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FC Bayern München


Gründer: Tobi | Mitglieder: 965 | Beiträge: 253
09.04.2012 um 18:00 Uhr
Geschrieben von Voegi
FCB-Augenblicke (XVI)


Eine epische Schlacht

Wir Bayern-Fans gelten gemeinhin ja als erfolgsverwöhnte Nimmersatte. Zweite Plätze betrachten wir als persönliche Kränkung, Niederlagen haben für uns nicht stattgefunden und Unentschieden werden nach einem kurzen Moment des Achselzuckens wieder verdrängt.



Trotz aller Verdrängungsmechanismen ist den meisten Fans des FC Bayern aber ein Remis wohl noch heute in lebendiger Erinnerung. Das 1:1 im Dortmunder Westfalenstadion vom April 2001 (damals trug die Arena noch diese putzig-unkommerzielle Bezeichnung) werden wir wohl Zeit unseres (Fußball-)Lebens nicht vergessen. Dabei hatte die Partie weniger den Charakter eines Fußballspiels als vielmehr einer martialischen Schlacht ohne Hemmungen und Tabus. Mit sage und schreibe zehn Verwarnungen und drei Platzverweisen hält diese Begegnung noch immer den ewigen Kartenrekord der Bundesliga und dürfte allein aus diesem Grunde in die Fußball-Historie eingehen.

Dabei schien sich zunächst ein ganz gewöhnliches Bundesligaspiel abzuzeichnen. Bereits nach sechs Minuten gingen unsere Bayern durch einen von Bixente Lizarazu mustergültig vorbereiten Abstauber unseres Scheingoalgetters Roque Santa Cruz in Führung. Vieles sprach dafür, dass das Topspiel am Samstagabend des 7. Aprils 2001 zu einer klaren und unspektakulären Angelegenheit geraten würde. Doch wie so oft schaltete der FCB auch diesmal nach einer Auswärtsführung einen Gang zurück und überließ das Spiel mehr und mehr dem Gegner. Folge waren wütende Gegenangriffe der Borussen, die unsere Kicker zusehends nur mit Fouls zu beantworten wussten.

Griechisch-Römisch in Dortmund

So kam es, wie es kommen musste. Bereits nach einer guten halbe Stunde sah Bixente Lizarazu seine zweite Gelbe Karte in diesem Spiel und durfte sich Richtung Dusche aufmachen. Was nun folgte, glich eher einem olympischen Kampfsportwettbewerb denn einem Bundesligamatch. Vor allem die Bayern griffen dabei zu Maßnahmen, die in die Kategorie „griechisch-römisch" einzuordnen waren. Doch auch die Borussen ließen sich lumpen.


Diashow: Bayern gegen Dortmund - die besten Bilder


So hatte der keineswegs souveräne Referee Hartmut Strampe, den Bayern-Manager Uli Hoeneß nachher als Alleinschuldigen für die Eskalation ausmachte, bereits zum Pausenpfiff sechs Verwarnungen gezeigt. Nicht nur Strampe bekam übrigens an diesem Tag von Hoeneß sein Fett weg. Auch Dortmunds Otto Addo wurde ob seiner schauspielerischen Talente zum Angriffsziel einer Schimpftirade des Bayern-Managers.

Ihre wahre Dramatik sollte die Partie indes erst im zweiten Spielabschnitt offenbaren. Die in Überzahl agierenden Dortmunder schnürten die Gäste immer weiter in der eigenen Hälfte ein und erspielten sich Möglichkeit um Möglichkeit, ohne zunächst den begehrten Torferfolg für sich feiern zu können. Schuld daran trug auch der indisponierte Schiedsrichter, der einem Treffer von Bobic wegen vermeintlicher Abseitsstellung die Anerkennung verweigerte.

Effe geht duschen

Wenige Minuten später war es dann aber schließlich soweit. Nach schöner Vorarbeit von Lars Ricken schob Bobic zum verdienten Ausgleichstreffer ein. Alles sah nun danach aus, dass die Gastgeber das Spiel würden drehen können. Zumal die Bayern unter dem Druck der aufgehitzten Stimmung im Westfalenstadion mehr und mehr die Fassung verloren und sich fünf weitere Verwarnungen abholten. Kapitän Stefan Effenberg durfte sich zehn Minuten vor Schluss nach einem von Strampe als Bodycheck gewerteten Körpereinsatz mit glatt Rot gleich ganz in Richtung Kabine verabschieden. Bis zur 90. Minute, in der Dortmunds Evanilson dann auch noch vorzeitig das Spielfeld verlassen musste, agierten die Gäste nun in doppelter Unterzahl und sahen sich folgerichtig einem Sturmlauf der Borussen ausgesetzt.

Dessen Höhepunkt sollte letztlich auch sinnbildlich stehen für die gesamte Saison des FC Bayern. Tomas Rosicky hatte die Chance, das Spiel mit einem 20-Meter-Freistoß für seine Mannschaft zu entscheiden. Mit all der Akribie und Eleganz, die sein Spiel zu dieser Zeit noch prägte, zwirbelte er die Kugel über die an sich perfekte gestellte Bayern-Mauer hinweg Richtung Bayern-Tor, wo er wenige Zehntelsekunden später zum für die BVB-Fans erlösenden 2:1 einschlagen sollte. Doch auch diesmal stand – wie so oft in dieser Spielzeit – das Glück den Bayern Pate, die sich trotz mäßiger Leistungen zumeist ganz vorne in der Tabelle wiederfanden.

