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mySPOX-Stammtisch


Gründer: Karrramba | Mitglieder: 163 | Beiträge: 22
Von: Maxi_FCB
19.04.2015 | 5956 Aufrufe | 22 Kommentare | 15 Bewertungen Ø 8.7
Stagnation beim FC Liverpool
Der Merseyside-Discofox
Ursachenforschung für den Schlingerkurs des FC Liverpool

Ein guter Ballgewinn, schnelles Umschalten und am Ende ein fabulöser Abschluss von Alexis Sanchez - schon stand es 3:0 an jenem Samstagvormittag im Emirates Stadium zu London. Es war ein Treffer, der allem voran erst einmal wunderbar anzuschauen war. Doch so wirklich erfreuen konnte sich an ihm gewiss keiner, der es zumindest ein wenig mit dem FC Liverpool hält. Denn es war ein besonders schmerzhafter Treffer für die Reds: In erster Linie mit Blick auf die sich verkomplizierende tabellarische Situation, aber auch, weil er so sinnbildlich für vieles steht, was in den vergangenen Jahren schief gelaufen ist beim einstigen Rekordmeister.
Exemplarisch für die latente taktische Naivität, die sich durch die gesamte Saison der Reds zieht, der durch simples Pressing erzwungene Ballverlust sowie die nicht vorhandene defensive Umschaltbewegung im Vorlauf des Treffers, beißend zynisch zudem der Name des Torschützen: Alexis Sanchez. An ihm war man vor der Saison interessiert, an seiner statt holte man "Juwel" Lazar Markovic. Sanchez netzte und reüssiert schon die gesamte Saison über, Markovic verpasste die 200%ige Möglichkeit zum Führungstreffer und wirkt auf gehobenem Niveau völlig deplatziert.

Und so erhielten die roten CL-Ambitionen, die nach einem bemerkenswerten Zwischenspurt von Januar bis März wieder entflammt waren, mit der Niederlage im Emirates einen herben, vielleicht gar finalen Dämpfer. 4 Punkte beträgt der Rückstand auf Rang 4, 6 Spiele sind noch zu absolvieren. Zwar enthält das Restprogramm - mit Ausnahme der kaum zu bewältigenden Auswärtsaufgabe an der Stamford Bridge - im Grunde lediglich machbare Gegner, doch selbiges gilt auch für Manchester City, Inhaber des begehrten vierten Ranges.
Die Champions League gerät außer Reichweite. Trotz einer starken Vorsaison, beinahe gekrönt durch die Meisterschaft. Trotz finanziell nahezu freier Hand auf dem Transfermarkt durch die Suarez-Millionen.

Es ist der übliche Trott an der Mersey: Ein paar Schritte vor, ein paar Schritte zurück. Mal kurz vorne getippt, mal kurz hinten getippt. Aber letztlich tritt man auf der Stelle, dreht sich im Kreis. Man tanzt Discofox in der Merseyside.
Doch wieso kann man das finanzielle Potential nicht sinnvoll nutzen? Warum kann man den klangvollen Namen nur noch selten mit Leben füllen? Eine Suche nach Ursachen.

Entspanisiert

Um allerdings die momentanen Probleme nachvollziehen zu können, muss man einige Jahre zurückschauen.
Nach dicken Jahren in der Spitze der Premier League, in denen man vielleicht gar über der wirklichen Qualität des Kaders agierte und von der Achse Carragher-Mascherano-Alonso-Gerrard-Torres getragen wurde, stürzt man nach dem Verkauf von Mastermind Xabi Alonso 2009 an Real Madrid auf Rang 7 ab. Lediglich die Insolvenz des FC Portsmouth rettet die Reds in die neugeschaffene Europa League. Nach der enttäuschenden Saison zieht Erfolgscoach Rafa Benitez zum frischgebackenen CL-Sieger aus Mailand weiter. Seinem Beispiel folgen zudem Defensivstratege Mascherano (Barca) und im Winter unter großem Aufhebens auch Landsmann und Torgarantie Fernando Torres (Chelsea). Man spricht nicht mehr spanisch an der Anfield Road.


