Damals... - Erinnerungen@Spox
14.01.2011 um 12:31 Uhr
Geschrieben von donluka
Der magische Punkt
Benny kniff die Augen zusammen. Er wusste, was jetzt kommen würde. Ich hatte mich ja bis jetzt auch wirklich durch das Turnier gezaubert. Wen hatte ich nicht bereits alles ausgeschaltet.
Dabei kam eine besondere Stärke bei mir zum Tragen, die ich - eigentlich der Gattung des Keepers zuzuordnen - bis dahin selbst nicht gekannt hatte: Meine Fernschüsse rasten geradezu wie aufgezogen über die starr wirkenden Köpfe der Torhüter hinweg, die daraufhin nur noch wie Bahnschranken zur Seite fielen. Klick. Nach links. Klick. Nach rechts.
Jedenfalls hatte ich ihn gefunden. Den magischen Punkt, an dem man den Ball treffen musste, damit er unhaltbar einschlug.
Ich fixierte Benny und er blickte unsicher zurück. Er wusste, was jetzt kommen würde. Der Turnierverlauf gab ihm in seinen Befürchtungen recht. Auch wenn andere als Favoriten gestartet waren, hatte ich mich durch die Spiele geschossen und stand nun hier, im Finale. Dabei profitierte ich stets von den genannten Distanzschüssen. Nach der regulären Spielzeit gab es noch keinen Sieger, also spielten wir um das goldene Tor und ich war am Zug.
Wisst Ihr, heute wird ja eher von Kurzpassspiel und One Touch gesprochen. Aber damals, damals war das anders. Da galt es auch durchaus als probates Mittel, wenn man die Kirsche einfach mal mit der Pike in die Maschen beförderte. War nicht damals auch generell ein anderer Fußball-Jargon vorhanden als heute? Roch das Stadion nicht mehr nach Pommesbude als heute? Waren die Fans nicht auch zahnloser als heute?
Wobei ich mich bei dieser Aufzählung frage: War früher wirklich alles besser?
Aber kommen wir zurück ins Jahr 1998. Damals stand ich also Benny gegenüber, der ahnte, was da kommen würde. Wir hatten ein Turnier organisiert, das eher durch einen Fun-Charakter gekennzeichnet war. Der Gewinner sollte einen selbstgemachten Pokal (ein Bierkrug aus Ton, der beschriftet wurde) erhalten. Alles war ein wenig improvisiert und dennoch waren wir motiviert bis unter die Haarspitzen.
Tränen wurden vergossen, als unsere Freunde auf der Strecke blieben. Es wurde geflucht, es wurde geschrien. An mir war das alles abgeprallt. Nie zuvor war ich so erfolgreich wie in diesem Moment. Würde aus mir doch noch ein Profi werden? Würde man diesen Erfolg, den ich hier im privaten Kreis (aber in Angesicht des Turniersieges) erzielen würde, auch auf die große, weite Welt übertragen können? Standen die Vereine gar schon Schlange?
Warum nicht? Der Ball war in diesen Stunden schließlich mein Freund und gehorchte mir.
Nur diesen magischen Punkt treffen.
Es war so einfach. Man trat gegen diese eine, sensible Stelle des Balles, der daraufhin unhaltbar seinen Weg in die Glückseligkeit (für mich) bzw. in den Abgrund (für den Gegner) fand.
War ich schon arrogant geworden? War mir der Erfolg bereits zu Kopf gestiegen? Schließlich sah ich den Ball bereits im Netz zappeln. Konzentrierte mich nur noch auf mich, nicht mehr auf meinen Gegner.
Es stand so viel auf dem Spiel. Ich musste wach bleiben, durfte nicht abheben.
Was würden die anderen nur sagen….
"nu mach schon hin!" wurde ich von links aus meinen Überlegungen gerissen…"das Bier wird warm" raunzte man mich von der anderen Seite an. Wollten die mich verarschen? Wussten die nicht, was hier auf dem Spiel stand? Ging es am Ende nur um ein Bier? Ging es nicht um viel mehr? Um Leidenschaft, um Erfolg, um persönliche Weiterentwicklung, verdammt noch mal?
