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Gründer: Karrramba | Mitglieder: 163 | Beiträge: 22
Von: Talentfrei
21.04.2016 | 17616 Aufrufe | 22 Kommentare | 22 Bewertungen Ø 9.1
Halbfinale in der Königsklasse
Bayern gegen die weltbeste Defensive
Zwei Spiele trennen den FC Bayern vom Finale in Mailand

Atletico im Porträt

Der Verein aus der spanischen Hauptstadt wurde am 26. April 1903 gegründet und gehört zu den erfolgreichsten Fußballklubs in Spanien und Europa. Auf nationaler Ebene gewann man jeweils zehnmal die Meisterschaft und den Pokal, außerdem zweimal den Supercup. International machten die Rojiblancos durch den Gewinn des Europapokals der Pokalsieger (1962), des Weltpokals (1974), der Europa League und des Supercups (je 2010 und 2012) auf sich aufmerksam.

Heimspielstätte von Atletico ist das Estadio Vicente Calderon, das einige Besonderheiten aufweisen kann, unter anderem führt die Stadtautobahn geradewegs unter der Haupttribüne hindurch. Darüber hinaus trifft für dieses Stadion der Begriff Hexenkessel vollends zu, die Stimmung ist herausragend, die Atmosphäre immer aufgeheizt und sie Zuschauer können in engen Spielen das Zünglein an der Waage sein. Die Fans feiern jeden Ballgewinn, sind für jeden Zweikampf dankbar und übertragen die elektrisierende Stimmung auf das Feld, die Spieler werden gepusht und sind noch motivierter. Das 1966 eröffnete Stadion bietet derzeit Platz für fast 55.000 Zuschauer.

Trainer der Mannschaft ist seit 2011 der 45-jährige Argentinier Diego Simeone, der Atletico während seiner Amtszeit zu einem gefürchteten und international erfolgreichen Team geformt hat und gerade im taktischen Bereich einen großen Fortschritt erzielen konnte. Während seiner aktiven Karriere spielte Simeone unter anderem für den FC Sevilla, Atletico Madrid, Inter Mailand und Lazio Rom, dabei gewann er unter anderem 1998 mit Inter den UEFA-Cup, als er in einem Team mit Pagliuca, Djorkaeff und Ronaldo zusammenspielte. Nach seinem Karriereende übernahm er 2006 das Traineramt beim argentinischen Racing Club de Avellaneda, ehe er bei Estudiantes de la Plata anheuerte, bei denen er prompt die Meisterschaft gewinnen konnte. Nach weiteren Stationen, unter anderem bei River Plate und Catania, unterschrieb er 2011 bei Atletico und trat die Nachfolge von Gregorio Manzano an.

Seine größten Erfolge aber feierte er in Madrid. Er gewann die Europa League, erreichte das Finale in der Königsklasse und schlug im Pokalfinale Real Madrid, dazu gewann er die spanische Meisterschaft vor Real Madrid und dem FC Barcelona. Er installierte einen neuen Spielstil, der von seinen Gegnern als sehr unangenehm, teilweise sogar eklig empfunden wurde, mit seiner temperamentvollen Art riss er die Mannschaft und die Fans mit und es gelang ihm sehr schnell seine Vorstellungen von Fußball umzusetzen. Auch der Verlust einiger wichtiger Spieler wurde einerseits durch die mannschaftliche Geschlossenheit und clevere Anpassungen des Spielstils, andererseits durch intelligente Neuverpflichtungen kompensiert. Simeone ist begehrt, viele Topvereine sollen ihn auf der Liste haben - und das zurecht.

