31.12.2009 um 00:59 Uhr
Geschrieben von MGoedderz
An Tagen wie diesen...
Es sind diese Tage, die so grauenvoll sind. Es ist kalt, es stürmt und es regnet die ganze Zeit. Es hört einfach nicht auf. Wenn man es nicht besser wüsste, man könnte denken, Gott sei zornig.
Es sind diese Tage, an denen kaum ein Mensch sich vor die Tür traut, an denen jedes Café völlig überfüllt ist und der Vorrat an Heißer Schokolade im Haus so langsam zur Neige geht.
Es hört nicht auf zu regnen und es bleibt kalt.
Keine Lust nach draußen zu gehen. Keine Lust auf gar nichts.
Häufig verwandeln diese Tage selbst den kühnsten Optimisten in eine elende Jammergestalt und auch der größte Visionär wird melancholisch.
Einen Tag noch und das neue Jahr fängt an.
Da macht sich ein jeder Mensch neue, gut gemeinte Vorsätze. Die Mutter will wieder einmal abnehmen, der Vater gesünder leben. Jeder hat seine eigenen Vorstellungen, seine eigenen Träume im neuen Jahr, abgesehen von Sonnenschein und gutem Wetter.
Meine Familie hat einen Brauch, den ich persönlich jetzt schon lange auslebe. Immer wenn einer von uns krank ist oder das Wetter so schlecht ist, dass man die Rolläden schon früh herunterzieht, um das Elend da draußen nicht zu sehen, dann lassen wir 1990 wieder lebendig werden. Das Jahr der deutschen Einheit. Der Anfang des 20. Jahrhunderts.
Die Fußballweltmeisterschaft in Italien. Keine WM kenne ich besser. Kein Turnier habe ich intensiver verfolgt, obwohl ich zur Zeit des Finaltriumphs der deutschen Nationalmannschaft nicht einmal sprechen konnte.
Aber da gibt es noch diese alte Videokassette. Sie ist so alt, dass wir sie zu ihrem Schutz nur selten benutzen. 1990, die Highlights, präsentiert von Jörg Wontorra. Legendär. Für mich. Viele Spiele enthält die Videokassette nicht. Es sind elf, um genau zu sein. Alle perfekt zusammengefasst. Jörg Wontorras unvergleichbare Stimme. Diese Szenen, ich bin mit ihnen aufgewachsen.
Wie Roberto Baggio über das halbe Fußballfeld läuft und die gesamte Tschechoslowakei düpiert, wie Caniggia von zwei Kamerunern umgetreten wird, trotzdem weiterläuft, um dann vom dritten Kameruner den Gnadenstoß versetzt zu bekommen, wie Klinsmann sich über sein Tor gegen die Holländer freut, wie Völler von Rijkaard bespuckt wird, wie Waddle den entscheidenden Elfmeter für England in Richtung des Stadiondachs schießt und wie Andreas Brehme letztendlich den Elfmeter gegen Argentinien und Elfmeterkiller Goycochea versenkt.
Es fesselt mich, immer wieder. Es hat mich schon immer gefesselt. Ich kann nicht mehr zählen, wie häufig ich mir das Video angeschaut habe, aber mittlerweile kenne ich Wontorras Kommentar auswendig. Mittlerweile weiß ich sowieso alles über die Weltmeisterschaft 1990.
Der letzte Triumph der deutschen Nationalmannschaft auf der großen Weltbühne.
Es macht mich stolz. Es macht mich traurig.
Neben Papa die Idole meiner Kindheit
Der ultimative Erfolg ist mir weitestgehend unbekannt. An 1996 erinnere ich mich unscharf. An das erste Golden Goal. An Bierhoff gegen Petr Kouba. An Footballs Coming Home. An den Jubel erinnere ich mich nicht.
Seit ich denken kann, musste ich im Fußball Niederlagen einstecken. Mit sechs verstand ich das Spiel bereits weitestgehend, mit neun konnte ich Spiele bereits analysieren. Neun Jahre alt war ich auch, als mein Verein zum ersten Mal abstieg, als Deutschland 1998 von Davor Suker gedemütigt wurde. Zwei Jahre später war mein Verein wieder in der ersten Liga und Deutschland blamierte sich in Holland und Belgien bis auf die Knochen. So ging es weiter.