Der Innenpfosten als Signal

So schlug Rosickys effetvoller Heben eben nicht im Netz ein, sondern legte sich sanft auf die Innenseite des – vom Schützen aus gesehen – linken Torpfostens, von wo er in aller Seelenruhe Oliver Kahn vor die Füße sprang. In schlechten Zeiten wäre der Ball wohl noch vom Schienenbein des Titans ins Tor geprallt. Die Saison 2000/2001 gewährte den Bayern jedoch eben all das Glück zurück, was man zwei Jahre zuvor in Barcelona noch geopfert hatte. Und so konnte Kahn den Ball in aller Gelassenheit mit den Händen aufnehmen, um darauf die Faust mit heroischer Geste gen Himmel zu strecken und der Fußballwelt zu signalisieren: Wir stehen zwar oft vor dem Abgrund, aber wir springen nicht.


Unbesiegbar! Oli Kahn beschwört das Bayern-Gen.

So oder so ähnlich sah es wohl aus, das Fanal, das den weiteren Verlauf der Saison vorwegnehmen sollte. Denn auch zum Ende der Spielzeit standen die Münchener oftmals am Abgrund. Doch dank Kahnscher Willenskraft und einer ordentlichen Portion Glück konnte man die fast schon verloren geglaubte Meisterschaft letztlich noch für sich entschieden. Vielleicht war jenes Remis aus dem April 2001 für diesen Erfolg also eine Art Schlüsselspiel – ein Moment, der einen ganz besonderen Spirit der Unbesiegbarkeit heraufbeschwor, welcher sich auch in dem nachfolgenden CL-Triumph niederschlagen sollte.


An diesem Mittwoch wird uns ein Unentschieden in Dortmund hingegen nicht reichen. Der FC Bayern muss gewinnen. Und sollte es – wider Erwarten – doch nur zu einem Remis reichen, dann hoffen wir am kommenden Wochenende eben auf die Mithilfe der Schalker. Auf die haben wir uns schließlich schon in der besagten Saison 200/2001 verlassen können…
Aufrufe: 13299 | Kommentare: 15 | Bewertungen: 22 | Erstellt:09.04.2012
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KOMMENTARE
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Trunken
10.04.2012 | 16:46 Uhr
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Trunken : 
10.04.2012 | 16:46 Uhr
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Trunken : 
Schon als ich die Überschrift auf der Hauptseite gelesen hab, dacht ich mir innerlich "geil!" und meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Super Block!
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Schnumbi
10.04.2012 | 16:46 Uhr
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Schnumbi : 
10.04.2012 | 16:46 Uhr
-2
Schnumbi : 
was ein geiler titel

hach wer erinnert sich nicht an diese siegerpose des titan.

wird zeit das neuer auch die geste imitiert

auf gehts ihr roten
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Matthi10
10.04.2012 | 08:15 Uhr
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Matthi10 : @Voegi
10.04.2012 | 08:15 Uhr
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Matthi10 : @Voegi
tolle Erinnerung... war grad wieder mittendrin in dem Spiel...
Ich habe noch in Erinnerung, dass Bobic glaub ich von der ersten Minute weg eine Privatunterhaltung mit Strampe geführt hat. Mir kam das damals vor, als hätten die beiden sich erstmal vor jeder Karte beraten
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Gotti1963
09.04.2012 | 18:44 Uhr
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Gotti1963 : 
09.04.2012 | 18:44 Uhr
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Gotti1963 : 
Für mich auch eines DER Spiele...
War das ein Gewühl, eine hitzige Auseinandersetzung. Bobic hat Strampe nach dem Abseitspfiff einen Blick zugeworfen, der war waffenscheinpflichtig. Und Giovane hat als wir nur zu Neunt waren sogar noch ein Tor geschossen, aber Strampe hat ein Foul "erkannt".
In der angeregten Unterhaltung danach bekamen sogar fast alle Taxifahrer in der Dortmunder Innenstadt eine gelbe Karte...
Und Oli nach dem Spiel in die Premiere Mikrofone: "Da sieht man dass sie es nicht verdient hatten, jetzt weiß ich, dass wir Meister werden"
I remember me well...

@Gnanag: ich bin dann für die kühle, emotionslose satire- und ironiefreie Kiste zuständig. Kommt morgen früh...
Und wenn ich Frittenfett wäre, wäre ich schon komplett verdampft!
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Gnanag
09.04.2012 | 18:41 Uhr
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Gnanag : 
09.04.2012 | 18:41 Uhr
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Gnanag : 
Ein unvergessenes Karten - und Foulfestival war das.

Da ist der heutige Konkurrenzkampf zwischen Bayern und Dortmund Kinderfasching dagegen. Sauber. Harmlos. Und modern. Was ja auch gut ist. 2001 hatte das etwas archaisches, unkontrolliert Emotionales. Überbrodelndes. Einerseits auf eigenartige Weise mitreißend, andererseits abstoßend. Nein, das muss am Mittwoch nicht mehr sein. Emotionen ja bitte, aber primär bitte guten, spektakulären Fußball.

Besonders von dem Spiel in Erinnerung geblieben sind mir übrigens Reifs lakonische Kommentare und Effenbergs ironische Kusshand.

PS: Toller Blog Voegi, anschaulich und wunderbar beschrieben. Ich werde mit jedem Vorschau-Blog aus unserer Gruppe heißer. Bin mal gespannt, was Gotti noch raushaut
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