Der Kader Atleticos

Atletico Madrid hat in dieser Saison wieder einen Schritt nach vorne gemacht, weil der Kader mit cleveren Ergänzungen bestückt und hinreichend verstärkt wurde, zudem wurden Perspektivspieler verpflichtet, die sich nun auch in der kommenden Transfersperre beweisen und als Volltreffer erweisen können. Vor der Saison wurden unter anderem Cristian Rodriguez und Emiliano Insua ablösefrei abgegeben, Miranda verliehen und Raul Garcia, Jimenez, Mario Suarez, Alderweireld, Mandzukic und Arda Turan verkauft. Die Einnahmen (geschätzte 100 Millionen Euro) wurden clever reinvestiert und der Kader auch in der Breite verstärkt. Mit Jackson Martinez (37 Mio.), Stefan Savic (25 Mio.) und Luciano Vietto (20 Mio.) wurden drei hochkarätige Spieler in die spanische Hauptstadt gelotst, außerdem verpflichtete man Spieler wie Carrasco oder Kranevitter, auch Filipe Luis wurde nach einem unglücklichen Jahr bei Chelsea wieder aufgenommen.

Im Winter wurden nur noch kleinere Anpassungen vorgenommen. J. Martinez wechselte prompt wieder nach China, Siqueira wurde verliehen. Kranevitter kam von seiner Leihe bei River Plate zurück und Augusto Fernandez wurde von Celta Vigo verpflichtet. Der Kader der Rojiblancos ist nicht besonders groß, aber verfügt über viele flexible Spieler, die eine Spielsysteme und Ausrichtungen verinnerlicht haben. Das Durchschnittsalter ist mit 26,3 Jahren absolut ausgewogen und 14 Spieler sind Teil der A-Nationalmannschaften ihres jeweiligen Landes. Stammtorhüter ist der 23-jährige Slowene Jan Oblak, der ein sicherer Rückhalt ist und 2014 von Benfica nach Madrid transferiert wurde. In dieser Saison spielte Oblak in 43 Spielen überragende 27-mal zu null, was neben seinen Fähigkeiten aber auch an der herausragenden Defensive liegt. Ersatztorhüter ist der erfahrenere Moya, der in dieser Saison lediglich in der Copa del Rey zum Einsatz gekommen ist, aber dennoch über eine enorme Klasse verfügt. Auf der Rechtsverteidigerposition ist der 31-jährige Juanfran unangefochtener Stammspieler. Der erfahrene Mann spielt seit 2011 für Atletico und ist vor allem für seine disziplinierte Spielweise und Zweikampfstärke bekannt. Sein Pendant auf der linken Seite ist Rückkehrer Filipe Luis, der etwas offensiver agiert und in 38 Pflichtspielen vier Scorerpunkte erzielen konnte (Juanfran steht bei deren 2 in 40 Spielen). Backup für beide Seiten auf der etwas dünn besetzten Position ist Jesus Gamez, der diese Saison allerdings nur 15 Pflichtspiele absolvieren durfte und dabei meist unauffällig blieb.

Die Konstante, der Chef in der Abwehr ist Diego Godin (30). Der Innenverteidiger aus Uruguay absolvierte 42 Pflichtspiele und hält die Defensive seit 2010 zusammen, als er von Villarreal verpflichtet wurde. Godin ist kopfballstark, verfügt über eine sehr ordentliche Spieleröffnung und ist vor allem als Taktgeber in der Verteidigung wichtig, auf sein Kommando hört der gesamte Defensivverbund. Ihm zur Seite steht meistens der junge und extrem talentierte José Gimenez (21), der zuletzt an Achillessehnenproblemen litt, aber mit 32 Pflichtspielen ein elementarer Bestandteil der Mannschaft ist. Neuzugang Stefan Savic (25) hatte ebenfalls längerfristig mit einer Verletzung zu kämpfen, stand aber immerhin 18-mal auf dem Platz und funktionierte dabei schon sehr gut. In den letzten Wochen spielte Lucas Hernandez häufiger, ein 20-jähriges Talent aus dem eigenen Nachwuchs, das noch bis 2019 an den Verein gebunden ist. Besonders gegen Barcelona konnte er mit unaufgeregtem und geradlinigem Spiel überzeugen.