Es ist der Anfang vom Ende der fetten Jahre an Mersey. Denn die Hinwendung zu einem eher britischen Stil unter dem neuen Eigentümerkonsortium aus den USA erweist sich als Fehlgriff. Der neuinstallierte Coach Roy Hodgson scheitert vor allem an der offensiven Flaute, übergibt auf Rang 9 an Kenny Dalglish. Unter dem Liverpool-Urgestein erreicht man nach einer starken Rückrunde mit deutlich offensiverem Fussball beinahe noch die Europa League. Aber eben nur beinahe. Platz 6 reicht nicht. Der 41 Millionen Euro teure Torres-Nachfolger Andy Caroll fällt häufig aus und floppt letztendlich auf ganzer Linie. Luis Suarez kann zudem die Lücke, die "el niño" hinterließ, trotz 9 Scorerpunkten noch nicht ad hoc schließen.
In der Folgesaison gelingt es Dalglish zwar, die Defensive beinahe wieder auf Benitez-Niveau zu heben, doch offensiv geht jegliche Durchschlagskraft verloren: Mit lediglich 47 Treffern erreicht man einen historischen Tiefstand. Auf den Außenbahnen überschritten Maxi Rodriguez und Dirk Kuyt ihren Zenit, Luis Suarez konnte mit 11 Treffern weiterhin nicht an Torres Glanzleistungen anknüpfen.
Letztlich war Klublegende Dalglish nicht mehr zu halten, auch der Gewinn des Carling-Cups und die damit verbundene Qualifikation für die Europa können die mit Platz 8 schlechteste Reds-Saison seit Einführung der Premier League nicht übertünchen.

In der Klubspitze setzt folgerichtig ein Umdenken ein. Man erkennt, dass ein Umbruch unumgänglich ist. Im Kader, aber vor allem auf der Trainerbank. Als neuen Manager präsentiert man den Nordiren Brendan Rodgers, der bei Swansea mit ansprechendem Offensivfussball ("Swanselona") für Furore sorgte.
Doch Amtsvorgänger Dalglish hinterlässt ihm einen Kader, der unausgewogener kaum zusammengestellt sein könnte, so dass Rodgers einen radikalen Schnitt vollzieht: Transferflops wie Charlie Adam, Andy Caroll und Alberto Aquilani werden aussortiert, zudem trennt man sich in Dirk Kuyt, Maxi Rodriguez und Craig Bellamy von Spielern, die höchsten Ansprüchen nicht mehr genügen.
Dafür zieht Rodgers jede Menge fussballerische Klasse an Land: Mit Nuri Sahin und Swansea-Lieblingsschüler Joe Allen bekommt Rodgers zwei Mittelfeldstrategen, mit Fabio Borini eine temporeiche zweite Spitze und aus der U21 befördert er einen gewissen Raheem Sterling in den Profikader. Im Winter folgen in Philippe Coutinho und Daniel Sturridge zudem die vielleicht bisher besten Deals der Ära Rodgers.

Doch in der ersten Saison fehlt es dem neuen Gebilde noch an Stabilität. Wenn man gewinnt, dann zumeist hoch (neunmal drei oder mehr Tore Unterschied), aber oft genug reicht es nur zu einem Unentschieden, zudem verliert man neunmal.
Dennoch kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass da etwas entsteht an der Anfield Road. Vorne zaubern Sturridge, Sterling, Coutinho und nicht zuletzt der unter Rodgers zum Weltklassestürmer gereifte Luis Suarez, im Mittelfeld zieht Steven Gerrard die Fäden, hinten räumen Agger und Skrtel ab - es braut sich was zusammen. Und in der Folgesaison explodiert es.
Rodgers etabliert mit dem Trio Sterling-Suarez-Sturridge, unterstützt von Edeltechniker Coutinho, eine Offensivmaschine, die die Reds beinahe zur Meisterschaft führt. Erst Steven Gerrards Ausrutscher und die daraus folgende Niederlage gegen Chelsea beenden die Meisterschaftsambitionen. Trotz 101 Toren. Trotz der zweitbesten Saison der eigenen Premier League-Geschichte.