Obwohl dies keine gute Ausgangslage war, nahm ich mir ein Herz und zog ab. Wie an einer Schnur flog der Ball, er wurde immer länger. Ein Schuss wie ein Kunstwerk. Rau, animalisch, dynamisch. Einfach nur schön. Ich nahm alles nur noch in Zeitlupe wahr. Der Ball flog, drehte sich dabei um die eigene Achse. Immer länger, immer schneller. Ich hielt den Atem an. Der Torwart –klick – flog nach rechts, der Ball veränderte noch einmal die Flugbahn und:
Er war drin! Ich hatte es tatsächlich geschafft! Das Golden Goal erzielt! Nach Oliver Bierhoff war ich der zweite Schütze eines derart wichtigen Treffers!
Ich rutschte vor Begeisterung und triumphierend über den Boden. Niemand beachtete meine Choreographie wirklich. Dass meine Knie dabei durch den Teppich meines Zimmers aufgescheuert wurden, war mir egal. Ich war Tipp-Kick-Turniersieger.
Dabei kam eine besondere Stärke bei mir zum Tragen, die ich - eigentlich der Gattung des Keepers zuzuordnen - bis dahin selbst nicht gekannt hatte: Meine Fernschüsse rasten geradezu wie aufgezogen über die starr wirkenden Köpfe der Torhüter hinweg, die daraufhin nur noch wie Bahnschranken zur Seite fielen. Klick. Nach links. Klick. Nach rechts.
Jedenfalls hatte ich ihn gefunden. Den magischen Punkt, an dem man den Ball treffen musste, damit er unhaltbar einschlug.
Ich fixierte Benny und er blickte unsicher zurück. Er wusste, was jetzt kommen würde. Der Turnierverlauf gab ihm in seinen Befürchtungen recht. Auch wenn andere als Favoriten gestartet waren, hatte ich mich durch die Spiele geschossen und stand nun hier, im Finale. Dabei profitierte ich stets von den genannten Distanzschüssen. Nach der regulären Spielzeit gab es noch keinen Sieger, also spielten wir um das goldene Tor und ich war am Zug.
Wisst Ihr, heute wird ja eher von Kurzpassspiel und One Touch gesprochen. Aber damals, damals war das anders. Da galt es auch durchaus als probates Mittel, wenn man die Kirsche einfach mal mit der Pike in die Maschen beförderte. War nicht damals auch generell ein anderer Fußball-Jargon vorhanden als heute? Roch das Stadion nicht mehr nach Pommesbude als heute? Waren die Fans nicht auch zahnloser als heute?
Wobei ich mich bei dieser Aufzählung frage: War früher wirklich alles besser?
Aber kommen wir zurück ins Jahr 1998. Damals stand ich also Benny gegenüber, der ahnte, was da kommen würde. Wir hatten ein Turnier organisiert, das eher durch einen Fun-Charakter gekennzeichnet war. Der Gewinner sollte einen selbstgemachten Pokal (ein Bierkrug aus Ton, der beschriftet wurde) erhalten. Alles war ein wenig improvisiert und dennoch waren wir motiviert bis unter die Haarspitzen.
Tränen wurden vergossen, als unsere Freunde auf der Strecke blieben. Es wurde geflucht, es wurde geschrien. An mir war das alles abgeprallt. Nie zuvor war ich so erfolgreich wie in diesem Moment. Würde aus mir doch noch ein Profi werden? Würde man diesen Erfolg, den ich hier im privaten Kreis (aber in Angesicht des Turniersieges) erzielen würde, auch auf die große, weite Welt übertragen können? Standen die Vereine gar schon Schlange?
Warum nicht? Der Ball war in diesen Stunden schließlich mein Freund und gehorchte mir.
Nur diesen magischen Punkt treffen.