In der Breite am Besten besetzt ist das zentrale Mittelfeld. Hier verfügt Atletico über eine große Bandbreite an Spielern, die in den verschiedensten Kombinationen die unterschiedlichsten Einflüsse auf das Spiel haben. Die erfahren Tiago (34) und Gabi (32) sorgen für Ruhe und Ordnung, sind optimal mit den anderen Defensivspielern eingespielt und haben überdies ein ausgeprägtes Spielverständnis. Beide sind immer in der Lage, Lücken zu erkennen, diese zu schließen oder Mitspieler dorthin zu delegieren. Mit 41 Pflichtspielen ist der 21-jährige Saul Niguez ein wichtiger Mosaikstein im Mittelfeld der Rojiblancos. Saul spielt häufig auch auf der Außenbahn um eine gewisse Balance zu bewahren. Er hat sowohl in der Defensive als auch in der Offensive seine Stärken und kann flexibel eingesetzt werden. Thomas, Kranevitter und Fernandez komplettieren das Mittelfeldzentrum und sind brauchbare und solide Kaderergänzungen.

Im offensiveren Bereich ist vor allem Koke erwähnenswert, der technisch hervorragend ausgebildet wurde, aus der eigenen Jugend stammt und in 43 Spielen 5 Tore erzielte und weitere 15 vorbereiten konnte. Koke gehört zu Atleticos Tafelsilber und ist einer der bestimmenden Akteure im Angriff und kann auf der Außenbahn und im Zentrum spielen. Auch Oliver Torres kann offensiv einige Positionen bekleiden und ist sehr talentiert. Er kam in dieser Saison allerdings überwiegend als Joker zum Einsatz und konnte nur ansatzweise zeigen, was er kann. Der Belgier Carrasco macht besonders in den letzten Monaten einige Fortschritte. Nachdem er anfangs noch einige Startschwierigkeiten hatte, scheint er sich nun nahtlos eingefügt zu haben und vor allem durch seine Schnelligkeit zu bestechen. 37 Pflichtspieleinsätze kommen nicht von ungefähr.

Im Angriff stehen vier hervorragende Spieler im Kader von Atletico. Luciano Vietto, der Neuzugang aus Villarreal, kommt eher als Joker zum Einsatz und ist ein technisch versierter und gerade im Konterspiel auffälliger Angreifer, der noch ein wenig effizienter werden muss. In 27 Pflichtspielen gelangen ihm 3 Tore und 5 Vorlagen. Ebenfalls ein guter Konterspieler ist der 21-jährige Angel Correa. Der Argentinier absolvierte 33 Pflichtspiele und erzielte 7 Treffer, bei 4 Torvorlagen. Correa ist schnell, verfügt über einen guten und präzisen Abschluss und ist intelligent genug, um sich immer wieder in aussichtsreiche Abschlusssituationen bringen zu können. Fernando Torres (32) bringt andere Qualitäten mit. Er ist physisch stärker als Correa und Vietto und gerade im Kopfballspiel sehr gut. 9 Tore und 4 Vorlagen in 36 Spielen ist eine ordentliche Quote, wobei er überwiegend in der Liga trifft. Torres ist ein wichtiger Bestandteil der Offensive, kann Bälle halten und verarbeiten und seine Mitspieler in Szene setzen. Der gefährlichste Spieler ist aber der Franzose Antoine Griezmann. In 46 Spielen erzielte er 29 Tore, legte 6 weitere vor und ist immer ein Gefahrenherd. Er ist immer anspielbar, bewegt sich gut, verfügt über eine hervorragende Spielintelligenz, trifft die richtigen Entscheidungen und ist sogar mit dem Kopf immer wieder gefährlich. Ihn auszuschalten dürfte ein hartes Stück Arbeit werden.