Soweit also der Stand im Sommer 2014. Man hat einen jungen (Durchschnittsalter 23,8), unglaublich entwicklungsfähigen Kader, der in Gerrard, Skrtel und Suarez auf einer funktionierenden Achse fußt. Dennoch ist man wieder - den Glauben an die Aussagekraft der Tabelle vorausgesetzt - hinter ManU, Chelsea und Arsenal zurückgefallen. Und das hat Gründe.

Taktische Mängel

So nimmt die taktische Naivität bisweilen frappierende Züge an. Es fehlt an simpelsten Mechanismen im Spielaufbau sowie in der defensiven Umschaltbewegung.
Besonders auffällig in besagtem Spiel gegen Arsenal: Arsenal genügte ein solides, durchdachtes Angriffspressing, um jeglichen geordneten Spielaufbau der Reds zu unterbinden. Vorne störten Giroud, Alexis und Ramsey, dahinter schloss das Mittelfeld - besonders hervorzuheben Francis Coquelin - die Lücken. Die Folge waren zahlreiche Ballverluste und daraus resultierende Chancen für die Gunners. Es hätte schon nach 15 Minuten 2:0 stehen können.
Es fehlen Verteidiger, die über ein sauberes Pass- und Aufbauspiel verfügen. Auf dem Platz standen dagegen Spieler wie Kolo Toure und Mamadou Sakho, die in dieser Hinsicht schlicht völlig limitiert sind. Zu allem Überfluss fehlte Abwehrchef Martin Skrtel überdies noch gesperrt, allerdings definiert sich auch er eher über seine Zweikampfhärte als über die feine Klinge im Aufbau. Lediglich Emre Can ist diesbezüglich wohl als veranlagt einzustufen, allerdings fehlt es auch ihm an Ruhe sowie an taktischer Disziplin.

Erschwerend kommt die fehlende Unterstützung aus dem Mittelfeld hinzu. Selbst simple Standard-Mechanismen des modernen Fussballs, wie der zwischen die Innenverteidiger "abkippende" Sechser, haben noch keinen Einzug an der Anfield Road erhalten. Wenn es doch geradezu evident ist, dass die Innenverteidiger mit dem Spielaufbau überfordert sind, so benötigt es Unterstützung von den Sechsern, gegen Arsenal also von Lucas Leiva oder Joe Allen. Doch beide ließen sich von ihren Gegenspielern binden - fatal, zumal der diesbezüglich durchaus begabte Jordan Henderson von Rodgers auf die rechte Außenbahn geschoben wurde und Steven Gerrard gesperrt fehlte.
Allerdings sitzt dieser ohnehin meist nur noch auf der Bank. Es reiche angeblich physisch nicht mehr - fragwürdig, schließlich war Gerrard in der vergangenen Saison gerade erst in die Rolle als spiritus rector hineingewachsen und zeigte keinerlei nennenswerte Verschleißerscheinungen.
Denn Gerrard ist der Spielertyp, den das Spiel der Reds benötigen könnte. Mit Ruhe und Übersicht am Ball vermag er das bisweilen hypernervöse, hektische Spiel zu entschleunigen, Ballkontrolle herzustellen und für einen geordneten Spielaufbau zu sorgen.

Es ist augenscheinlich, dass im Mittelfeld der Schlüssel zu den taktischen Problemen Liverpools liegt. Als Nachfolger des im Sommer gen Amerika abwandernden "Stevie G." hat Rodgers Jordan Henderson, der zwar als Flügelspieler eingekauft wurde, aber mit seiner interessanten Kombination aus Physis, taktischer Intelligenz und Passstärke geradezu prädestiniert scheint für den zentralen Part im Mittelfeld, bereits einen geeigneten Nachfolger parat. Doch es fehlen ihm fähige Nebenleute: Lucas Leiva wirkt völlig verloren im taktischen Gebilde, Joe Allen kann seine körperlichen Mängel nicht ausreichend durch taktische Cleverness aufwiegen, zeigt kaum Präsenz und ist zumeist kein relevanter Faktor im Spiel der Reds. Erschwerend kommt für Henderson hinzu, dass er (zu) häufig auf den Flügel geschoben wird und somit keinen wirklichen Einfluss auf den Spielaufbau nehmen kann. Allerdings fehlt es auch Henderson noch an der nötigen taktischen Disziplin. Oft agiert er zu offensiv, ohne, dass für defensive Absicherung gesorgt ist.
Als Konsequenz daraus folgt, dass das Mittelfeld im Spiel der Reds kein relevanter Faktor ist: Im eigenen Angriffsspiel, welches vorwiegend auf einem temporeichen Umschaltspiel fußt, versucht man schnell den Ball ins letzte Drittel zu bringen, wo man dann auf die individuelle Klasse von Sterling, Coutinho und (gelegentlich) Daniel Sturridge vertraut.