Während der Regen weiter auf das Dach prasselt, das alte Jahr sich dem Ende neigt und Starbucks wohl gerade explodiert vor Kunden, da werde ich ganz melancholisch.
2006, das war ein Spaß. Das war eine Euphorie, wie ich sie noch nie gespürt habe in meinem Leben. Es war alles so anders. Ein ganzes Land war wie ausgewechselt. Überall sprachen die Menschen andere Sprachen, doch überall hing unsere Flagge. Nach und nach, mehr und mehr.
Es scheint gestern geschehen zu sein, dass Lahm den Ball im Winkel unterbringt mit seiner Manschette, die den kleinen Lahm irgendwie noch jungenhafter erscheinen ließ. Wie gerade geschehen, das Tor von Neuville, die Flanke von Odonkor, die Glanzleistung gegen Schweden, das Elfmeterschießen gegen die Gauchos. Ich weiß es noch genau. Ich war drauf wie Otto auf Ecstasy. War aufgekratzt. Optimistisch. So drin. So dabei.
Im großen Pulk der öffentlich Schauenden fühlte ich mich wohl. Arm in Arm mit Jungs aus Ghana oder Australien. An der Seite von Engländern und Holländer. Als Deutscher.
Dann die Enttäuschung gegen Italien und alles war aus. Plötzlich vorbei. Dabei hatte es noch gar nicht angefangen. Ich war am Boden. Mein ganz persönlicher Fußballtraum war zerplatzt wie eine Seifenblase. 1990 hatte sich einfach nicht wiederholt.
Erst danach fing ich an über diese Zeit nachzudenken. Mit etwas Abstand zum Geschehen wurde mir klar, dass ich bei keinem Spiel so wirklich dabei war. Kein Spiel habe ich mir im Stadion angesehen. Ich war auch nie so wirklich nah dran. Dabei hatte ich doch die einzigartige Chance, im eigenen Land.
Doch die Atmosphäre zu dieser Zeit, sie war fantastisch. Ich war völlig von ihr in den Bann gezogen, fasziniert. Unabhängig vom Erfolg der deutschen Nationalmannschaft war ich einfach völlig mitgerissen vom großen Zirkus Weltmeisterschaft.
Ich will das nachholen, die neue Chance nutzen. Es ist mein Vorsatz für das neue Jahr, mein Traum. Es zieht mich so sehr nach Südafrika, dass ich jetzt schon nicht mehr ruhig sitzen kann.
Ich brauche diese Momente, in denen wir von Holländern bespuckt und von Argentiniern angegriffen werden. Ich will das hautnah. Ich brauche die Menschen neben mir, mit denen ich lachen und weinen kann. Die wild verkleideten Fans, die Vuvuzelas, die Atmosphäre.
Es ist ein schöner Traum für das neue Jahr.
Es ist ein so schöner Traum, dass er den Regen und die Kälte vergessen lässt und mich für einen Augenblick in der Sonne wägt, umgeben von verrückten Fans.
Ja, das ist genau die richtige Sache an diesen Tagen...
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Dann unterstützt mich und gebt hier eure Stimme für mich ab! Goeddi2010
Es sind diese Tage, an denen kaum ein Mensch sich vor die Tür traut, an denen jedes Café völlig überfüllt ist und der Vorrat an Heißer Schokolade im Haus so langsam zur Neige geht.
Es hört nicht auf zu regnen und es bleibt kalt.
Keine Lust nach draußen zu gehen. Keine Lust auf gar nichts.
Häufig verwandeln diese Tage selbst den kühnsten Optimisten in eine elende Jammergestalt und auch der größte Visionär wird melancholisch.
Einen Tag noch und das neue Jahr fängt an.
Da macht sich ein jeder Mensch neue, gut gemeinte Vorsätze. Die Mutter will wieder einmal abnehmen, der Vater gesünder leben. Jeder hat seine eigenen Vorstellungen, seine eigenen Träume im neuen Jahr, abgesehen von Sonnenschein und gutem Wetter.
Meine Familie hat einen Brauch, den ich persönlich jetzt schon lange auslebe. Immer wenn einer von uns krank ist oder das Wetter so schlecht ist, dass man die Rolläden schon früh herunterzieht, um das Elend da draußen nicht zu sehen, dann lassen wir 1990 wieder lebendig werden. Das Jahr der deutschen Einheit. Der Anfang des 20. Jahrhunderts.