Taktisches: Interview mit Constantin Eckner (spielverlagerung.de)

Viele Experten sind sich einig, dass Atletico Madrid über eine der besten, vielleicht sogar über die beste Defensivreihe der Welt verfügt. Was macht die Mannschaft von Trainer Diego Simeone in der Defensive so stark und warum ist es gerade als Team, das den Ballbesitz oder den Offensivfußball als Markenzeichen hat, so schwer, gegen diese Truppe zu bestehen?

CE: Seit einigen Jahren praktiziert Atletico eine spezielle Form des defensiven 4-4-2. Als sie 2014 die spanische Meisterschaft gewannen und ins Champions-League-Finale einzogen, waren es vor allem die aggressiven bogenförmigen Anlaufbewegungen der ersten gegnerischen Aufbauspieler, das extrem clevere Leiten auf die Flügel und die intelligenten Rückzugsbewegungen hin zur Endverteidigung, die Atletico auszeichneten. Zudem positionierten sich die Außenverteidiger breiter als die Flügelstürmer davor, die aufgrund ihrer eingerückten Stellung die Halbräume effektiv bewachen konnten und Verbindung zum Mittelfeldzentrum hielten. Hinzu kam die versetzte Positionierung der Sechser. Der ballnahe Zentrumsspieler stand stets höher als sein Nebenmann. Bei Seitenverlagerungen stieß dann wiederum der zuvor tiefer postierte Sechser nach vorn, wodurch er automatisch mit Dynamik die Gegenspieler anlaufen konnte.

Nach der Saison 2013/14 verließen einige Schlüsselspieler den Verein allen voran Thibaut Courtois, Filipe Luis, Diego Costa und David Villa. Die beiden letztgenannten Akteure waren wichtig für Atleticos Konterspiel. Costa konnte oftmals den Ball in der Spitze für einige Momente behaupten, bevor seine Kollegen nachstießen. Zusammen mit Filipe Luis und Koke initiierte er viele Durchbrüche auf der linken Seite. Die Mannschaft von Diego Simeone verlor in der darauffolgenden Saison ein Stück weit ihre Besonderheit. Die Mechanismen wirkten aufgeweichter. Und eigentlich nahm die Entwicklung des Teams, das stets nur als Underdog betrachtet wurde, ihren Lauf.

Aber: Im Gegensatz zu vielen Trainerkollegen vor ihm schaffte Simeone die erneute Wende. Er brauchte die erwähnte Übergangssaison und trumpft nun mit einem noch flexibleren Defensivsystem auf. Kleine gruppentaktische Schwächen wie etwa bei der Abstimmung der Flügelverteidigung sind behoben. Das ballorientierte Verschieben in Kombination mit vereinzelter zonenorientierter Manndeckung ist anpassbar an jeden Gegner. Und als wäre das nicht schon gut genug, zeichnen sich Atleticos Verteidiger zudem durch eine hohe individuelle Spielintelligenz aus. Beispielsweise versuchen sie, sollten sie am Flügel in Unterzahl geraten, nicht etwa sofort den Ball zurückzuerobern. Vielmehr wollen sie in diesen Situationen nur die direkten Wege zum Tor blockieren und das Angriffstempo des Gegners drosseln, damit sich der Rest des Teams in Position bringen kann. Gepaart mit einer cleveren Zweikampfführung, bei der viele kleine Rempler vom Schiedsrichter nicht abgepfiffen werden, aber den gegnerischen Offensivfluss stören oder sogar zu Ballgewinnen führen, ist Atletico der Albtraum jeder offensivdenkenden Mannschaft.

Die Bayern, ähnlich wie der FC Barcelona oder auch Borussia Dortmund, schaffen es für gewöhnlich, durch kontinuierliche Ballzirkulation, die gegnerische Defensivformation auseinanderzuziehen. Das ist aber gerade gegen Atletico extrem schwierig, da die Verschiebevorgänge derart gut abgestimmt und eingeübt sind. Die erwähnte individuelle Defensivstärke von Spielern wie Diego Godin hilft zudem den Rojiblancos, sollte der Gegner doch einmal durchbrechen. Und gleichzeitig muss sich jedes Team, das gegen Atletico antritt, darüber im Klaren sein, dass die Madrilenen im Konterspiel sehr effektiv sind, obwohl zuweilen nur Antoine Griezmann in der Spitze ausharrt. Also traut sich der Gegner womöglich nicht, zu viele Männer vor dem Ball zu postieren und nach Verlust des Spielgerätes keinen Zugriff im Gegenpressing zu haben.