Gegen den Ball wiederum gibt es im Grunde keine Gegenwehr aus dem Mittelfeld. Entweder die Abwehrreihe kann den Angriff stoppen oder der Gegner kommt zum Abschluss. Ein ständiges Vabanquespiel.
Allzu häufig geschieht nämlich letzteres. Ein derart riskanter Fussball kann letztlich nur erfolgreich sein, wenn man das entsprechende Personal für die Defensive hat. Mit Spielern wie Mamadou Sakho, Dejan Lovren und vor allem Kolo Toure in der Abwehrreihe kann und darf man sich im Mittelfeld nicht derart simpel überspielen lassen - und erst recht keine Dreierkette etablieren. Dafür fehlt es ihnen an Pressingresistenz im Spielaufbau, an Cleverness im Stellungsspiel und vor allem (einmal mehr) an taktischer Disziplin. Allen voran Toure und Sakho tun sich bisweilen mit Kamikaze-Forecheckings hervor, die immense Räume hinter ihnen öffnen. Dazu kommt, dass Alberto Moreno - bei aller Klasse in der Offensive - defensiv bisweilen überfordert ist. Zu beobachten vor den 1:0-Gegentreffern gegen Arsenal und Manchester United, als sein schwaches Zweikampfverhalten bzw. sein schlechtes Stellungsspiel jeweils zum Gegentor führten.

Stabilität garantiert allenfalls Martin Skrtel, der allerdings für eine unsportliche Aktion gegen David de Gea zurecht nachträglich gesperrt wurde. Auch das ist kein Einzelfall. Denn im selben Spiel wurde bereits Steven Gerrard keine Minute nach seiner Einwechslung für eine Undiszipliniertheit des Feldes verwiesen. Gegen Arsenal holte sich Emre Can beim Stande von 3:1 noch eine an Unnötigkeit kaum zu überbietende Ampelkarte ab. Sie fehlen damit vorerst - eine weitere Schwächung.

Krude Transferpolitik

Denn Alternativen sind rar gesät. Skrtels Ausfall führte dazu, dass Rodgers gegen die Gunners eine Harakiri-Dreierkette aus Kolo Toure, Mamadou Sakho und Emre Can aufbieten musste. Die einzige Alternative wäre Dejan Lovren gewesen, der allerdings nach diversen furchtbaren Aussetzern keinen Kredit mehr hat. Weder bei Rodgers, aber erst recht nicht bei Fans und Medien.
Hier offenbart sich ein weiteres fundamentales Problem der Reds: Die gravierenden Fehler in der Kaderplanung.

Denn Lovren ist nur einer von vielen, vielen Fehlgriffen in den letzten 5 Jahren. Er führt damit die "hehre" Tradition teurer Fehlgriffe des FC Liverpool fort, die geradezu zum Vereinsfestsatz zu gehören scheinen und unabhängig vom jeweiligen Manager auftreten. Benitez griff mit Alberto Aquilani teuer daneben, für Dalglish sind Fehlgriffe wie Stewart Downing oder Charlie Adam zu verzeichnen. Aber allen voran geht natürlich die Mutter aller Transferflops auf Dalglishs Kappe: Nämlich 41-Millionen-Mann Andy Caroll.
Auch Brendan Rodgers lässt sich diesbezüglich nicht lumpen: Mit Fabio Borini, Nuri Sahin, Iago Aspas und Luis Alberto langte auch der Nordire gleich kräftig daneben, zog aber in Philippe Coutinho und Daniel Sturridge auch zwei Glücksgriffe aus dem Ärmel, durch welche die fabulöse Saison 13/14 erst möglich wurde.