Es war so einfach. Man trat gegen diese eine, sensible Stelle des Balles, der daraufhin unhaltbar seinen Weg in die Glückseligkeit (für mich) bzw. in den Abgrund (für den Gegner) fand.
War ich schon arrogant geworden? War mir der Erfolg bereits zu Kopf gestiegen? Schließlich sah ich den Ball bereits im Netz zappeln. Konzentrierte mich nur noch auf mich, nicht mehr auf meinen Gegner.
Es stand so viel auf dem Spiel. Ich musste wach bleiben, durfte nicht abheben.
Was würden die anderen nur sagen….
"nu mach schon hin!" wurde ich von links aus meinen Überlegungen gerissen…"das Bier wird warm" raunzte man mich von der anderen Seite an. Wollten die mich verarschen? Wussten die nicht, was hier auf dem Spiel stand? Ging es am Ende nur um ein Bier? Ging es nicht um viel mehr? Um Leidenschaft, um Erfolg, um persönliche Weiterentwicklung, verdammt noch mal?
Obwohl dies keine gute Ausgangslage war, nahm ich mir ein Herz und zog ab. Wie an einer Schnur flog der Ball, er wurde immer länger. Ein Schuss wie ein Kunstwerk. Rau, animalisch, dynamisch. Einfach nur schön. Ich nahm alles nur noch in Zeitlupe wahr. Der Ball flog, drehte sich dabei um die eigene Achse. Immer länger, immer schneller. Ich hielt den Atem an. Der Torwart –klick – flog nach rechts, der Ball veränderte noch einmal die Flugbahn und:
Er war drin! Ich hatte es tatsächlich geschafft! Das Golden Goal erzielt! Nach Oliver Bierhoff war ich der zweite Schütze eines derart wichtigen Treffers!
Ich rutschte vor Begeisterung und triumphierend über den Boden. Niemand beachtete meine Choreographie wirklich. Dass meine Knie dabei durch den Teppich meines Zimmers aufgescheuert wurden, war mir egal. Ich war Tipp-Kick-Turniersieger.
Aufrufe: 2388 | Kommentare: 21 | Bewertungen: 17 | Erstellt:14.01.2011
ø 9.9
KOMMENTARE
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19.01.2011 | 22:42 Uhr
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mayoble :
Wow: Absolut großartig!Ein Schuss wie ein Kunstwerk. Rau, animalisch, dynamisch. Einfach nur schön.
Meine Güte! Was soll man da noch sagen? Ich hab den magischen Punkt nie gefunden, sondern immer gegen meinen damals (sic!) besten Kumpel verloren!
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14.01.2011 | 19:52 Uhr
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25 Jahre. Mindestens. Seufz...
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14.01.2011 | 16:40 Uhr
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14.01.2011 | 16:31 Uhr
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Voegi :
frei nach reifel mars: ü!ber!ragend!wie immer ein echter genuss das zu lesen!
ach ja. das mit dem klick kam für mich nicht zu früh! ich war zu tief im text versunken, als dass meine synapsen die sich aufdrängende schlussfolgerung hätten ziehen können. ich glaubte eher an eine tipp-kick-metapher. war eben doch nicht so metaphorisch.
aber klasse! ganz groß, luka!
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14.01.2011 | 15:31 Uhr
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xxlhonk :
Apropos HamburgDer Termin steht.
Der HSV spielt gegen den EffZeh am 19.03 um 15.30Uhr
Also an einem Samstag!
Das dazu.
Und ja, wir können dann auch gerne Tippkickspiele mitbringen.
Ich habe auch noch so ein neumodisches Spiel zu Hause.
Aber was genau, werden die Kölner uns ja sagen, wenn deren Planung steht.
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14.01.2011 | 15:27 Uhr
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Tagon :
Wow Don, geiler Bericht, auch wenn wirklich relativ schnell klar wurde, dass es um Tipp-Kick geht. Aber eine echt coole Anekdote. Wie wär's mit einem spox-Tipp-Kick-Turnier beim nächsten Treffen?^^
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