Allerdings besteht Atletico natürlich nicht nur aus einer gefestigten und disziplinierten Defensive. Auch die Offensive verfügt über viele Qualitäten und kann entsprechend des Gegners zusammengestellt werden. Wo siehst du die größten Gefahren für den FC Bayern und wie kann man diese möglichst konsequent unterbinden?

CE: Im Konterspiel ist Atletico unausrechenbar. Allen voran Griezmann und Carrasco verfügen über Tempo und Technik, um Durchbrüche gegen eine rudimentäre Abwehr zu erzielen. Hinzu kommt Fernando Torres, dem vielleicht die Geschwindigkeit früherer Tage abgeht, der aber immer noch mit seinen charakteristischen Wackelbewegungen Eins-gegen-Eins-Duelle gewinnen kann. Die Rojiblancos können bei Kontern auf eine ganze Reihe an einstudierten Laufwegen und Abläufen zurückgreifen, profitieren aber ebenso von den Improvisationsfähigkeiten ihrer Offensivakteure. Müssen sie allerdings aus dem geordneten Spielaufbau heraus agieren, tun sie sich recht schwer. Aber wie gegen Barcelona werden sie auch gegen Bayern München eher aus einer verteidigenden Rolle operieren können. Finden sie dann mit einem ihrer Konter oder einer ihrer weiterhin gefürchteten Standardsituationen den Dosenöffner, wird es aufgrund der erwähnten Defensivstärke für jeden Gegner extrem schwierig.

Der FC Bayern hat sowohl gegen Juventus als auch gegen Benfica gute, aber auch unseriöse und hektische Phasen gehabt, konnte sich im Endeffekt aber aufgrund verschiedenster Gründe durchsetzen. Was müssen die Bayern gegen Atletico besser machen als zuletzt? Welche taktischen Anpassungen sind möglicherweise von Bedeutung?

CE: Die Bayern müssen versuchen, so dominant wie möglich aufzutreten. Im Moment wirken sie sehr auf isolierte Durchbrüche vor allem auf den Außenbahnen fokussiert und vernachlässigen ein wenig ihr Positionsspiel im Mittelfeld, was dieses Unterfangen nicht einfacher macht. Die Kontergefahr, die Atletico ausstrahlt, ist zu respektieren. Aber die Rojiblancos tendieren manchmal dazu, sehr tief am eigenen Strafraum zu stehen und dann aus dieser Stellung nicht mehr herauszukommen. Über 180 Minuten wird es sicherlich nicht möglich sein, die Madrilenen im letzten Spielfelddrittel festzunageln, aber die Bayern sollten zumindest diesen Ansatz verfolgen.

Ganz konkret taktisch müsste sich der Tabellenführer der Bundesliga auf zwei Elemente konzentrieren: Zum einen wären vermehrte Seitenverlagerungen, die aber nicht hoch und weit, sondern flach über das Mittelfeldzentrum gespielt werden, sehr hilfreich. Atletico versucht stets schnell mit dem Ball zu verschieben oder sogar die Bewegungen des Balles im Vorhinein zu antizipieren. Dies könnten die Bayern nutzen, indem sie beispielsweise Seitenverlagerungen andeuten, aber die Richtung in der Mitte plötzlich wieder ändern, um die eigenen Flügelstürmer einzusetzen. Zum anderen würde es sich anbieten, dass beispielsweise die Außenverteidiger die unter Pep Guardiola bereits oft gesehenen Diagonalbewegungen einstreuen. Denn mit linearen Läufen ist gegen Juanfran und Co. wenig auszurichten. Stoßen sie aber diagonal in die Halbräume vor, wird Atleticos Mittelfeldreihe zum Handeln gezwungen. Entweder sie lassen Durchbrüche zu oder ziehen sich zusammen und geben Räume auf den Flügeln auf, die sie nach gegnerischen Verlagerungspässen wieder zuschieben müssten. Obwohl Atletico die beiden Viererketten so gut organisiert wie sonst nahezu keine Mannschaft auf der Welt, muss es für ein Team wie Bayern trotzdem das Ziel sein, Lücken zu öffnen.

