Zwei Siege. Nur zwei Siege war man bereits im ersten ja nach dem Homecoming LeBrons von der langersehnten Meisterschaft entfernt. Das alles überragende Team der regulären Saison, die Warriors, hatte man mit überragendem Defensivplan an den Rande der Verzweiflung gebracht. James und Co. lagen mit 2-1 in den NBA Finals vorne, bis Andre Iguodala seinen inneren Ray Allen fand. Dabei musste man quasi die kompletten Playoffs ohne Star-Neuzugang Kevin Love und die Finals ohne Kyrie Irving spielen. Wenn man bereits ohne diese beiden so nah am Titel dran war, ist die Trajektorie doch klar, oder? Man addiere die zwei verletzten All-Stars, ein Jahr mehr Eingespieltheit und neue Rollenspieler und die fehlenden zwei Siege sollten nur noch Formsache sein.
Was ist neu?
Im Front Office sowie auf der Trainerbank bleibt alles beim Alten. David Blatt geht in seine zweite Saison und dürfte die Eingewöhnungsphase überstanden haben. Sein erster Assistent ist immer noch der ligaweit extrem angesehene Tyronn Lue. Alle wichtigen Rotationsspieler konnten gehalten werden, auch wenn es bei manchen etwas länger gedauert hat (ja, du bist gemein Tristan!). Nur das Karriereende von Shawn Marion hat man zu beklagen. Die Verträge von Thompson, Shumpert und Love wurden verlängert, ebenso der des ökonomischen Genies JR Smith. Bei Mozgov zog man die extrem günstige Teamoption (5 Mio).
Neu in Ohio ist ein alter Bekannter in Mo Williams, der die beste Saison seiner Karriere damals an der Seite von James eben hier in Cleveland spielte. Ein weiterer Neuzugang ist der mit Minimum ausgestattete Richard Jefferson.
Umfeld:
Vor zwei Jahren hätte ich dem Umfeld hier maximal zwei Bälle als Bewertung um die Ohren gehauen. Miese Draft-Entscheidungen (Waiters, Thompson, Bennett), schlechte Coach-Wahl und ein Staat, den attraktive Free Agents meiden wie der Teufel das Weihwasser. Aber hier erkennt man gut den Einfluss, den Star-Spieler auf die Anziehung einer Franchise ausüben. LeBron James ist wieder zurück und schon ist man eine weltweit angesehene Franchise. Free Agents verlängern, Veteranen kommen für günstiges Geld und das FO hat keine Chance mehr, miese Entscheidungen zu treffen. Owner Dan Gilbert ist bereit, sehr, sehr tief in die Tasche zu greifen, um den Championship-Fluch des Staates Ohio endlich zu brechen. Die Payroll der Cavs ist die höchste der Liga (100 Mio Dollar). Dies ist ein großes Plus gegenüber Organisationen, die eher mit Geiz überzeugen (Clay Bennett). Es gibt zur Zeit kaum Kritikmöglichkeiten am Umfeld der Cleveland Cavaliers.
Stärken:
Die Cavaliers sind sowohl im Gespräch um die besten Starting Five als auch um die beste Offensive der Liga. Die Big Three alleine sind schon ein nicht zu verteidigendes Feuerwerk, zudem können sie durch ihre Tiefe hier extrem viele und sinnvolle Anpassungen vornehmen. Je nach Bedarf kann man mit JR Smith und Shumpert klein spielen, mit Mozgov und Thompson groß, James Jones und Mo Williams bringen zudem wieder Shooting und/oder Playmaking. Die Offensive war letztes Jahr schon die drittbeste der NBA mit 1,12 Punkten pro Possession, obwohl man nicht eingespielt war, man keine ideale Rolle für Love fand und wichtige Rollenspieler mitten in der Saison ausgetauscht wurden. Obwohl es anders angekündigt war, ließ man wieder sehr viel LeBron-Ball spielen. Solange man sich auf den immer noch besten Spieler der Welt in solcher Art und Weise verlassen kann, hat man eindeutig Luxusprobleme.