Die Fußballweltmeisterschaft in Italien. Keine WM kenne ich besser. Kein Turnier habe ich intensiver verfolgt, obwohl ich zur Zeit des Finaltriumphs der deutschen Nationalmannschaft nicht einmal sprechen konnte.
Aber da gibt es noch diese alte Videokassette. Sie ist so alt, dass wir sie zu ihrem Schutz nur selten benutzen. 1990, die Highlights, präsentiert von Jörg Wontorra. Legendär. Für mich. Viele Spiele enthält die Videokassette nicht. Es sind elf, um genau zu sein. Alle perfekt zusammengefasst. Jörg Wontorras unvergleichbare Stimme. Diese Szenen, ich bin mit ihnen aufgewachsen.
Wie Roberto Baggio über das halbe Fußballfeld läuft und die gesamte Tschechoslowakei düpiert, wie Caniggia von zwei Kamerunern umgetreten wird, trotzdem weiterläuft, um dann vom dritten Kameruner den Gnadenstoß versetzt zu bekommen, wie Klinsmann sich über sein Tor gegen die Holländer freut, wie Völler von Rijkaard bespuckt wird, wie Waddle den entscheidenden Elfmeter für England in Richtung des Stadiondachs schießt und wie Andreas Brehme letztendlich den Elfmeter gegen Argentinien und Elfmeterkiller Goycochea versenkt.
Es fesselt mich, immer wieder. Es hat mich schon immer gefesselt. Ich kann nicht mehr zählen, wie häufig ich mir das Video angeschaut habe, aber mittlerweile kenne ich Wontorras Kommentar auswendig. Mittlerweile weiß ich sowieso alles über die Weltmeisterschaft 1990.
Der letzte Triumph der deutschen Nationalmannschaft auf der großen Weltbühne.
Es macht mich stolz. Es macht mich traurig.
Neben Papa die Idole meiner Kindheit
Der ultimative Erfolg ist mir weitestgehend unbekannt. An 1996 erinnere ich mich unscharf. An das erste Golden Goal. An Bierhoff gegen Petr Kouba. An Footballs Coming Home. An den Jubel erinnere ich mich nicht.
Seit ich denken kann, musste ich im Fußball Niederlagen einstecken. Mit sechs verstand ich das Spiel bereits weitestgehend, mit neun konnte ich Spiele bereits analysieren. Neun Jahre alt war ich auch, als mein Verein zum ersten Mal abstieg, als Deutschland 1998 von Davor Suker gedemütigt wurde. Zwei Jahre später war mein Verein wieder in der ersten Liga und Deutschland blamierte sich in Holland und Belgien bis auf die Knochen. So ging es weiter.
Während der Regen weiter auf das Dach prasselt, das alte Jahr sich dem Ende neigt und Starbucks wohl gerade explodiert vor Kunden, da werde ich ganz melancholisch.
2006, das war ein Spaß. Das war eine Euphorie, wie ich sie noch nie gespürt habe in meinem Leben. Es war alles so anders. Ein ganzes Land war wie ausgewechselt. Überall sprachen die Menschen andere Sprachen, doch überall hing unsere Flagge. Nach und nach, mehr und mehr.
Es scheint gestern geschehen zu sein, dass Lahm den Ball im Winkel unterbringt mit seiner Manschette, die den kleinen Lahm irgendwie noch jungenhafter erscheinen ließ. Wie gerade geschehen, das Tor von Neuville, die Flanke von Odonkor, die Glanzleistung gegen Schweden, das Elfmeterschießen gegen die Gauchos. Ich weiß es noch genau. Ich war drauf wie Otto auf Ecstasy. War aufgekratzt. Optimistisch. So drin. So dabei.
Im großen Pulk der öffentlich Schauenden fühlte ich mich wohl. Arm in Arm mit Jungs aus Ghana oder Australien. An der Seite von Engländern und Holländer. Als Deutscher.
Dann die Enttäuschung gegen Italien und alles war aus. Plötzlich vorbei. Dabei hatte es noch gar nicht angefangen. Ich war am Boden. Mein ganz persönlicher Fußballtraum war zerplatzt wie eine Seifenblase. 1990 hatte sich einfach nicht wiederholt.