Interview mit User KoenigRibery

Nach kräftezehrenden und durchaus schwierigen Spielen gegen Benfica hat sich der FC Bayern wieder einmal für das Halbfinale der Champions League qualifiziert. Nun trifft man auf Atletico Madrid, das den Titelverteidiger aus Barcelona aus dem Wettbewerb befördert hat. Wie ist deine Meinung zu dem Los und wen hättest du dir vielleicht eher gewünscht?

KR: Atletico Madrid ist mein persönliches Wunschlos, da wir in den vergangenen Jahren schon des öfteren das Vergnügen hatten, gegen Real Madrid oder Manchester City zu spielen. Atletico ist ein äußerst reizvoller, aber auch unangenehm zu bespielender Gegner, es wird sehr interessant zu sehen sein, wie wir gegen dieses äußerst devensiv- und konterstarke Team aus Madrid zurecht kommen werden. Aus meiner Sicht das vielleicht aktuell schwerste, aber auch interessanteste Los, zumal so im Idealfall weiterhin die Chance auf ein Finale gegen Real Madrid besteht, mit denen wir noch eine offene Rechnung zu begleichen haben.

Nachdem mit dem FC Barcelona der Titelverteidiger ausgeschieden ist, scheint die Königsklasse so offen wie selten zu sein. Wie schätzt du die Chancen der Bayern auf den Titel ein und wie würdest du derzeit die Kräfteverhältnisse von allen vier Teams einordnen?

KR: Mit dem FC Barcelona schied der meiner Meinung nach absolute Topfavorit bereits aus dem Wettbewerb aus. Die verbleibenden 4 Teams befinden sich allesamt auf einem ähnlichen Niveau und Nuancen werden ausschlaggebend sein. Die aktuelle Form und das dazugehörende "Momentum" sprechen aus meiner Sicht zurzeit für Atletico. Ich rechne mit einem absolut offenen und ausgeglichenen Spiel unserer Bayern und denke, dass die Chancen auf ein Finale etwa 50:50 sind. Sollten wir uns gegen diesen - im positiven Sinne - "ekelhaften" Gegner aus Madrid durchsetzen, bin ich fest davon überzeugt, dass wir den Titel am Ende auch holen werden. Im zweiten Halbfinale ist Real Madrid gegen Manchester City auf dem Papier der klare Favorit, dennoch sehe ich City, gerade auch mit einem wieder genesenen Kevin De Bruyne, durchaus in der Lage, Real vor Probleme zu stellen.

Der FC Bayern hatte zuletzt immer wieder kleinere defensive Aussetzer, nun steht Jerome Boateng vor der Rückkehr in die Mannschaft. Gegen Hertha soll er wieder im Kader stehen können. Würdest du das Risiko eingehen und ihn im Hinspiel schon von Beginn an bringen und wenn nicht, wie würde deine optimale Abwehrreihe aussehen?