Auch wenn die Defensive insgesamt im letzten Jahr nur Durchschnitt war, so ist auch hier vieles verzerrt durch die erste Hälfte der Saison. Im späteren Verlauf konnten die Cavs, insbesondere mit Mozgov, solide Lineups laufen. Kann man also die Defensive um ca. zwei Punkte pro 100 Possessions verbessern, sind die Cavs auch bzgl. Ihres Net-Ratings eines der drei besten Teams der Liga.
Schwächen:
Es ist die Suche nach dem Haar in der Suppe.
1) Niemand weiß bislang, ob Lineups, die die Big Three enthalten, wirklich ausbalanciert sind. Offensiv ist man über jeden Zweifel erhaben, aber kann man defensiv Love und Irving verstecken? Wenn man wie zu Miami Zeiten LeBron nur mit einem Big aufstellen will, muss man dann Love opfern, weil sonst die Pick´n´Roll-Verteidigung und die Rim Protection zu löchrig wären?
2) LeBron muss nach dem immensen Workload in seiner Karriere in der RS mittlerweile geschont werden. Die Cavs müssen also ein System finden, das auch mit weniger James funktioniert. Da ist es zudem nicht hilfreich, dass Irving, Shumpert und Love verletzt bzw. angeschlagen in die Saison gehen. Wenn man James wirklich schont, könnte der erste Platz im Osten und das Heimrecht im NBA-Finale in Gefahr sein.
Spieler im Fokus:
David Blatt. Ok, hier wurde ein wenig geschummelt, aber aus gutem Grund. Kein Spieler der Cavaliers steht in besonderem Fokus, weil alles Scheinwerferlicht sowieso vom König selbst absorbiert wird. Irving und Love können sich im Schatten LeBrons in Ruhe bewegen. Läuft es gut, wird ihre Leistung entsprechend honoriert, läuft es schlecht, steht sowieso James in der Schusslinie.
Beim Coach sieht es aber anders aus. Mit großen Ankündigungen kam er vor einem Jahr zu den Cavs. Princeton-Offense wolle man spielen, alle sollten darin involviert sein. Daraus wurde nichts. Ebenso hatte man oftmals das Gefühl, LeBron sei der eigentliche Chef auf UND neben dem Feld. Ist dies nun eine Schwäche Blatts? Oder doch eher eine brillante Umgangsform, einem der vielleicht drei besten Spieler aller Zeiten solche Rechte einzuräumen? In jedem Fall war die Defense im ersten Jahr insgesamt zu schwach und Blatt wirkte oft ziemlich unsicher. Auch wenn er in den Playoffs defensiv fantastisch gecoachat hat, ist er der Mann im Fokus in der kommenden Saison.
Fazit und Prognose:
Alles andere als ein erneuter Einzug in die NBA-Finals wäre angesichts des Rosters und der mangelnden Konkurrenz im Osten eine richtige Enttäuschung. So krass es sich anhört, aber die Finals sind das Minimalziel für die Cavs. Sie sind aber auch stark genug, um dieses Jahr endlich Champ zu werden: der beste Spieler der Welt, der hoffentlich ausgeruhter in den Playoffs ankommt, zwei ideale Sidekicks, ein tiefer Kader. Bis zu den Finals gibt es nur kleinere Stolpersteine, dort hätte man gegenüber jedem Westteam den Vorteil, sich nicht durch die knüppelharte Conference durchschlagen zu müssen. Die RS wird durch die ganzen Verletzungen ein schwieriger Balanceakt, aber dennoch sollte man den ersten Platz im Osten sowie das NBA Finale erreichen. Dort hat man gegen jedes Team dann eine Chance.
Nur das hier nicht Superstar Della der Spieler im Fokus ist, ist eigentlich unverzeihlich .