Was Rodgers dann aber aus dem immensen finanziellen wie sportlichen Potential dieser Sahnesaison machte, spottet jeder Beschreibung: Dejan Lovren entpuppte sich, wie schon gesagt, als Mogelpackung, was allerdings angesichts seiner starken Saison bei Pochettinos Southampton schwerlich vorherzusehen war. Vorwerfen muss man Rodgers allerdings die kostspieligen Verpflichtungen von Mario Balotelli und Lazar Markovic - Fehlgriffe mit Ansage. Denn Rodgers verpasste es so lange, entschlossen nach einem Suarez-Nachfolger zu fahnden, bis er aus der Panik des Deadline-Days heraus ein "enfant terrible" an die Mersey lotste, das, außer einer starken EM, einer brauchbaren Rückrunde bei Milan und der blassen Versprechung angeblichen Potenzials, keinerlei Referenzen, dafür aber ein prall gefülltes Führungszeugnis aufzuweisen hat.
Bei Lazar Markovic wiegen die Scouting-Fehler nicht minder. Denn, wenn ein Spieler, der als angeblich schneller, technisch begabter "Dribbler" eingekauft wurde, derart frappierende technische Mängel aufweist, dass man sich fragt, was diesen Spieler angeblich für Champions League-Niveau qualifizieren soll, so muss irgendetwas kapital falsch gelaufen sein im Scouting.
Zumal wohl die Chance bestanden hätte, in Alexis Sanchez einen Spieler zu verpflichten, der seine Klasse auf höchstem Niveau bereits nachgewiesen hatte. Zwar war dieser auch 13 Millionen Euro teurer taxiert, doch der sportliche Mehrwert hätte dies wohl deutlichst aufgewogen.


Und so fehlt nun oftmals ein Vollstrecker in der Offensive. Daniel Sturridge ist zwar als solcher zu klassifizieren, fällt allerdings häufiger aus als er zur Verfügung steht. Von 32 Ligaspielen dieser Saison stand Sturridge lediglich in 12 (!) zur Verfügung. Im League Cup, sowie in der Champions League sah Sturridge nicht eine einzige Minute. Fatal, denn die Alternativen Borini und Balotelli sind letztlich keine. Borini fehlt es an jeglicher Durchschlagskraft, Balotelli bei allen eventuell vorhandenen Fähigkeiten bekanntermaßen schlicht am essentiellsten: An der professionellen Mentalität.
Oft muss Rodgers auf die Variante mit Sterling als nominell falscher Neun zurückgreifen, dem allerdings jegliche Abgeklärtheit im Abschluss abgeht. Zumal diese diese Variante de facto ohnehin einem Spiel ohne Stürmer entspricht, da Sterling meist auf links abkippt und Coutinho bevorzugt den Zehnerraum besetzt sowie ungern selbst in die Spitze vorstößt. So bleibt im Offensivspiel viel an Distanzschüssen (Coutinho, Henderson) und Dribblings (Sterling, Coutinho, Lallana) hängen.
Ein Resultat der verfehlten Transferpolitik.

Ebenso wie die Quasi-Inexistenz des Mittelfeldes. Als Konstanten existieren hier lediglich Jordan Henderson und Steven Gerrard, deren Problematiken allerdings bereits erörtert wurden. Ebenso wie die von Joe Allen und Lucas Leiva. Es wurde versäumt, hier mindestens einen Spieler zu verpflichten. Dieser müsste dann allerdings sogleich als Schlüsselspieler taugen, denn die Probleme sind, wie schon beschrieben, eminent. Es fehlt ein ballsicherer, präsenter, passstarker Akteur, der Bälle fordert, das Aufbauspiel strukturiert und den Takt vorgibt. Namedropping soll an dieser Stelle allerdings nicht betrieben werden.
Angesichts der generellen Mittelfeldschwächen der Premier League ist es die halbe Miete, hier die Hoheit zu behalten. Wer hier Struktur gegen und Dominanz mit Ball besitzt, kann quasi für die Champions League planen. Nachzufragen bei Louis van Gaal und Manchester United, die es trotz Schwächen in anderen Mannschaftsteilen geschafft haben, durch ein stabiles Mittelfeld in Aufwind zu geraten.
In Anbetracht dieser Tatsache würde auch ein zweikampfstarker, gut antizipierender Spielertyp Marke "Abräumer" nicht schaden. Priorität besitzt allerdings ein Spielgestalter.

