So dramatisch die Situation auch ist, neu ist das sportliche Trauerspiel an der Weser bei weitem nicht mehr. Beinahe ermüdend mittlerweile die Frage nach dem Warum. Es ist eben nicht einfach und noch weniger mal eben so zu erklären. Und auch in Bremen kann man sich den Gesetzen des Geschäfts nicht gänzlich verwehren. Auch wir müssen, wenn es die Situation bedarf, offen sein für den einen schmerzhaften Schritt. Wir wollten Identifikation, Liebe und Respekt. Gegeben hat uns Robin alles, was er entbehren konnte. Ob es am Ende nicht genug war oder in einigen Bereichen zu viel, bleibt wage Theorie.
Und auch wenn nicht jede Entscheidung am Ende nachvollziehbar war, sollte man sich gegen das böse Nachtreten einiger unbelehrbarer Besserwisser in Richtung Dutt wehren. Denn nicht nur Arnd Zeigler, der näher an der Mannschaft dran ist, als es Ludovic Obraniak zeitweise war, weiß: arg viel Vorwerfen kann man dem Ex nicht. Es war nicht alles Gold, aber am Ende heißt scheitern nicht zwangsweise auch komplett versagt zu haben. Naturgemäß und weil das schon immer so war, ist man hinterher um ein paar Weitblicke reicher. Aber was nützt einem dieses hypothetische Wissen heute, wenn das Morgen immer nur eine biergetränkte Tagträumerei bleibt, die dann und wann Wahrheit offenbart, in den meisten Fällen aber in einem Rinnsal Urin endet. Wir stehen dort, wo wir stehen, freuen uns über jedes Kacktor, was den Weg in das gegnerische und nicht das eigene Gehäuse findet. So ist das eben im Fußball. Alles Testasteron.
Und weil das so ist, sollten wir uns bei Derbykönig Robin bedanken. Dafür, dass er es mit den ganzen Lukymias, Bargfredes, Petersens und Prödls überhaupt so lange ausgehalten hat und ihm von Herzen alles Gute für die kommenden Aufgaben wünschen. Noch viel wärmer sollte der Händedruck aber für Skripnik und seine Sbornaja ausfallen, da die lahmende Crew an Deck immer noch mit Skorbut und schlechter Pasta zu kämpfen hat. Dieser teilweise recht ordentlich talentierte Haufen, kann sicher mehr als das bis jetzt Gezeigte. Und wer erinnert sich nicht noch an die Zeiten, in denen die Borussia aus Gladbach in der Relegation den VFL Bochum nur knapp hinter sich lassen konnte. Ein paar Sonnenumrundungen später, steht da eine ganz vernünftig anmutende Mannschaft, die obwohl Sportdirektor Eberl eines Tages nur zufällig auf dem Rad vorbeikam (O-Ton Bertie Vogts), sehr solide strukturiert ist.
Da jetzt der Viktor eben zufällig Nachwuchstrainer im eigenen Klub war und auch Frings nicht schnell genug auf sein Motorrad kam, sind sie nun unsere Übungsleiter. Und wer das jetzt von außen betrachtet als günstige Notlösung abstempelt und Thorstens Friseurrechnungen nicht kennt, sollte nun tief Luft holen. Dem ist nicht so. Fernab von Coiffeur-Besuchen oder Schutzgeldzahlungen an osteuropäische Lederjackenträger, kostet Werder diese Lösung sicher auch Geld, vor allem bringt sie uns aber eines: Hoffnung. Und die ist, begründet in ihrer Natur, nicht käuflich. Also eigentlich schon. Aber aus der Fanperspektive ist sie es nicht. Sicher hätte auch ein Jose Mourinho ein gewisses Maß an Vorfreude ausgelöst, aber er ist eben kein Skripnik. Und der gute Skripnik ist vielleicht auch mehr Symbol als menschgewordene Leistungsexplosion. Für uns ist er ein Zeichen, ein Schritt zurück zu uns selbst.
Das verrückte an der Situation im hier und jetzt ist, dass der Effekt so verdammt groß ist, obwohl auf dem Platz nicht viel anderes passiert. Man könnte sagen: der Teufel liegt im Detail. Systemumstellung, personelle Veränderung und die ganze restliche Partybox könnte man nun aufreißen. Man könnte aber auch einfacher daherkommen und sagen: das Glück ist zurück. Aber mal eben so passiert das nicht. Glück, das wusste Oma Hildegard zu Esswein schon, muss man sich erarbeiten. Und die Mannschaft arbeitet. Hat sie vorher (in den meisten Fällen) aber auch. Doch alleine laufen wie bekloppt, das kann bei Herrn Junuzovic nachgefragt werden, ist nichts wert, wenn man nicht weiß, wohin. Daher möchte ich meinen: Glück fängt im Kopf an. Oder in einem Bären. Da man nun aber davon ausgehen kann, dass keine Glücksbärchis in den Spinden der Spieler hängen, hat ihnen das neue Trainer Team vor allem eines gegeben: Glaube. Und das passiert im Kopf.
Ob der gute Viktor in seiner Zeit als Jugendlicher die sanfte Methode der sowjetischen Gesprächstherapie erlernt hat, ist nicht übermittelt. Bleibt erst einmal auch in der Schublade liegen. Wir gewinnen. Drei von drei. Damit ist Skripnik statistisch gesehen nun bester Werdertrainer aller Zeiten und sollte sich überlegen, ob er dieses Momentum riskieren will. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er das tut. Genau so sicher wie die Tatsache, dass wir auch wieder Spiele verlieren werden. Vielleicht sogar am Sonntag in Hamburg. Und das darauf folgende auch.
Denn auch wenn uns kurzfristig ein gewisses Maß an Dusel den Hintern rettet, so wäre es ein fateler Fehler sich auf diese Hilfe allein zu verlassen. Skripnik muss es schaffen das lang gesuchte Gleichgewicht zwischen Offensive und Defensive zu finden und es zu etablieren. Nur wenn auf die moralische Entwicklung auch eine spielerische folgt, kann die diesjährige Bundesliga ein gutes Ende nehmen. Denn selbst wenn im Winter Verstärkung kommt, muss damit diese funktioniert, ein gut abgestimmtes Grundkonstukt stehen. Eines, was unsere Stärken und guten Spieler in Szene setzt und unsere Schwächen kompensiert. Alles nicht so einfach. Aber wir haben unsere besten Männer geschickt um es zu richten. Forza SVW. Auf das du niemals untergehen wirst.
Macht , dass ihr da unten nach und nach rauskommt jetzt. Ich als Gladbach Fan mache kein Hehl daraus, dass ich die "guten alten Zeiten" mit Werder - insbesondere die geilen Europapokalnächte - vermisse.
btw, starker Blog, hat Spass gemacht zu lesen.