Erst danach fing ich an über diese Zeit nachzudenken. Mit etwas Abstand zum Geschehen wurde mir klar, dass ich bei keinem Spiel so wirklich dabei war. Kein Spiel habe ich mir im Stadion angesehen. Ich war auch nie so wirklich nah dran. Dabei hatte ich doch die einzigartige Chance, im eigenen Land.
Doch die Atmosphäre zu dieser Zeit, sie war fantastisch. Ich war völlig von ihr in den Bann gezogen, fasziniert. Unabhängig vom Erfolg der deutschen Nationalmannschaft war ich einfach völlig mitgerissen vom großen Zirkus Weltmeisterschaft.
Ich will das nachholen, die neue Chance nutzen. Es ist mein Vorsatz für das neue Jahr, mein Traum. Es zieht mich so sehr nach Südafrika, dass ich jetzt schon nicht mehr ruhig sitzen kann.
Ich brauche diese Momente, in denen wir von Holländern bespuckt und von Argentiniern angegriffen werden. Ich will das hautnah. Ich brauche die Menschen neben mir, mit denen ich lachen und weinen kann. Die wild verkleideten Fans, die Vuvuzelas, die Atmosphäre.
Es ist ein schöner Traum für das neue Jahr.
Es ist ein so schöner Traum, dass er den Regen und die Kälte vergessen lässt und mich für einen Augenblick in der Sonne wägt, umgeben von verrückten Fans.
Ja, das ist genau die richtige Sache an diesen Tagen...
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Aufrufe: 1743 | Kommentare: 9 | Bewertungen: 13 | Erstellt:31.12.2009
ø 9.3
KOMMENTARE
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02.01.2010 | 11:54 Uhr
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01.01.2010 | 03:25 Uhr
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ja die krankheitstage bei uns zu hause waren schon cool aber ich könnte das nie so in worte fassen wie du^^
naja ich drück dir auch die daumen für den fanreporter
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01.01.2010 | 02:08 Uhr
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Serres :
klasse , einfach klasse blog.
nur , bei der wm in südafrika wird es auch winter sein
weltmeister 2010.
brasilien , spanien , england , deutschland .
und kein anderer
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31.12.2009 | 14:45 Uhr
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Voegi :
sehr emotional, sehr schön.kann das alles sehr gut nachempfinden. bin da ja auch was nostalgisch veranlagt. drücke die die dumen für fanreporter 2010.
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31.12.2009 | 13:06 Uhr
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xxlhonk :
Ach Martin,sehr schön.
Auch wenn die erste WM an die ich mich richtig erinnern kann, bereits die 74er war, ist das alles wie gestern.
Und obwohl es bei uns seit zwei Tagen schneit, kann ich deine Wehmut ein wenig verstehen (ich LIEBE Schnee).
Und ich bin mir fast sicher, dass die WM 2010 deine WM wird.
Du fährst da als SPOX-Fanreporter hin und bringst uns den Pokal mit nach hause.
Wir werden WM und DU wirst tausende von persönlichen Erinnerungen daran haben.
Einen guten Rutsch in DEIN WM Jahr 2010
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31.12.2009 | 12:21 Uhr
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So bin ich halt, wenn sich das Jahr dem Ende zuneigt.
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31.12.2009 | 12:09 Uhr
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Dr_D :
Sehr gut. Du hast deine persönlichen Erinnerungen in Worte gefaßt, ich mag das generell und noch mehr, wenn es gut gemacht ist, so wie in diesem Blog.
Jeder hat irgendwelche Erinnerungen an die verschiedenen WMs, außer 1998 (die WM die nie stattfand). Aber wenige können so drüber schreiben.
Genug lob gehudelt. Guten Rutsch...
Es schneit, dicke Flocken, herrlich, besonders wenn man nicht mehr raus muß.
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31.12.2009 | 11:10 Uhr
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midget :
mir gefällt dieser blog. wirklich :)ja die WM90, lothars große stunde gegen die Yugos. war ne schöne zeit. damals. damals gab es aber auch winter und wahrscheinlich hab ich damals an 74 gedacht ;)
ganz feine kiste goeddi. und für mich bist du ja schon halb in südafrika.
guten rutsch!
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