Jetzt erst recht

Es war der Augenblick der ultimativen Leere. Als Bastian Schweinsteiger den Ball an den Pfosten setzte (und Didier Drogba wenige Momente später seinen Elfmeter verwandelte) brach für uns Bayern-Fans eine kleine große Welt zusammen. Der Traum vom großen Triumph im Finale dahoam war ausgeträumt. Eine Saison aus dem Bilderbuch der Albträume Wirklichkeit geworden. Dreimal Zweiter, das Vize-Triple – für unsereins der absolute Super-GAU.

Der 19. Mai war der Tag, an dem wohl die meisten Bayern-Fans vorerst die Lust verloren – auf den FC Bayern, auf große Endspiele, auf den Fußball insgesamt. Nur die wenigsten von uns empfanden Trost angesichts des Gedankens an die bevorstehende Europameisterschaft, deren Ausgang sich – wie wir jetzt wissen – letztlich auch wenig tröstlich gestalten sollte. Verloren im Nirwana des Fußballuniversums stellte sich der Bayern-Fan wieder einmal die Sinnfrage, ohne auch nur eine Idee von einer möglichen Antwort zu haben.

Für mich selbst bedeutete eben jener 19. Mai den Tag der größten sportlichen Enttäuschung, schlimmer noch als der Sekundentod von Barcelona. Ich haderte mit meinem Herz- und Magenclub, trauerte den vergebenen Möglichkeiten nach und verzweifelte schließlich an der Frage, ob und wann eine solche Chance jemals wieder kommen würde. Ich jammerte und verlor mich ein wenig im Selbstmitleid des Augenblicks.

Ziemlich genau zwei Monate ist das alles her. Aus heutiger Sicht erscheint mir das Rumgeschmolle dieser Tage reichlich lächerlich. So beschissen das Ende der Saison 2011/2012 auch war, so sehr sollten wir Bayern-Fans eben auch den Umgang mit herben Enttäuschungen beherrschen. Nicht weil – wie andere Fans jetzt schelmisch prophezeien – noch viele dieser bitteren Pleiten aufs uns zukommen werden. Sondern vielmehr, weil eine aufrechte Auseinandersetzung mit den Pleiten der Vergangenheit der Schlüssel für den Erfolg von morgen ist. Vor allem bei den Spielern, aber eben auch bei den Fans.

Selbstmitleid war gestern, Zuversicht ist heute, Triumph ist morgen. Selbstgefälliges Rumgenöle passt nicht zum FC Bayern. Wer etwas von sich hält, der glaubt auch in schlechten Zeiten an sich. Eine ordentliche Portion ‚mia san mia‘ tut uns, tut dem Verein in diesen Tagen ganz gut. Und genau deshalb ist die Verpflichtung von Matthias Sammer, dem Larmoyanz und Selbstzweifel ein Dorn im Auge sind, das absolut richtige Zeichen. Wir brauchen wieder mehr Selbstbewusstsein, mehr Selbstverständlichkeit, mehr Optimismus. Kurzum: Wir brauchen wieder mehr FC Bayern.

Ein Matthias Sammer allein wird den FC Bayern natürlich nicht aus dem Tal der Tränen auf den Pfad des Erfolges zurückbringen. Aber er ist ein Signal an die Spieler und auch an uns Fans, den Kopf wieder ein bisschen höher zu nehmen und mit tiefüberzeugter-„Pack ma’s"-Einstellung nach vorne zu schauen. Vergangenheit Vergangenheit sein zu lassen und sich den neuen Aufgaben zuzuwenden.

Genau das muss unsere Haltung sein. Für Zurückhaltung und Bedachtsamkeit ist kein Platz mehr. Sollte irgendein Spieler einwenden, nach den Pleiten der letzten Saison sei es schwierig, sich wieder neu zu motivieren, sollte man ihm einen Vereinswechsel nahelegen. Schließlich kann es doch wohl keine größere Herausforderung geben, als nach einem so elenden Saisonausgang sich und der Welt den eigenen Fighting Spirit zu beweisen. Es ist die reizvollste Herausforderung – im Sport wie im Leben insgesamt – sich auf dem Boden liegend wieder in eine aufrechte Haltung zu begeben. Das nur kann das Credo des FC Bayern in der neuen Saison sein.

Und genau das sollte auch Ansporn für uns hier bei FCB-SPOX sein: Unseren FCB auf dieser Mission zu begleiten und alle Empfindlichkeiten hinten an zu stellen. Es wird weder Frustration noch Depression geben. Wir werden nicht zurückschauen und trauern, sondern nach vorne blicken. Auf die neue Saison, auf die neuen Herausforderungen. Wir sind da ganz Oli Kahn: Immer weiter machen! Für uns heißt es: Jetzt erst recht!

Das mag alles etwas pathetisch klingen. Aber ich bin überzeugt, dass sich der FC Bayern vor einer der wichtigsten Weichenstellungen seiner Historie befindet: Kleinlaut, bedrückt, hadernd oder eben doch weiter selbstbewusst, optimistisch, fokussiert auf den nächsten Erfolg. Ich bin ganz entschieden für den zweiten Weg. Und ich finde, wir Bayern-Fans (hier auf FCB-SPOX) sollten genau diese Einstellung vorleben und jetzt wieder ans Werk gehen. Hier an Ort und Stelle. Mit Power, mit Einsatz, mit vielen spannenden und emotionalen Blogbeiträgen, Kommentaren und Diskussionen. Kurz: Mit einer riesigen Portion Leidenschaft.

In diesem Sinne: Wir sind wieder da!

…übrigens jetzt auch endlich auf Facebook


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