Frappierend offensichtlich wird die Fehlplanung dann allerdings in der Abwehrreihe. Es fehlt ein stabiler, ausbalancierter Rechtsverteidiger, als welcher sich weder Glen Johnson noch Javier Manquillo erwiesen. Zudem fehlt mindestens (!) ein Innenverteidiger, der über ein sauberes Aufbau- und ein umsichtiges Stellungsspiel verfügt. Weder Dejan Lovren, geschweige denn Kolo Toure sind Lösungen, mit denen man perspektivisch planen kann und sollten dementsprechend im Sommer gehen. Mamadou Sakho stellt hier angesichts seines noch jungen Alters und seiner Stärken im physischen Bereich ein Grenzfall dar.
Fatal jedenfalls, dass Rodgers im Sommer Fanliebling Daniel Agger ziehen ließ. Zwar war auch er an der letztjährigen defensiven Instabilität beteiligt, doch die Hauptschuld lag gewiss nicht in ihm, sondern in der generell riskanten Spielweise des Teams begründet. Im Gegenteil: Mit Agger war man stabiler als ohne ihn. In den Liga-Spielen mit ihm in der Startelf holte man im Schnitt 2,5 (!) Punkte, ohne ihn in der Startelf nur 1,6. Mit ihm in der Startelf kassierte man durchschnittlich nur 1 Gegentor, ohne ihn 1,4. Dazu kommt Aggers Wichtigkeit als Führungs- sowie als Identifikationsfigur.
Besonders unsäglich: 2013 hätte man für Agger vom FC Barcelona knappe 20 Millionen Euro kassieren können. 2014 dann immerhin noch 17 Millionen. Gegangen ist er letztlich zu Bröndby. Für 4 Millionen Euro. Missmanagement par excellence.

Wie kann es weitergehen?

Was bisher vielleicht so niederschmetternd klang, soll an dieser Stelle etwas relativiert werden, denn die mittelfristige Perspektive der Reds sieht keineswegs schlecht aus.
Zwar muss sich Brendan Rodgers einige Fehler taktischer wie transferpolitischer Natur ankreiden lassen - seine Qualifikation als Manager ist unbestritten. Er formte aus einem Trümmerhaufen binnen zwei Jahren einen Fast-Meister, etablierte Liverpool wieder im Dunstkreis der großen, finanziell potenteren Teams. Dass er zudem taktisch ein pralles Portfolio aufzuweisen hat, bewies er während seiner Ägide in Swansea.

Will Rodgers die Reds allerdings wieder dauerhaft in der Champions League etablieren, muss ein erneuter Umbruch her. Spieler wie Lucas Leiva, Mario Balotelli, Fabio Borini, Rickie Lambert, Dejan Lovren, Glen Johnson oder Kolo Toure haben wohl keine Zukunft an der Anfield Road. Joe Allen, Mamadou Sakho oder Lazar Markovic stehen auf der Kippe.
Problematisch ist allerdings, dass mit erstgenannter Gruppe wohl keine großen Erlöse einzufahren sind. Johnsons und Toures Verträge laufen aus, Javier Manquillo kehrt zu seinem Stammverein (Atletico) zurück und der Marktwert der Übrigen wird zwar von transfermarkt.de (deren Seriösität an dieser Stelle mal dahinstehen soll) mit knapp 55 Millionen Euro taxiert, dürfte aber angesichts der schlechten Verhandlungsposition eher bei 25-40 Millionen anzusiedeln sein. Dazu kommt, dass die Klubspitze in den vergangenen Jahren nie mehr als 50 Millionen Euro Transferbudget bzw. (anders formuliert:) Transferminus ohne Gegenwert bewilligte.
Benötigt werden aber mindestens ein Mittelfeldspieler, ein bis zwei Innenverteidiger, ein Rechtsverteidiger, ein Stürmer und unter Umständen noch ein (bis zwei? siehe unten) Flügelspieler. Fraglich also, woher das Geld für den Umbau kommen soll.