KR: Ob Jerome Boateng bereits für das Hinspiel gegen Atletico ein Thema sein wird, werden wir frühestens nach dem Spiel gegen die Hertha beurteilen können. Sollte er gegen die Hertha bereits Minuten sehen, könnte ich mir einen Einsatz durchaus vorstellen, ohne Spielpraxis wäre das Risiko im Hinspiel wohl recht hoch. Ohne Boateng würde ich weiterhin auf eine 4er-Kette bestehend aus Lahm, Martinez, Kimmich und Alaba setzen, wobei natürlich auch Benatia oder Bernat für Kimmich zum Einsatz kommen könnten. Letzendlich geht es darum Atleticos äußerst starkes Umschaltspiel und die damit verbundenen Konter in den Griff zu bekommen und dabei muss man vor allem Griezmann so effektiv wie möglich ausschalten.

Der Spielstil von Atletico ist zumindest maximal unangenehm, gerade wenn man selbst ballbesitzorientiert spielt und eher offensiv ausgerichtet ist. Den FC Bayern erwarten zwei heiße Spiele, bei denen es vor allem auch auf die mentale Stärke angeht. Gerade die Offensive muss ihre Topform erreichen. Ausgehend vom jetzigen Personalstand, wen würdest du offensiv aufstellen und warum?

KR: Ja, gerade offensiv hapert es aktuell etwas. Lewandowski ist natürlich absolut gesetzt, dennoch wird auch er wieder seinen Killerinstinkt entdecken müssen, den er in den vergangenen Wochen etwas verloren hatte. Costa läuft zurzeit seiner Form hinterher und konnte nur selten wirklich überzeugen. Müller befindet sich zurzeit auch in einem kleinen Loch, aber ist dennoch gerade im Zusammenspiel mit Lewandowski unverzichtbar. Ribery bringt wieder eine spielerische Komponente in unser Spiel, die aus meiner Sicht enorm wichtig ist, wenngleich er natürlich noch nicht in der Lage ist, diese konstant über 90 Minuten zu zeigen. Der aktuell Formstärkste und somit "wichtigste" Flügelspieler, ist allerdings Coman, der mit seiner enormen Geschwindigkeit und Dribbelstärke gegen dieses kompakte Team aus Madrid unheimlich wichtig sein wird. Um die Frage abschließend zu beantworten, würde ich die vier offensiven Positionen mit Ribery, Lewandowski, Müller und Coman besetzen, dahinter Vidal und Thiago. Der Schlüssel, liegt gerade offensiv wie so oft auf dem Flügel, Bayern muss von Anfang an zeigen, dass man gerade dort gefährlich ist. Funktioniert das, bin ich optimistisch.

Abschließend, ganz obligatorisch, wer zieht in das Finale ein und warum?

KR: Wie bereits erwähnt, erwarte ich ein offenes Spiel gegen Atletico. Schaffen wir es zweimal über 90 Minuten unser Leistungsvermögen auf den Platz zu bekommen, sehe ich uns gerade individuell etwas stärker. Im zweiten Halbfinale wird sich Real Madrid durchsetzen, da ManCity meiner Meinung nach, trotz durchaus vorhandener Qualität, zu abhängig von Einzelspielern wie Kevin de Bruyne ist. Mein abschließender Tipp fürs Finale: Bayern München vs Real Madrid.

Prognose von User DunkingDonut

Auch ich als Neutraler freue mich enorm auf dieses Duell. Es ist davon auszugehen, dass Bayern, ähnlich wie Barcelona, Probleme mit der Aggressivität und den Kontern Atleticos haben wird, daher sehe ich die Chancen auf ein Weiterkommen relativ ausgeglichen. Bayern sucht immer noch ein bisschen nach seiner Form und lässt die Dominanz und Souveränität aus der Hinrunde weiterhin vermissen. Gegen Werder Bremen hatte man einige Unachtsamkeiten im Spiel, die man sich gegen Atletico so nicht erlauben darf, da diese dazu in der Lage sind derartige Patzer direkt zu bestrafen. Ich gehe aber davon aus, dass Bayern gegen Atletico nochmal deutlich fokussierter auftreten wird und es dementsprechend nicht zu solchen Fehlern kommen wird. Wenn Bayern es schafft seine beste Leistung zu bringen, sind sie für mich auch gegen Atletico leichter Favorit. Ob ihnen das gelingt, bleibt abzuwarten.

