahlreichen Titel der vergangenen Jahre verwöhnt und kann angesichts eines Meistertitels vielleicht nicht mehr die Begeisterung aufbringen wie beispielsweise beim Titel 2001. Und doch: Wenn ich einmal dazu neige, den Gewinn der Meisterschaft als logisches Frühlingsphänomen abzutun, denke ich zurück, wie sehr ich mir damals im Jahr 1993 weitere Meistertitel gewünscht hätte, von denen ich in letzten Jahren so zahlreiche habe erleben und feiern dürfen. Auch einem Bayern-Fan kann ein Schuss Demut eben manchmal nicht schaden.
Von den 15 teuersten Spielern kommen 11 vom FC Bayern, je 2 vom BVB und von VW. Da die Meisterschaft über 34 Spiele geht und punktuelle Ereignisse(Form, Verletzte usw.) sich anders als im DFB-Pokal ausgleichen, ist die Meisterschaft für den FC Bayern doch kein echter Erfolg, sondern nur die Umsetzung des mit weitem Abstand besten Kaders in Punkte.
Aber sie war eben doch auch enttäuschend, selbst für demütige Bayernfans wie mich. Doch das liegt nicht daran, dass die Meisterschaft allein nicht genügen würde:
Das stellvertretende Problem ist vor allem das Ausscheiden gegen Barca praktisch bereits im Hinspiel - und dabei vor allem, WIE man ausgeschieden ist.
Und es war eben leider auch so, dass man dieses Ausscheiden bereits Wochen zuvor hat kommen sehen.
Die Mannschaft ist erneut wie im Jahr zuvor eingebrochen - rechtzeitig zur kritischen Phase der Top 8 in Europa.
Und genau deshalb war die Saison so enttäuschend - nicht, weil man nicht 2-3 Titel geholt hat, sondern weil man erneut wie in der Saison zuvor in den Spielen, in denen es wirklich darauf ankam so sehr versagt hat und die grandiose Form und den phantastischen Fussball der Hinrunde nicht auch in der Rückrunde abrufen konnte.
Topic:
Auch ich konnte mit den Meisterschaften und den daraus resultierenden feiern um die Jahrtesendwende wesentlich mehr anfangen. Mittlerweile ist es aber alles sehr abgegriffen, als Fan habe ich nahezu alles erleben können. Aber das ist meine persönliche Einstellung/Erfahrung.
Was aber ganz wichtig ist: die Mannschaft/der Etat im Verhältnis zum 2./3. der BL ist in den letzten 15 Jahren astronomisch auseinandergedriftet. Bayern kauft heutzutage einen Martínez - der bvb eben einen Immobile. Und daraus resultiert für mich auch der neue Anspruch. Mit dieser Mannschaft sollte man nicht darüber diskutieren OB, sondern nur ab WANN man Meister wird.
Was bedeutet das? Der Fokus verschiebt sich, National gibt es z zt niemanden auf Augenhöhe - zumindest nicht über 34 Spieltage. Also MUSS das Anspruchsdenken sein, die restlichen Pokale auch zu holen.
Zu dieser Mannschaftlichen/Finanziellen Entwicklung kam eben noch der PR-Coup, einen Pep zu holen. Was außer der CL sollte man denn von dieser Konstellation erwarten dürfen?
Zumal Bayern letzte Saison grandios im HF rausgeflogen ist, und traditionell eigentlich daran angeknüpft wird, solche Niederlagen wettzumachen. Wie oft waren die Bayern nun im HF - da MUSS das Anspruchsdenken sein: dieser letzte Schritt muss noch getan werden!
Das Unterscheidet eben auch die Bayern von den anderen Vereinen - man nimmt sich die großen Ziele vor, und gibt sich mit weniger auch nicht zufrieden.
Und wer will es den älteren Fans verübeln, wenn sie es nicht schaffen die Meisterfeierstimmung von Weihnachten an zu konservieren, um im Juni endlich die Schale auch physisch zu erhalten.
Und ja. Ich war beim Endspiel 93 am 34.Spieltag live im Schalker Parkstadion. Bremen spielte parallel in Stuttgart.
Kein schönes Ende damals.
Wir holen doch das "Triple": Männermeisterschaft, Frauenmeisterschaft und Handballmeisterschaft