Ins Auge springt also das eigene Tafelsilber. Da aber Philippe Coutinho, Jordan Henderson oder Daniel Sturridge als feste Säulen einer neuen Achse eingeplant werden müssen, fällt der Blick automatisch auf das "Kronjuwel": Raheem Sterling.
Sterling profitiert von einem immensen Hype im In- und Ausland. Schon mit 18 war er einer der Stars des Reds-Ensembles, seine bisweilen spektakuläre Spielweise tut ihr Übriges. Fraglich bleibt also, ob der finanzielle Wert den sportlichen aufwiegen könnte, auch in Anbetracht des Entwicklungspotentials.
Ich meine: Ja! Sterling ist ein überaus begabter, dynamischer Dribbler. Doch das war es unter dem Strich auch schon. Seine Entscheidungsfindung ist katastrophal, die finale Aktion (Abspiel oder Abschluss) passt meist nicht - auf den Punkt gebracht: Es fehlt ihm an jeglicher Spielintelligenz.

Strittig, ob diese in Anbetracht des Alters nicht auch entwicklungsfähig ist. Gewiss kann Sterling sich durch gutes Coaching sowie mehr Erfahrung diesbezüglich noch steigern, mehr richtige Entscheidungen treffen. Doch das letzte Quäntchen, das es rechtfertigen würde, eine Summe jenseits der 50-60 Millionen Euro zu verschmähen, fehlt ihm meiner Ansicht nach einfach. 50-60 Millionen sind zwar ein immenser Wert, der in Anbetracht seiner Leistungen wohl noch nicht gerechtfertigt wäre, allerdings ließe sich dieser angesichts der Marktsituation in England durchaus erzielen.
Würde ein Angebot in dieser Höhe hereinflattern, sollte man es annehmen. Es entspräche schlicht dem Vereinswohl.

Denn zur fixen Achse eines erneuerten FC Liverpool muss Sterling nicht zwingend zählen. Andere Spieler sind wichtiger. Mit Skrtel, Can, Moreno, Henderson, Coutinho, Lallana und Sturridge stünde das Grundgerüst einer neuen Mannschaft bereits.
In Skrtel, Henderson und Philippe Coutinho stehen die Schlüsselspieler bereits bereit. Skrtel als erfahrener Abwehrturm, Henderson als Mittelfelddirigent und Coutinho als einer der besten Offensivspieler der Premier League. Um diese Spieler herum kann eine Mannschaft entstehen, die an alte Glanzzeiten anknüpfen kann.


Der Abstand zur Spitze ist nicht übermäßig groß. Chelsea agiert zwar in Relation zum nationalen Rest dominant, international wurden allerdings Mängel offenbar, die sich auch national bereits einige Male andeuteten. Der Rest ist in Schlagdistanz.
Trifft man im Sommer die richtigen Entscheidungen, lernt aus vergangenen Fehlern auf dem Transfermarkt sowie im taktischen Bereich und stellt sich auch strukturell (Stadionumbau, Auslandsvermarktung, sonstige Umsatzmaximierung) zukunftsfähig auf, dann kann der FC Liverpool zurückkehren ins Konzert der ganz Großen.

Erst national.
Und dann vielleicht auch wieder international.

KOMMENTARE
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RoyRudolphusAnton
19.04.2015 | 21:17 Uhr
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19.04.2015 | 21:17 Uhr
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Top-Analyse, Kompliment!
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Talentfrei
MODERATOR
19.04.2015 | 20:53 Uhr
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Talentfrei : 
19.04.2015 | 20:53 Uhr
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Talentfrei : 
ganz starker blog, 10er!


liverpool hat viele Fehler gemacht, besonders in Sachen kaderplanung und Transfers, man hat aber natürlich den Vorteil, dass in der premier league einige teams viele dinge und Entwicklungen verschlafen haben.


ich denke, dass viel auf die kommende transferperiode ankommt.


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