Abschließende Informationen

Hinspiel: Mittwoch, 27. April, Estadio Vicente Calderon, 20.45 Uhr

Rückspiel: Dienstag, 3. Mai, Allianz Arena, 20.45 Uhr

Verletzte Spieler, drohende Ausfälle: Diego Godin, Oliver Torres, Tiago (Atletico Madrid) - Arjen Robben, Holger Badstuber (FC Bayern)

zu Diego Godin: Godin musste beim Spiel gegen Athletic Bilbao nach 10 Minuten mit einer Oberschenkelverletzung ausgewechselt werden. Wie schwer die Verletzung ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bekannt. Sollte eine Diagnose vorliegen, wird es hier ein Update geben.

Gesperrte Spieler gibt es keine, die gelben Karten wurden außerdem nach dem Viertelfinale gelöscht, es gibt also keine vorbelasteten Spieler. Die Schiedsrichter werden kurz nach der Bekanntgabe ebenfalls hier veröffentlicht.

KOMMENTARE
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Maxi_FCB
21.04.2016 | 12:11 Uhr
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Maxi_FCB : 
21.04.2016 | 12:11 Uhr
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Maxi_FCB : 
Sehr, sehr, sehr gute Vorschau, der es an absolut nichts mangelt. TF bringt die Hintergrundinfos, die taktischen Aspekte wurden von Eckner gewohnt kompetent aufbereitet, KR bringt so ein wenig die bayerische Gemütslage auf den Punkt und Donut rundet das ganze mit einem neutralen Fazit ab.
Klasse Ding, vielleicht die beste Vorschau der bisherigen CL-Kampagne.

Zum Sportlichen: Das ist in meinen Augen der Inbegriff eines 50:50-Duells, das in alle Richtungen auspendeln kann. Entweder Pep findet taktisch den Schlüssel zu Atleticos unglaublich unangenehmem wie cleverem Spiel oder aber man beißt sich 180 Minuten die Zähne daran aus, fängt sich Konter- oder Standardgegentore ein und scheidet letztlich aus. Es gibt keine Erfahrungswerte, wie Spiele von Bayern gegen Atletico laufen könnten, da es dieses Duell schon lange nicht mehr gab. Peps Barca gewann zwar 2011/12 5:0 und 2:1 gegen Simeones Atletico, aber das damalige Atletico hat mit dem heutigen so wenig zu tun, wie Peps Barca mit Peps Bayern.

Gewiss ist mMn nur eines: Es wird sicher keine deutlichen Ergebnisse geben. Der Spielstand wird stets so sein, dass man bis zur letzten der zu erwartenden 180 Minuten um das Weiterkommen kämpfen muss. Atletico gewinnt gegen starke Gegner selten hoch, verliert aber auch ebenso selten hoch. Ihr Spielstil ist voll auf enge Kampfspiele, die sie dem Gegner aufzwingen, ausgerichtet.

Integral wird sein, dass man geduldig bleibt und sich nicht auf Atleticos Spielchen einlässt (dieser Appell ist vor allem an die Herren Ribery und Vidal gerichtet). Wenn man sich da in Kleinkriege verwickeln lässt und den Fokus auf das Wesentliche verliert, wird man ausscheiden. Davon kann man getrost ausgehen.

Tipp: 1:1 im Calderon, 2:1 in der Allianz Arena.
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Talentfrei
MODERATOR
21.04.2016 | 11:07 Uhr
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Talentfrei : 
21.04.2016 | 11:07 Uhr
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Talentfrei : 
Danke an Donut, KoenigRibery und Constantin Eckner!

Update: Diego Godin wird im Hinspiel nicht auf dem Platz stehen können, im Rückspiel könnte er wieder dabei sein. Jose Gimenez und Lucas Hernandez sollten im Defensivzentrum auflaufen.

Schiedsrichter: Wird noch bekanntgegeben.
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